Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite
und Ungerechtigkeit;

So lange wir zuvor als Brüder lebten,
hatte ich immer einen Groschen Geld bey mir.
Das that mir wohl, denn ich durffte in eine
Compagnie zu gehen mich nicht schämen. Da
es nun Zeit währender Unversöhnlichkeit mir
es gar sehr am Gelde gebrach, und ich wegen
solches Mangels manche Gesellschafft ausschla-
gen muste, auch nach Salomonis Ausspruche,
den er von den Säuffern und Spielern gethan,
zerrissene Kleider mit mähligen zu tragen anfieng,
ließ ich mich so gar mein Fleisch und Blut ver-
leiten, daß ich einem von meinen Comilitoni-
bus,
den ich im Ebräischen etliche Stunden die
Woche informirte, ein Buch entwendete, und
zu Gelde machte. Jch gieng zwar an diese
That eher nicht, als bis ich erst per modum
voti,
und als ein Gelübde GOtte mit vielen
Worten versprach und zusagte, daß, so bald ich
wieder zu Gelde kommen würde, ich dergleichen
Buch, oder doch eben so viel Geld, ihm resti-
tui
ren wolte; aber es gab solches doch meinem
zarten Gewissen keine Satisfaction, welches we-
gen guter Auferziehung in der Jugend so we-
nig, als mein Auge vertragen kunte. Jch hielt
auch hernach, was ich GOtte versprochen und
zugesaget. Denn nachdem ich das folgende
Jahr, alß mein Vater starb, 100. Rthl. geer-
bet, schickte ich ihm so viel Geld in Briefen zu,

von
G 5
und Ungerechtigkeit;

So lange wir zuvor als Bruͤder lebten,
hatte ich immer einen Groſchen Geld bey mir.
Das that mir wohl, denn ich durffte in eine
Compagnie zu gehen mich nicht ſchaͤmen. Da
es nun Zeit waͤhrender Unverſoͤhnlichkeit mir
es gar ſehr am Gelde gebrach, und ich wegen
ſolches Mangels manche Geſellſchafft ausſchla-
gen muſte, auch nach Salomonis Ausſpruche,
den er von den Saͤuffern und Spielern gethan,
zerriſſene Kleider mit maͤhligen zu tragen anfieng,
ließ ich mich ſo gar mein Fleiſch und Blut ver-
leiten, daß ich einem von meinen Comilitoni-
bus,
den ich im Ebraͤiſchen etliche Stunden die
Woche informirte, ein Buch entwendete, und
zu Gelde machte. Jch gieng zwar an dieſe
That eher nicht, als bis ich erſt per modum
voti,
und als ein Geluͤbde GOtte mit vielen
Worten verſprach und zuſagte, daß, ſo bald ich
wieder zu Gelde kommen wuͤrde, ich dergleichen
Buch, oder doch eben ſo viel Geld, ihm reſti-
tui
ren wolte; aber es gab ſolches doch meinem
zarten Gewiſſen keine Satisfaction, welches we-
gen guter Auferziehung in der Jugend ſo we-
nig, als mein Auge vertragen kunte. Jch hielt
auch hernach, was ich GOtte verſprochen und
zugeſaget. Denn nachdem ich das folgende
Jahr, alß mein Vater ſtarb, 100. Rthl. geer-
bet, ſchickte ich ihm ſo viel Geld in Briefen zu,

von
G 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0151" n="105"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">und Ungerechtigkeit;</hi> </fw><lb/>
        <p>So lange wir zuvor als Bru&#x0364;der lebten,<lb/>
hatte ich immer einen Gro&#x017F;chen Geld bey mir.<lb/>
Das that mir wohl, denn ich durffte in eine<lb/><hi rendition="#aq">Compagnie</hi> zu gehen mich nicht &#x017F;cha&#x0364;men. Da<lb/>
es nun Zeit wa&#x0364;hrender Unver&#x017F;o&#x0364;hnlichkeit mir<lb/>
es gar &#x017F;ehr am Gelde gebrach, und ich wegen<lb/>
&#x017F;olches Mangels manche Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft aus&#x017F;chla-<lb/>
gen mu&#x017F;te, auch nach Salomonis Aus&#x017F;pruche,<lb/>
den er von den Sa&#x0364;uffern und Spielern gethan,<lb/>
zerri&#x017F;&#x017F;ene Kleider mit ma&#x0364;hligen zu tragen anfieng,<lb/>
ließ ich mich &#x017F;o gar mein Flei&#x017F;ch und Blut ver-<lb/>
leiten, daß ich einem von meinen <hi rendition="#aq">Comilitoni-<lb/>
bus,</hi> den ich im Ebra&#x0364;i&#x017F;chen etliche Stunden die<lb/>
Woche <hi rendition="#aq">informi</hi>rte, ein Buch entwendete, und<lb/>
zu Gelde machte. Jch gieng zwar an die&#x017F;e<lb/>
That eher nicht, als bis ich er&#x017F;t <hi rendition="#aq">per modum<lb/>
voti,</hi> und als ein Gelu&#x0364;bde GOtte mit vielen<lb/>
Worten ver&#x017F;prach und zu&#x017F;agte, daß, &#x017F;o bald ich<lb/>
wieder zu Gelde kommen wu&#x0364;rde, ich dergleichen<lb/>
Buch, oder doch eben &#x017F;o viel Geld, ihm <hi rendition="#aq">re&#x017F;ti-<lb/>
tui</hi>ren wolte; aber es gab &#x017F;olches doch meinem<lb/>
zarten Gewi&#x017F;&#x017F;en keine <hi rendition="#aq">Satisfaction,</hi> welches we-<lb/>
gen guter Auferziehung in der Jugend &#x017F;o we-<lb/>
nig, als mein Auge vertragen kunte. Jch hielt<lb/>
auch hernach, was ich GOtte ver&#x017F;prochen und<lb/>
zuge&#x017F;aget. Denn nachdem ich das folgende<lb/>
Jahr, alß mein Vater &#x017F;tarb, 100. Rthl. geer-<lb/>
bet, &#x017F;chickte ich ihm &#x017F;o viel Geld in Briefen zu,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 5</fw><fw place="bottom" type="catch">von</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0151] und Ungerechtigkeit; So lange wir zuvor als Bruͤder lebten, hatte ich immer einen Groſchen Geld bey mir. Das that mir wohl, denn ich durffte in eine Compagnie zu gehen mich nicht ſchaͤmen. Da es nun Zeit waͤhrender Unverſoͤhnlichkeit mir es gar ſehr am Gelde gebrach, und ich wegen ſolches Mangels manche Geſellſchafft ausſchla- gen muſte, auch nach Salomonis Ausſpruche, den er von den Saͤuffern und Spielern gethan, zerriſſene Kleider mit maͤhligen zu tragen anfieng, ließ ich mich ſo gar mein Fleiſch und Blut ver- leiten, daß ich einem von meinen Comilitoni- bus, den ich im Ebraͤiſchen etliche Stunden die Woche informirte, ein Buch entwendete, und zu Gelde machte. Jch gieng zwar an dieſe That eher nicht, als bis ich erſt per modum voti, und als ein Geluͤbde GOtte mit vielen Worten verſprach und zuſagte, daß, ſo bald ich wieder zu Gelde kommen wuͤrde, ich dergleichen Buch, oder doch eben ſo viel Geld, ihm reſti- tuiren wolte; aber es gab ſolches doch meinem zarten Gewiſſen keine Satisfaction, welches we- gen guter Auferziehung in der Jugend ſo we- nig, als mein Auge vertragen kunte. Jch hielt auch hernach, was ich GOtte verſprochen und zugeſaget. Denn nachdem ich das folgende Jahr, alß mein Vater ſtarb, 100. Rthl. geer- bet, ſchickte ich ihm ſo viel Geld in Briefen zu, von G 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/151
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/151>, abgerufen am 21.11.2024.