dium Ridelianum von hiesigem Leipziger Rathe mir auf zwey Jahr assigniret wurde. Aber wie es mit den Gemüthern beschaffen, wo die Furcht der Haupt-Affect ist, sie fürchten, wo nichts zu fürchten ist, und dencken immer, ihr Geld werde nicht zulangen; so war es auch mit mir. So viel gütige Vorsorge, und Führungen GOttes ich auch schon in meinem Leben erfahren; Dennoch, so offt mein Beu- tel leer wurde, so ward mein Hertz von Angst und Mißtrauen voll; wiewol ich ein besseres Auskommen nicht aus Geld-Geitz, sondern aus Eruditions-Geitz begehrte, um im Stande zu seyn Bücher zu kauffen, und noch mehr Collegia passiva nach Wunsch zu halten. Diese unzeitige Furcht und Kleinmüthigkeit hat mich im Leben offt zu recht niederträchtigen Ent- schlüßungen verursachet, so daß ich beynahe sol- che Dinge erwehlet, so meinem Stande schimpff- lich, und praejudicirlich würden gewesen seyn, wenn mich GOtt nicht immer noch davon ab- gehalten hätte; wiewol ich allemahl, ehe ich obgesieget, und das ficherste, und beste erwehlet, in ein rechtes Angst- und Schweiß-Bad gefüh- ret worden. Der Tisch kam mich dieses Jahr auf 40. Rthlr, die Stube auf 15. Rthlr. Um in diesem Stücke eine Menage zu treffen, und solch Geld zu erspahren, so fehlte es nicht
viel,
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will aus Furcht
dium Ridelianum von hieſigem Leipziger Rathe mir auf zwey Jahr aſſigniret wurde. Aber wie es mit den Gemuͤthern beſchaffen, wo die Furcht der Haupt-Affect iſt, ſie fuͤrchten, wo nichts zu fuͤrchten iſt, und dencken immer, ihr Geld werde nicht zulangen; ſo war es auch mit mir. So viel guͤtige Vorſorge, und Fuͤhrungen GOttes ich auch ſchon in meinem Leben erfahren; Dennoch, ſo offt mein Beu- tel leer wurde, ſo ward mein Hertz von Angſt und Mißtrauen voll; wiewol ich ein beſſeres Auskommen nicht aus Geld-Geitz, ſondern aus Eruditions-Geitz begehrte, um im Stande zu ſeyn Buͤcher zu kauffen, und noch mehr Collegia paſſiva nach Wunſch zu halten. Dieſe unzeitige Furcht und Kleinmuͤthigkeit hat mich im Leben offt zu recht niedertraͤchtigen Ent- ſchluͤßungen verurſachet, ſo daß ich beynahe ſol- che Dinge erwehlet, ſo meinem Stande ſchimpff- lich, und præjudicirlich wuͤrden geweſen ſeyn, wenn mich GOtt nicht immer noch davon ab- gehalten haͤtte; wiewol ich allemahl, ehe ich obgeſieget, und das ficherſte, und beſte erwehlet, in ein rechtes Angſt- und Schweiß-Bad gefuͤh- ret worden. Der Tiſch kam mich dieſes Jahr auf 40. Rthlr, die Stube auf 15. Rthlr. Um in dieſem Stuͤcke eine Menage zu treffen, und ſolch Geld zu erſpahren, ſo fehlte es nicht
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will aus Furcht
dium Ridelianum von hieſigem Leipziger Rathe
mir auf zwey Jahr aſſigniret wurde. Aber
wie es mit den Gemuͤthern beſchaffen, wo die
Furcht der Haupt-Affect iſt, ſie fuͤrchten, wo
nichts zu fuͤrchten iſt, und dencken immer, ihr
Geld werde nicht zulangen; ſo war es auch
mit mir. So viel guͤtige Vorſorge, und
Fuͤhrungen GOttes ich auch ſchon in meinem
Leben erfahren; Dennoch, ſo offt mein Beu-
tel leer wurde, ſo ward mein Hertz von Angſt
und Mißtrauen voll; wiewol ich ein beſſeres
Auskommen nicht aus Geld-Geitz, ſondern
aus Eruditions-Geitz begehrte, um im Stande
zu ſeyn Buͤcher zu kauffen, und noch mehr
Collegia paſſiva nach Wunſch zu halten.
Dieſe unzeitige Furcht und Kleinmuͤthigkeit hat
mich im Leben offt zu recht niedertraͤchtigen Ent-
ſchluͤßungen verurſachet, ſo daß ich beynahe ſol-
che Dinge erwehlet, ſo meinem Stande ſchimpff-
lich, und præjudicirlich wuͤrden geweſen ſeyn,
wenn mich GOtt nicht immer noch davon ab-
gehalten haͤtte; wiewol ich allemahl, ehe ich
obgeſieget, und das ficherſte, und beſte erwehlet,
in ein rechtes Angſt- und Schweiß-Bad gefuͤh-
ret worden. Der Tiſch kam mich dieſes Jahr
auf 40. Rthlr, die Stube auf 15. Rthlr.
Um in dieſem Stuͤcke eine Menage zu treffen,
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/229>, abgerufen am 21.11.2024.
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