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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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und weil er nicht weiß,
ich ihm zuletzt gehalten, und welche ihn so despe-
rat
gemacht hatte, daß er von mir gelauffen,
und anderswo Dienste genommen hatte. Ja,
was das ärgste, so straffte mich mein eigen Hertz,
daß ich seiner gerne hätte wollen los werden, und
zwar auch unter andern um einer gewissen Absicht
willen, die aus Weltlichem Interesse herkam.

Dieß alles lag mir ohne Unterlaß im Sinne,
bis daß am Johannis-Tage in der Kirchen, da
es mir abermahl einkam, es wie ein Stein auf
mein Hertz fiel, so daß ich etliche Tage beynahe
so große Angst gespühret, wie diejenige war, so
ich An. 1695. schier den gantzen Sommer em-
pfunden. Jch disputirte, und disputirte mit
mir: bald verklagten, bald entschuldigten mich
meine Gedancken. Bald glaubte ich, meine
Unbarmhertzigkeit wäre ein Rückfall, bald
rechtfertigte ich wieder meine Handlung.
Nach der Zeit, wenn ich mit kaltem Geblüte,
und ohne Affecten diese Sache überleget, habe
ich freylich erkannt, daß ich gegen diesen nichts-
würdigen Menschen eher zu gelinde, als zu un-
barmhertzig gewesen. Doch wie die sind, so
ein fleischern Hertze, und schüchtern Gewissen ha-
ben, und das Ubel der Sünde in ihrem Leben
einmahl haben kennen lernen: sie zittern vor
der Sünde so sehr, daß sie auch wohl zuweilen
vor Sünde halten, was doch keine Sünde ist.

Ob
N 4

und weil er nicht weiß,
ich ihm zuletzt gehalten, und welche ihn ſo deſpe-
rat
gemacht hatte, daß er von mir gelauffen,
und anderswo Dienſte genommen hatte. Ja,
was das aͤrgſte, ſo ſtraffte mich mein eigen Hertz,
daß ich ſeiner gerne haͤtte wollen los werden, und
zwar auch unter andern um einer gewiſſen Abſicht
willen, die aus Weltlichem Intereſſe herkam.

Dieß alles lag mir ohne Unterlaß im Sinne,
bis daß am Johannis-Tage in der Kirchen, da
es mir abermahl einkam, es wie ein Stein auf
mein Hertz fiel, ſo daß ich etliche Tage beynahe
ſo große Angſt geſpuͤhret, wie diejenige war, ſo
ich An. 1695. ſchier den gantzen Sommer em-
pfunden. Jch diſputirte, und diſputirte mit
mir: bald verklagten, bald entſchuldigten mich
meine Gedancken. Bald glaubte ich, meine
Unbarmhertzigkeit waͤre ein Ruͤckfall, bald
rechtfertigte ich wieder meine Handlung.
Nach der Zeit, wenn ich mit kaltem Gebluͤte,
und ohne Affecten dieſe Sache uͤberleget, habe
ich freylich erkannt, daß ich gegen dieſen nichts-
wuͤrdigen Menſchen eher zu gelinde, als zu un-
barmhertzig geweſen. Doch wie die ſind, ſo
ein fleiſchern Hertze, und ſchuͤchtern Gewiſſen ha-
ben, und das Ubel der Suͤnde in ihrem Leben
einmahl haben kennen lernen: ſie zittern vor
der Suͤnde ſo ſehr, daß ſie auch wohl zuweilen
vor Suͤnde halten, was doch keine Suͤnde iſt.

Ob
N 4
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[199/0245] und weil er nicht weiß, ich ihm zuletzt gehalten, und welche ihn ſo deſpe- rat gemacht hatte, daß er von mir gelauffen, und anderswo Dienſte genommen hatte. Ja, was das aͤrgſte, ſo ſtraffte mich mein eigen Hertz, daß ich ſeiner gerne haͤtte wollen los werden, und zwar auch unter andern um einer gewiſſen Abſicht willen, die aus Weltlichem Intereſſe herkam. Dieß alles lag mir ohne Unterlaß im Sinne, bis daß am Johannis-Tage in der Kirchen, da es mir abermahl einkam, es wie ein Stein auf mein Hertz fiel, ſo daß ich etliche Tage beynahe ſo große Angſt geſpuͤhret, wie diejenige war, ſo ich An. 1695. ſchier den gantzen Sommer em- pfunden. Jch diſputirte, und diſputirte mit mir: bald verklagten, bald entſchuldigten mich meine Gedancken. Bald glaubte ich, meine Unbarmhertzigkeit waͤre ein Ruͤckfall, bald rechtfertigte ich wieder meine Handlung. Nach der Zeit, wenn ich mit kaltem Gebluͤte, und ohne Affecten dieſe Sache uͤberleget, habe ich freylich erkannt, daß ich gegen dieſen nichts- wuͤrdigen Menſchen eher zu gelinde, als zu un- barmhertzig geweſen. Doch wie die ſind, ſo ein fleiſchern Hertze, und ſchuͤchtern Gewiſſen ha- ben, und das Ubel der Suͤnde in ihrem Leben einmahl haben kennen lernen: ſie zittern vor der Suͤnde ſo ſehr, daß ſie auch wohl zuweilen vor Suͤnde halten, was doch keine Suͤnde iſt. Ob N 4

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/245>, abgerufen am 21.11.2024.