auch mit den Sündern mache, so lange noch Hoffnung der Besserung ist, und wenn ihnen die Sünde nicht anders kan verleidet, noch sie von dem Schaden, und Unrecht, so sie dem Nächsten thun, abgehalten werden. Obwol die Melancholici wegen ihres Temperamentes und verbrandten dicken Geblütes schon zu schrecklichen Zufällen geneigt sind; so halte ich doch, es würden dieselben nicht so leicht aus- brechen, daferne sie nicht mit ihren Sünden Holtz zutrügen zu dem Feuer, und feurigen Ofen der Anfechtungen, in welchem sie offters brennen müssen, bis die Schlacken ihrer Sün- den verzehret sind. Die Sünden dürffen auch nicht immer ihrer Natur nach schwer, und übergroß seyn; es ist genug, wenn einige merckwürdige Umstände denselben eine hohe Staffel beylegen. Ja, wenn GOtt auch seine Kinder mit schweren Versuchungen zu prüfen gesonnen, so muß auch wol ein irriger Wahn frommer Christen, da sie eine Schwach- heits-Sünde vor eine Bosheits-Sünde anse- hen, und auf traurige Gedancken gerathen, als ob sie der Gnade GOttes von neuem verlustig worden, darzu Gelegenheit geben. Höre nur, was sich mit mir zugetragen.
Jch hatte einen habituellen, eiferigen, be- ständigen, täglichen Vorsatz, etwas nimmer-
mehr
weil er eine gewiſſe Suͤnde
auch mit den Suͤndern mache, ſo lange noch Hoffnung der Beſſerung iſt, und wenn ihnen die Suͤnde nicht anders kan verleidet, noch ſie von dem Schaden, und Unrecht, ſo ſie dem Naͤchſten thun, abgehalten werden. Obwol die Melancholici wegen ihres Temperamentes und verbrandten dicken Gebluͤtes ſchon zu ſchrecklichen Zufaͤllen geneigt ſind; ſo halte ich doch, es wuͤrden dieſelben nicht ſo leicht aus- brechen, daferne ſie nicht mit ihren Suͤnden Holtz zutruͤgen zu dem Feuer, und feurigen Ofen der Anfechtungen, in welchem ſie offters brennen muͤſſen, bis die Schlacken ihrer Suͤn- den verzehret ſind. Die Suͤnden duͤrffen auch nicht immer ihrer Natur nach ſchwer, und uͤbergroß ſeyn; es iſt genug, wenn einige merckwuͤrdige Umſtaͤnde denſelben eine hohe Staffel beylegen. Ja, wenn GOtt auch ſeine Kinder mit ſchweren Verſuchungen zu pruͤfen geſonnen, ſo muß auch wol ein irriger Wahn frommer Chriſten, da ſie eine Schwach- heits-Suͤnde vor eine Bosheits-Suͤnde anſe- hen, und auf traurige Gedancken gerathen, als ob ſie der Gnade GOttes von neuem verluſtig worden, darzu Gelegenheit geben. Hoͤre nur, was ſich mit mir zugetragen.
Jch hatte einen habituellen, eiferigen, be- ſtaͤndigen, taͤglichen Vorſatz, etwas nimmer-
mehr
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0254"n="208"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">weil er eine gewiſſe Suͤnde</hi></fw><lb/>
auch mit den Suͤndern mache, ſo lange noch<lb/>
Hoffnung der Beſſerung iſt, und wenn ihnen<lb/>
die Suͤnde nicht anders kan verleidet, noch ſie<lb/>
von dem Schaden, und Unrecht, ſo ſie dem<lb/>
Naͤchſten thun, abgehalten werden. Obwol<lb/>
die <hirendition="#aq">Melancholici</hi> wegen ihres <hirendition="#aq">Temperament</hi>es<lb/>
und verbrandten dicken Gebluͤtes ſchon zu<lb/>ſchrecklichen Zufaͤllen geneigt ſind; ſo halte ich<lb/>
doch, es wuͤrden dieſelben nicht ſo leicht aus-<lb/>
brechen, daferne ſie nicht mit ihren Suͤnden<lb/>
Holtz zutruͤgen zu dem Feuer, und feurigen<lb/>
Ofen der Anfechtungen, in welchem ſie offters<lb/>
brennen muͤſſen, bis die Schlacken ihrer Suͤn-<lb/>
den verzehret ſind. Die Suͤnden duͤrffen<lb/>
auch nicht immer ihrer Natur nach ſchwer, und<lb/>
uͤbergroß ſeyn; es iſt genug, wenn einige<lb/>
merckwuͤrdige Umſtaͤnde denſelben eine hohe<lb/>
Staffel beylegen. Ja, wenn GOtt auch<lb/>ſeine Kinder mit ſchweren Verſuchungen zu<lb/>
pruͤfen geſonnen, ſo muß auch wol ein irriger<lb/>
Wahn frommer Chriſten, da ſie eine Schwach-<lb/>
heits-Suͤnde vor eine Bosheits-Suͤnde anſe-<lb/>
hen, und auf traurige Gedancken gerathen, als<lb/>
ob ſie der Gnade GOttes von neuem verluſtig<lb/>
worden, darzu Gelegenheit geben. Hoͤre nur,<lb/>
was ſich mit mir zugetragen.</p><lb/><p>Jch hatte einen <hirendition="#aq">habituell</hi>en, eiferigen, be-<lb/>ſtaͤndigen, taͤglichen Vorſatz, etwas nimmer-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">mehr</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[208/0254]
weil er eine gewiſſe Suͤnde
auch mit den Suͤndern mache, ſo lange noch
Hoffnung der Beſſerung iſt, und wenn ihnen
die Suͤnde nicht anders kan verleidet, noch ſie
von dem Schaden, und Unrecht, ſo ſie dem
Naͤchſten thun, abgehalten werden. Obwol
die Melancholici wegen ihres Temperamentes
und verbrandten dicken Gebluͤtes ſchon zu
ſchrecklichen Zufaͤllen geneigt ſind; ſo halte ich
doch, es wuͤrden dieſelben nicht ſo leicht aus-
brechen, daferne ſie nicht mit ihren Suͤnden
Holtz zutruͤgen zu dem Feuer, und feurigen
Ofen der Anfechtungen, in welchem ſie offters
brennen muͤſſen, bis die Schlacken ihrer Suͤn-
den verzehret ſind. Die Suͤnden duͤrffen
auch nicht immer ihrer Natur nach ſchwer, und
uͤbergroß ſeyn; es iſt genug, wenn einige
merckwuͤrdige Umſtaͤnde denſelben eine hohe
Staffel beylegen. Ja, wenn GOtt auch
ſeine Kinder mit ſchweren Verſuchungen zu
pruͤfen geſonnen, ſo muß auch wol ein irriger
Wahn frommer Chriſten, da ſie eine Schwach-
heits-Suͤnde vor eine Bosheits-Suͤnde anſe-
hen, und auf traurige Gedancken gerathen, als
ob ſie der Gnade GOttes von neuem verluſtig
worden, darzu Gelegenheit geben. Hoͤre nur,
was ſich mit mir zugetragen.
Jch hatte einen habituellen, eiferigen, be-
ſtaͤndigen, taͤglichen Vorſatz, etwas nimmer-
mehr
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/254>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.