Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

findet keinen Trost in
bloß vom Leibe herkommen, und die Melancho-
lie
nur ihren Grund in verstopfften Gefäßen,
und verbranten Geblüte hat, so kan ich nicht
anders, ich muß der Aertzte ihren Rath billi-
gen, nach welchem sie in solchen Fällen das
Aderlassen vorschlagen, sintemahln sie die Erfah-
rung gelehret, daß dieses die Patienten offt von
solchem Ubel befreyet. Wenn aber bey solcher
Schwermuth und Melancholie, und derglei-
chen betrübten Einfällen ein Gewissens-Kum-
mer, und eine Angst wegen begangener Sünden
zu finden, so hat mich die Erfahrung in meinem
Amte gelehret, daß alsdenn das Aderlassen die
Kranckheit nicht hebe, ja daß, weil durch Ader-
lassen die Kräffte des Menschen noch mehr ge-
schwächet werden, das Ubel nur desto ärger
werde, wenn das Gewissen durch GOTTes
Wort nicht zuvor geheilet, und beruhiget wor-
den; sintemahl die große Gewissens-Angst
hernach desto leichter die durch das Aderlassen ge-
schwächte Lebens-Geister verwirren, und den
Menschen seines Verstandes berauben kan, so
daß derselbe hernach ohne Verstand nach dem er-
schrecklichen Bilde würcket, was in seinem
Haupte entstanden, und selbst Hand an sich
leget.

Ob der Satan solche Gedancken würcke,
und die Imagination mit einem solchem mörderi-

schen

findet keinen Troſt in
bloß vom Leibe herkommen, und die Melancho-
lie
nur ihren Grund in verſtopfften Gefaͤßen,
und verbranten Gebluͤte hat, ſo kan ich nicht
anders, ich muß der Aertzte ihren Rath billi-
gen, nach welchem ſie in ſolchen Faͤllen das
Aderlaſſen vorſchlagen, ſintemahln ſie die Erfah-
rung gelehret, daß dieſes die Patienten offt von
ſolchem Ubel befreyet. Wenn aber bey ſolcher
Schwermuth und Melancholie, und derglei-
chen betruͤbten Einfaͤllen ein Gewiſſens-Kum-
mer, und eine Angſt wegen begangener Suͤnden
zu finden, ſo hat mich die Erfahrung in meinem
Amte gelehret, daß alsdenn das Aderlaſſen die
Kranckheit nicht hebe, ja daß, weil durch Ader-
laſſen die Kraͤffte des Menſchen noch mehr ge-
ſchwaͤchet werden, das Ubel nur deſto aͤrger
werde, wenn das Gewiſſen durch GOTTes
Wort nicht zuvor geheilet, und beruhiget wor-
den; ſintemahl die große Gewiſſens-Angſt
hernach deſto leichter die durch das Aderlaſſen ge-
ſchwaͤchte Lebens-Geiſter verwirren, und den
Menſchen ſeines Verſtandes berauben kan, ſo
daß derſelbe hernach ohne Verſtand nach dem er-
ſchrecklichen Bilde wuͤrcket, was in ſeinem
Haupte entſtanden, und ſelbſt Hand an ſich
leget.

Ob der Satan ſolche Gedancken wuͤrcke,
und die Imagination mit einem ſolchem moͤrderi-

ſchen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0265" n="219"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">findet keinen Tro&#x017F;t in</hi></fw><lb/>
bloß vom Leibe herkommen, und die <hi rendition="#aq">Melancho-<lb/>
lie</hi> nur ihren Grund in ver&#x017F;topfften Gefa&#x0364;ßen,<lb/>
und verbranten Geblu&#x0364;te hat, &#x017F;o kan ich nicht<lb/>
anders, ich muß der Aertzte ihren Rath billi-<lb/>
gen, nach welchem &#x017F;ie in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen das<lb/>
Aderla&#x017F;&#x017F;en vor&#x017F;chlagen, &#x017F;intemahln &#x017F;ie die Erfah-<lb/>
rung gelehret, daß die&#x017F;es die <hi rendition="#aq">Patient</hi>en offt von<lb/>
&#x017F;olchem Ubel befreyet. Wenn aber bey &#x017F;olcher<lb/>
Schwermuth und <hi rendition="#aq">Melancholie,</hi> und derglei-<lb/>
chen betru&#x0364;bten Einfa&#x0364;llen ein Gewi&#x017F;&#x017F;ens-Kum-<lb/>
mer, und eine Ang&#x017F;t wegen begangener Su&#x0364;nden<lb/>
zu finden, &#x017F;o hat mich die Erfahrung in meinem<lb/>
Amte gelehret, daß alsdenn das Aderla&#x017F;&#x017F;en die<lb/>
Kranckheit nicht hebe, ja daß, weil durch Ader-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en die Kra&#x0364;ffte des Men&#x017F;chen noch mehr ge-<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;chet werden, das Ubel nur de&#x017F;to a&#x0364;rger<lb/>
werde, wenn das Gewi&#x017F;&#x017F;en durch GOTTes<lb/>
Wort nicht zuvor geheilet, und beruhiget wor-<lb/>
den; &#x017F;intemahl die große Gewi&#x017F;&#x017F;ens-Ang&#x017F;t<lb/>
hernach de&#x017F;to leichter die durch das Aderla&#x017F;&#x017F;en ge-<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;chte Lebens-Gei&#x017F;ter verwirren, und den<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;eines Ver&#x017F;tandes berauben kan, &#x017F;o<lb/>
daß der&#x017F;elbe hernach ohne Ver&#x017F;tand nach dem er-<lb/>
&#x017F;chrecklichen Bilde wu&#x0364;rcket, was in &#x017F;einem<lb/>
Haupte ent&#x017F;tanden, und &#x017F;elb&#x017F;t Hand an &#x017F;ich<lb/>
leget.</p><lb/>
        <p>Ob der Satan &#x017F;olche Gedancken wu&#x0364;rcke,<lb/>
und die <hi rendition="#aq">Imagination</hi> mit einem &#x017F;olchem mo&#x0364;rderi-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0265] findet keinen Troſt in bloß vom Leibe herkommen, und die Melancho- lie nur ihren Grund in verſtopfften Gefaͤßen, und verbranten Gebluͤte hat, ſo kan ich nicht anders, ich muß der Aertzte ihren Rath billi- gen, nach welchem ſie in ſolchen Faͤllen das Aderlaſſen vorſchlagen, ſintemahln ſie die Erfah- rung gelehret, daß dieſes die Patienten offt von ſolchem Ubel befreyet. Wenn aber bey ſolcher Schwermuth und Melancholie, und derglei- chen betruͤbten Einfaͤllen ein Gewiſſens-Kum- mer, und eine Angſt wegen begangener Suͤnden zu finden, ſo hat mich die Erfahrung in meinem Amte gelehret, daß alsdenn das Aderlaſſen die Kranckheit nicht hebe, ja daß, weil durch Ader- laſſen die Kraͤffte des Menſchen noch mehr ge- ſchwaͤchet werden, das Ubel nur deſto aͤrger werde, wenn das Gewiſſen durch GOTTes Wort nicht zuvor geheilet, und beruhiget wor- den; ſintemahl die große Gewiſſens-Angſt hernach deſto leichter die durch das Aderlaſſen ge- ſchwaͤchte Lebens-Geiſter verwirren, und den Menſchen ſeines Verſtandes berauben kan, ſo daß derſelbe hernach ohne Verſtand nach dem er- ſchrecklichen Bilde wuͤrcket, was in ſeinem Haupte entſtanden, und ſelbſt Hand an ſich leget. Ob der Satan ſolche Gedancken wuͤrcke, und die Imagination mit einem ſolchem moͤrderi- ſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/265
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/265>, abgerufen am 21.11.2024.