Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite
sondern die gröste Furcht

Jst der erste Einfall nicht vom Satan, so
ist es doch, als ob der Teufel sein Spiel hernach
mit den Historien hätte, die man alsdenn überall
von solchen Leuten erzehlen höret, die selbst Hand
an sich geleget. Jch hatte schier verredet
nicht mehr auszugehen; denn wo ich hinkam,
da fielen die Discurse auf solche Menschen, die
sich selbst umgebracht. Jch halte, die abscheu-
liche Gestalt, und das ängstliche Angesicht, das
man alsdenn hat, giebt den Leuten Gelegen-
heit, daß sie an solche traurige Casus und Exem-
pel gedencken. Niemahls habe ich mehr ge-
glaubet, daß es mit mir eben ein solches Ende
nehmen würde, als da einst Herr Kunad, der
auch im Collegio wohnte, und das Moral-Col-
legium
bey mir hörete, mit mir redete, und
weil er sich auf die Chiromantie und Gesichts-
Linien zu verstehen vermeynte, mich bereden
wolte, es fänden sich bey mir einige Lineamenta
und Merckmahle derer, die sich selbst Leides an-
thäten.

Doch das war noch nicht alles. Jch
kam ohngefehr zur Bett-Frau hinein, die gegen
mir über ihre Stube, und welche allemahl einen
großen Vorrath von Geschichten und Mährchen
hatte, womit sie einen unterhalten kunte. Zu
allem Unglück erzehlte sie mir eine Historie von
einem, der am Char-Freytage sich selbst umge-

bracht
ſondern die groͤſte Furcht

Jſt der erſte Einfall nicht vom Satan, ſo
iſt es doch, als ob der Teufel ſein Spiel hernach
mit den Hiſtorien haͤtte, die man alsdenn uͤberall
von ſolchen Leuten erzehlen hoͤret, die ſelbſt Hand
an ſich geleget. Jch hatte ſchier verredet
nicht mehr auszugehen; denn wo ich hinkam,
da fielen die Diſcurſe auf ſolche Menſchen, die
ſich ſelbſt umgebracht. Jch halte, die abſcheu-
liche Geſtalt, und das aͤngſtliche Angeſicht, das
man alsdenn hat, giebt den Leuten Gelegen-
heit, daß ſie an ſolche traurige Caſus und Exem-
pel gedencken. Niemahls habe ich mehr ge-
glaubet, daß es mit mir eben ein ſolches Ende
nehmen wuͤrde, als da einſt Herr Kunad, der
auch im Collegio wohnte, und das Moral-Col-
legium
bey mir hoͤrete, mit mir redete, und
weil er ſich auf die Chiromantie und Geſichts-
Linien zu verſtehen vermeynte, mich bereden
wolte, es faͤnden ſich bey mir einige Lineamenta
und Merckmahle derer, die ſich ſelbſt Leides an-
thaͤten.

Doch das war noch nicht alles. Jch
kam ohngefehr zur Bett-Frau hinein, die gegen
mir uͤber ihre Stube, und welche allemahl einen
großen Vorrath von Geſchichten und Maͤhrchen
hatte, womit ſie einen unterhalten kunte. Zu
allem Ungluͤck erzehlte ſie mir eine Hiſtorie von
einem, der am Char-Freytage ſich ſelbſt umge-

bracht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0268" n="222"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">&#x017F;ondern die gro&#x0364;&#x017F;te Furcht</hi> </fw><lb/>
        <p>J&#x017F;t der er&#x017F;te Einfall nicht vom Satan, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t es doch, als ob der Teufel &#x017F;ein Spiel hernach<lb/>
mit den Hi&#x017F;torien ha&#x0364;tte, die man alsdenn u&#x0364;berall<lb/>
von &#x017F;olchen Leuten erzehlen ho&#x0364;ret, die &#x017F;elb&#x017F;t Hand<lb/>
an &#x017F;ich geleget. Jch hatte &#x017F;chier verredet<lb/>
nicht mehr auszugehen; denn wo ich hinkam,<lb/>
da fielen die <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cur&#x017F;</hi>e auf &#x017F;olche Men&#x017F;chen, die<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t umgebracht. Jch halte, die ab&#x017F;cheu-<lb/>
liche Ge&#x017F;talt, und das a&#x0364;ng&#x017F;tliche Ange&#x017F;icht, das<lb/>
man alsdenn hat, giebt den Leuten Gelegen-<lb/>
heit, daß &#x017F;ie an &#x017F;olche traurige <hi rendition="#aq">Ca&#x017F;us</hi> und Exem-<lb/>
pel gedencken. Niemahls habe ich mehr ge-<lb/>
glaubet, daß es mit mir eben ein &#x017F;olches Ende<lb/>
nehmen wu&#x0364;rde, als da ein&#x017F;t Herr <hi rendition="#aq">Kunad,</hi> der<lb/>
auch im <hi rendition="#aq">Collegio</hi> wohnte, und das <hi rendition="#aq">Moral-Col-<lb/>
legium</hi> bey mir ho&#x0364;rete, mit mir redete, und<lb/>
weil er &#x017F;ich auf die <hi rendition="#aq">Chiromantie</hi> und Ge&#x017F;ichts-<lb/>
Linien zu ver&#x017F;tehen vermeynte, mich bereden<lb/>
wolte, es fa&#x0364;nden &#x017F;ich bey mir einige <hi rendition="#aq">Lineamenta</hi><lb/>
und Merckmahle derer, die &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t Leides an-<lb/>
tha&#x0364;ten.</p><lb/>
        <p>Doch das war noch nicht alles. Jch<lb/>
kam ohngefehr zur Bett-Frau hinein, die gegen<lb/>
mir u&#x0364;ber ihre Stube, und welche allemahl einen<lb/>
großen Vorrath von Ge&#x017F;chichten und Ma&#x0364;hrchen<lb/>
hatte, womit &#x017F;ie einen unterhalten kunte. Zu<lb/>
allem Unglu&#x0364;ck erzehlte &#x017F;ie mir eine Hi&#x017F;torie von<lb/>
einem, der am Char-Freytage &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t umge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bracht</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0268] ſondern die groͤſte Furcht Jſt der erſte Einfall nicht vom Satan, ſo iſt es doch, als ob der Teufel ſein Spiel hernach mit den Hiſtorien haͤtte, die man alsdenn uͤberall von ſolchen Leuten erzehlen hoͤret, die ſelbſt Hand an ſich geleget. Jch hatte ſchier verredet nicht mehr auszugehen; denn wo ich hinkam, da fielen die Diſcurſe auf ſolche Menſchen, die ſich ſelbſt umgebracht. Jch halte, die abſcheu- liche Geſtalt, und das aͤngſtliche Angeſicht, das man alsdenn hat, giebt den Leuten Gelegen- heit, daß ſie an ſolche traurige Caſus und Exem- pel gedencken. Niemahls habe ich mehr ge- glaubet, daß es mit mir eben ein ſolches Ende nehmen wuͤrde, als da einſt Herr Kunad, der auch im Collegio wohnte, und das Moral-Col- legium bey mir hoͤrete, mit mir redete, und weil er ſich auf die Chiromantie und Geſichts- Linien zu verſtehen vermeynte, mich bereden wolte, es faͤnden ſich bey mir einige Lineamenta und Merckmahle derer, die ſich ſelbſt Leides an- thaͤten. Doch das war noch nicht alles. Jch kam ohngefehr zur Bett-Frau hinein, die gegen mir uͤber ihre Stube, und welche allemahl einen großen Vorrath von Geſchichten und Maͤhrchen hatte, womit ſie einen unterhalten kunte. Zu allem Ungluͤck erzehlte ſie mir eine Hiſtorie von einem, der am Char-Freytage ſich ſelbſt umge- bracht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/268
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/268>, abgerufen am 01.06.2024.