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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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den Char-Freytag:
Maaße geschmecket hast. Doch das halff nichts.
Das zaghaffte Fleisch und Blut, und das auf-
gewachte Gewissen, wolte sich solches nicht aus-
reden lassen. Jch kunte nicht leicht ein Messer
sehen, ohne dafür zu erschrecken; und wenn
ich aß, so muste ich es mit gantzer Gewalt feste
halten, damit ich nicht schnelle zuführe; oder
wenn die Speise zerschnitten, solche mit der Hand
fassen, und in den Mund stecken. Die Fe-
der, mit der ich schrieb, das Federmesser, womit
ich die Feder besserte, die Tabacs-Pfeiffe, die
ich in den Mund nahm, die Licht-Scheere, wo-
mit ich das Licht schneutzete, den Degen den ich
ansteckte, die Thurm-Spitze, die ich sahe, ja
den Finger, den ich nahe zum Munde brachte,
setzte ich mir durch einen schnellen Gedancken,
der schneller, als ein Pfeil entstund, an den
Hals. O entsetzliche Plage derer, welche solche
erfahren! Des Nachts deuchte mich offt halb
wachende und halb schlafende, als ob die Cam-
mer gantz voller Messer, und als wenn ich sie
klitschen hörte. Jch wuste wohl, daß es nur
Einbildung; es mergelte mich aber doch ab,
daß ich anders nicht, als mit Hertz-Klopffen
schlafen kunte. Jch hatte noch nicht erfahren,
wie einem Menschen zu Muthe, der palpitatio-
nem cordis
und Hertz-Klopffen hat, welches ein
verdrüßlicher Zufall auch wohl vor einen Men-

schen

den Char-Freytag:
Maaße geſchmecket haſt. Doch das halff nichts.
Das zaghaffte Fleiſch und Blut, und das auf-
gewachte Gewiſſen, wolte ſich ſolches nicht aus-
reden laſſen. Jch kunte nicht leicht ein Meſſer
ſehen, ohne dafuͤr zu erſchrecken; und wenn
ich aß, ſo muſte ich es mit gantzer Gewalt feſte
halten, damit ich nicht ſchnelle zufuͤhre; oder
wenn die Speiſe zerſchnitten, ſolche mit der Hand
faſſen, und in den Mund ſtecken. Die Fe-
der, mit der ich ſchrieb, das Federmeſſer, womit
ich die Feder beſſerte, die Tabacs-Pfeiffe, die
ich in den Mund nahm, die Licht-Scheere, wo-
mit ich das Licht ſchneutzete, den Degen den ich
anſteckte, die Thurm-Spitze, die ich ſahe, ja
den Finger, den ich nahe zum Munde brachte,
ſetzte ich mir durch einen ſchnellen Gedancken,
der ſchneller, als ein Pfeil entſtund, an den
Hals. O entſetzliche Plage derer, welche ſolche
erfahren! Des Nachts deuchte mich offt halb
wachende und halb ſchlafende, als ob die Cam-
mer gantz voller Meſſer, und als wenn ich ſie
klitſchen hoͤrte. Jch wuſte wohl, daß es nur
Einbildung; es mergelte mich aber doch ab,
daß ich anders nicht, als mit Hertz-Klopffen
ſchlafen kunte. Jch hatte noch nicht erfahren,
wie einem Menſchen zu Muthe, der palpitatio-
nem cordis
und Hertz-Klopffen hat, welches ein
verdruͤßlicher Zufall auch wohl vor einen Men-

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[224/0270] den Char-Freytag: Maaße geſchmecket haſt. Doch das halff nichts. Das zaghaffte Fleiſch und Blut, und das auf- gewachte Gewiſſen, wolte ſich ſolches nicht aus- reden laſſen. Jch kunte nicht leicht ein Meſſer ſehen, ohne dafuͤr zu erſchrecken; und wenn ich aß, ſo muſte ich es mit gantzer Gewalt feſte halten, damit ich nicht ſchnelle zufuͤhre; oder wenn die Speiſe zerſchnitten, ſolche mit der Hand faſſen, und in den Mund ſtecken. Die Fe- der, mit der ich ſchrieb, das Federmeſſer, womit ich die Feder beſſerte, die Tabacs-Pfeiffe, die ich in den Mund nahm, die Licht-Scheere, wo- mit ich das Licht ſchneutzete, den Degen den ich anſteckte, die Thurm-Spitze, die ich ſahe, ja den Finger, den ich nahe zum Munde brachte, ſetzte ich mir durch einen ſchnellen Gedancken, der ſchneller, als ein Pfeil entſtund, an den Hals. O entſetzliche Plage derer, welche ſolche erfahren! Des Nachts deuchte mich offt halb wachende und halb ſchlafende, als ob die Cam- mer gantz voller Meſſer, und als wenn ich ſie klitſchen hoͤrte. Jch wuſte wohl, daß es nur Einbildung; es mergelte mich aber doch ab, daß ich anders nicht, als mit Hertz-Klopffen ſchlafen kunte. Jch hatte noch nicht erfahren, wie einem Menſchen zu Muthe, der palpitatio- nem cordis und Hertz-Klopffen hat, welches ein verdruͤßlicher Zufall auch wohl vor einen Men- ſchen

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/270>, abgerufen am 21.11.2024.