der Rede auffahrend und stockend machten, weil das Hertz vor solchen Pfeilen erschrack, so offt sie geflogen kamen. Sprach ich, Künffti- gen Montag wollen wir v. g. zum 6. Capitel schreiten; den Augenblick fiel mir ein: Ja den Montag wirst du schon in der Hölle seyn. Sagte ein anderer: Ubermorgen wollen wir da und dorthin spatzieren gehen, und den Herr Magister abholen; gleich dachte ich: Ja da werdet ihr mich in meinem Blute liegend an- treffen. Und wenn gleich nun schon diese Dinge niemahls eintraffen, und wahr wurden, so daß ich mir deßhalben zuredete, ich solte doch nicht vor solchen Einfällen erschrecken, weil mir doch die Erfahrung lehrte, daß alles erlogen wäre, und niemahls geschähe, was ich gedächte; so konte ich doch dieser entsetzlichen Plagen eine geraume Zeit nicht los werden.
Mein höchst schwaches Haupt, und Imagi- nation war auch Ursache, daß mir Bilder von andern Thaten und Wercken einfielen, die ich mit gutem Gewissen nicht hätte thun können, auch zu thun keinen Vorsatz noch Lust, sondern den grösten Abscheu davor hatte, so daß ich mich recht zwingen muste, nicht nach dem deutlichen Bilde zu thun, was mir vorkam. Wenn auch mein Zustand sonst leidlich war, so durffte ich keinem Ofen zu nahe kommen; denn ich
hatte
die Sorgen zu vertreiben,
der Rede auffahrend und ſtockend machten, weil das Hertz vor ſolchen Pfeilen erſchrack, ſo offt ſie geflogen kamen. Sprach ich, Kuͤnffti- gen Montag wollen wir v. g. zum 6. Capitel ſchreiten; den Augenblick fiel mir ein: Ja den Montag wirſt du ſchon in der Hoͤlle ſeyn. Sagte ein anderer: Ubermorgen wollen wir da und dorthin ſpatzieren gehen, und den Herr Magiſter abholen; gleich dachte ich: Ja da werdet ihr mich in meinem Blute liegend an- treffen. Und wenn gleich nun ſchon dieſe Dinge niemahls eintraffen, und wahr wurden, ſo daß ich mir deßhalben zuredete, ich ſolte doch nicht vor ſolchen Einfaͤllen erſchrecken, weil mir doch die Erfahrung lehrte, daß alles erlogen waͤre, und niemahls geſchaͤhe, was ich gedaͤchte; ſo konte ich doch dieſer entſetzlichen Plagen eine geraume Zeit nicht los werden.
Mein hoͤchſt ſchwaches Haupt, und Imagi- nation war auch Urſache, daß mir Bilder von andern Thaten und Wercken einfielen, die ich mit gutem Gewiſſen nicht haͤtte thun koͤnnen, auch zu thun keinen Vorſatz noch Luſt, ſondern den groͤſten Abſcheu davor hatte, ſo daß ich mich recht zwingen muſte, nicht nach dem deutlichen Bilde zu thun, was mir vorkam. Wenn auch mein Zuſtand ſonſt leidlich war, ſo durffte ich keinem Ofen zu nahe kommen; denn ich
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die Sorgen zu vertreiben,
der Rede auffahrend und ſtockend machten, weil
das Hertz vor ſolchen Pfeilen erſchrack, ſo offt
ſie geflogen kamen. Sprach ich, Kuͤnffti-
gen Montag wollen wir v. g. zum 6. Capitel
ſchreiten; den Augenblick fiel mir ein: Ja
den Montag wirſt du ſchon in der Hoͤlle ſeyn.
Sagte ein anderer: Ubermorgen wollen wir
da und dorthin ſpatzieren gehen, und den Herr
Magiſter abholen; gleich dachte ich: Ja da
werdet ihr mich in meinem Blute liegend an-
treffen. Und wenn gleich nun ſchon dieſe
Dinge niemahls eintraffen, und wahr wurden,
ſo daß ich mir deßhalben zuredete, ich ſolte doch
nicht vor ſolchen Einfaͤllen erſchrecken, weil mir
doch die Erfahrung lehrte, daß alles erlogen
waͤre, und niemahls geſchaͤhe, was ich gedaͤchte;
ſo konte ich doch dieſer entſetzlichen Plagen eine
geraume Zeit nicht los werden.
Mein hoͤchſt ſchwaches Haupt, und Imagi-
nation war auch Urſache, daß mir Bilder von
andern Thaten und Wercken einfielen, die ich
mit gutem Gewiſſen nicht haͤtte thun koͤnnen,
auch zu thun keinen Vorſatz noch Luſt, ſondern
den groͤſten Abſcheu davor hatte, ſo daß ich mich
recht zwingen muſte, nicht nach dem deutlichen
Bilde zu thun, was mir vorkam. Wenn
auch mein Zuſtand ſonſt leidlich war, ſo durffte
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/281>, abgerufen am 21.11.2024.
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