hatte eine solche lebendige Idee, und Bild bey aller sonst geruhigen Gemüths-Disposition, als ob ich mit dem Kopffe wider denselben lieffe, daß ich mir auch den Kopff mit der Hand, oder et- was vor dem Kopff im hin- und hergehen vor- halten muste, damit ich nur den Ofen nicht se- hen dürffte. Vor zwey Jahren erzehlte mir ein hiesiger Bürger, daß ihm dergleichen auch begegnet, ehe ich ihm meinen Zufall erzehlet hatte. Wäre damahls der Verstand durch schlaflose Nächte, oder durch andere Ursachen draufgegangen und verlohren worden, so bin ich gewiß, daß ich mechanice, und brutaliter nach diesem Bilde der Imagination würde agi- ret und gewürcket haben, v. g. wider den Ofen gelauffen seyn, so man mich demselben nahe kom- men laßen, und der Natur der Lauff wäre ge- laßen worden. Denn wo keine Vernunfft ist, da agiret ein Thier mechanice, und physica ne- cessitate, nach den Bildern, die ihm einge- druckt worden. So lange aber noch der Ver- stand und Vernunfft vorhanden, so hat ein Mensch noch Macht, durch dieselbe die Phan- tasie zu überwinden, und doch nicht nach dem Bilde zu thun, das er im Gehirne hat; es müste denn die allzu lebhaffte Vorstellung eine Ubereilung verursachen, die ihm neue Angst und Furcht genug machen dürffte, daferne sie
gesche-
doch will der ſchwache Kopff
hatte eine ſolche lebendige Idée, und Bild bey aller ſonſt geruhigen Gemuͤths-Diſpoſition, als ob ich mit dem Kopffe wider denſelben lieffe, daß ich mir auch den Kopff mit der Hand, oder et- was vor dem Kopff im hin- und hergehen vor- halten muſte, damit ich nur den Ofen nicht ſe- hen duͤrffte. Vor zwey Jahren erzehlte mir ein hieſiger Buͤrger, daß ihm dergleichen auch begegnet, ehe ich ihm meinen Zufall erzehlet hatte. Waͤre damahls der Verſtand durch ſchlafloſe Naͤchte, oder durch andere Urſachen draufgegangen und verlohren worden, ſo bin ich gewiß, daß ich mechanice, und brutaliter nach dieſem Bilde der Imagination wuͤrde agi- ret und gewuͤrcket haben, v. g. wider den Ofen gelauffen ſeyn, ſo man mich demſelben nahe kom- men laßen, und der Natur der Lauff waͤre ge- laßen worden. Denn wo keine Vernunfft iſt, da agiret ein Thier mechanice, und phyſica ne- ceſſitate, nach den Bildern, die ihm einge- druckt worden. So lange aber noch der Ver- ſtand und Vernunfft vorhanden, ſo hat ein Menſch noch Macht, durch dieſelbe die Phan- taſie zu uͤberwinden, und doch nicht nach dem Bilde zu thun, das er im Gehirne hat; es muͤſte denn die allzu lebhaffte Vorſtellung eine Ubereilung verurſachen, die ihm neue Angſt und Furcht genug machen duͤrffte, daferne ſie
geſche-
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doch will der ſchwache Kopff
hatte eine ſolche lebendige Idée, und Bild bey
aller ſonſt geruhigen Gemuͤths-Diſpoſition, als
ob ich mit dem Kopffe wider denſelben lieffe, daß
ich mir auch den Kopff mit der Hand, oder et-
was vor dem Kopff im hin- und hergehen vor-
halten muſte, damit ich nur den Ofen nicht ſe-
hen duͤrffte. Vor zwey Jahren erzehlte mir
ein hieſiger Buͤrger, daß ihm dergleichen auch
begegnet, ehe ich ihm meinen Zufall erzehlet
hatte. Waͤre damahls der Verſtand durch
ſchlafloſe Naͤchte, oder durch andere Urſachen
draufgegangen und verlohren worden, ſo bin
ich gewiß, daß ich mechanice, und brutaliter
nach dieſem Bilde der Imagination wuͤrde agi-
ret und gewuͤrcket haben, v. g. wider den Ofen
gelauffen ſeyn, ſo man mich demſelben nahe kom-
men laßen, und der Natur der Lauff waͤre ge-
laßen worden. Denn wo keine Vernunfft iſt,
da agiret ein Thier mechanice, und phyſica ne-
ceſſitate, nach den Bildern, die ihm einge-
druckt worden. So lange aber noch der Ver-
ſtand und Vernunfft vorhanden, ſo hat ein
Menſch noch Macht, durch dieſelbe die Phan-
taſie zu uͤberwinden, und doch nicht nach dem
Bilde zu thun, das er im Gehirne hat; es
muͤſte denn die allzu lebhaffte Vorſtellung eine
Ubereilung verurſachen, die ihm neue Angſt
und Furcht genug machen duͤrffte, daferne ſie
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/282>, abgerufen am 21.11.2024.
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