müssen diejenigen Fibren und Nerven, und die Lebens-Geister in denselben, obschon nicht in den Organis sensoriis, wie bey der Sensation, doch oben im Gehirne von neuem, und schier auf gleiche Weise, beweget werden, wie zuvor bey der ersten Sensation geschahe.
Und da wir uns bey Gelegenheit eines Dinges, so wir gegenwärtig mit den Sinnen wahrnehmen, vieler andern Dinge erinnern können, so nicht mehr gegenwärtig, und die wir doch auch ehemahls gegenwärtig empfunden und wahrgenommen; so siehet man nicht, wie solche Recordation und Imagination bey der Seelen im Gehirne vorgehen könne, es sey denn, daß bey dem ersten Eindruck der gegen- wärtigen Dinge im Gehirne einige Merck- mahle,Plicae, Vestigia, und Fußstapffen, müssen seyn gemacht, und auch diese Plicae, Vestigia und Fußstapffen so müssen seyn connectiret, und an einander gehänget worden; so daß, wenn einePlica und Merckmahl von diesen be- weget wird, das andere Merckmahl, so damit verknüpffet, auch beweget werde, und also die Seele bey Erinnerung des einen sich auch des andern erinnern könne. Daß aber solche Plicae, Vestigia, Fußstapffen und Merckmahle zusammen verknüpfft und an einander gehänget sind, kan freylich nirgends anders, als daher
kommen,
als ob ſie noch einſt
muͤſſen diejenigen Fibren und Nerven, und die Lebens-Geiſter in denſelben, obſchon nicht in den Organis ſenſoriis, wie bey der Senſation, doch oben im Gehirne von neuem, und ſchier auf gleiche Weiſe, beweget werden, wie zuvor bey der erſten Senſation geſchahe.
Und da wir uns bey Gelegenheit eines Dinges, ſo wir gegenwaͤrtig mit den Sinnen wahrnehmen, vieler andern Dinge erinnern koͤnnen, ſo nicht mehr gegenwaͤrtig, und die wir doch auch ehemahls gegenwaͤrtig empfunden und wahrgenommen; ſo ſiehet man nicht, wie ſolche Recordation und Imagination bey der Seelen im Gehirne vorgehen koͤnne, es ſey denn, daß bey dem erſten Eindruck der gegen- waͤrtigen Dinge im Gehirne einige Merck- mahle,Plicæ, Veſtigia, und Fußſtapffen, muͤſſen ſeyn gemacht, und auch dieſe Plicæ, Veſtigia und Fußſtapffen ſo muͤſſen ſeyn connectiret, und an einander gehaͤnget worden; ſo daß, wenn einePlica und Merckmahl von dieſen be- weget wird, das andere Merckmahl, ſo damit verknuͤpffet, auch beweget werde, und alſo die Seele bey Erinnerung des einen ſich auch des andern erinnern koͤnne. Daß aber ſolche Plicæ, Veſtigia, Fußſtapffen und Merckmahle zuſammen verknuͤpfft und an einander gehaͤnget ſind, kan freylich nirgends anders, als daher
kommen,
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als ob ſie noch einſt
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doch oben im Gehirne von neuem, und ſchier auf
gleiche Weiſe, beweget werden, wie zuvor bey
der erſten Senſation geſchahe.
Und da wir uns bey Gelegenheit eines
Dinges, ſo wir gegenwaͤrtig mit den Sinnen
wahrnehmen, vieler andern Dinge erinnern
koͤnnen, ſo nicht mehr gegenwaͤrtig, und die
wir doch auch ehemahls gegenwaͤrtig empfunden
und wahrgenommen; ſo ſiehet man nicht, wie
ſolche Recordation und Imagination bey der
Seelen im Gehirne vorgehen koͤnne, es ſey
denn, daß bey dem erſten Eindruck der gegen-
waͤrtigen Dinge im Gehirne einige Merck-
mahle, Plicæ, Veſtigia, und Fußſtapffen, muͤſſen
ſeyn gemacht, und auch dieſe Plicæ, Veſtigia
und Fußſtapffen ſo muͤſſen ſeyn connectiret,
und an einander gehaͤnget worden; ſo daß,
wenn eine Plica und Merckmahl von dieſen be-
weget wird, das andere Merckmahl, ſo damit
verknuͤpffet, auch beweget werde, und alſo die
Seele bey Erinnerung des einen ſich auch des
andern erinnern koͤnne. Daß aber ſolche
Plicæ, Veſtigia, Fußſtapffen und Merckmahle
zuſammen verknuͤpfft und an einander gehaͤnget
ſind, kan freylich nirgends anders, als daher
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/312>, abgerufen am 22.11.2024.
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