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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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von solcher Plage
auch ex sensione, und aus der Fühlung und
Empfindung des Ubels und des Guten, wie
bey den Thieren wahrzunehmen, entstehen kön-
nen; So weiset das, was ich ietzt gesaget, und
noch weiter sagen und darthun werde, daß die
Affecten auch aus einer gewissen Beschaffenheit
des Leibes und der Gefäße desselben herrühren
können, wenn dieselben Krafft einer Kranckheit
just in den Zustand gesetzet werden, in welchem
sie sind, wenn sie von Affecten beweget werden.
Siehe, du weißt, wie dir im Leibe ist, wenn
dich iemand von aussen zum Zorne reitzet: wie
du im Gesichte blaß wirst: wie dir übel und
seltsam im Leibe und im Magen wird, so daß du
wohl gar denckest, du werdest das böfe Wesen
bekommen. Nun mercke wohl, wie dir ietzund
ist, da dich iemand von aussen zum Zorn durch
Schmähung, oder auf eine andere Weise gerei-
tzet: so kan zu anderer Zeit bey dir eben eine
solche übele Leibes-Beschaffenheit durch Kranck-
heit, und durch unordentliche Diaet gezeuget wer-
den, wie diejenige war, da man dich zum Zorne
würcklich reitzete. Und wenn dieses geschiehet,
so entstehet der Affect des Zornes daraus natür-
licher und gezwungener Weise, wenn gleich nie-
mand vorhanden, der den Menschen zum Zorne
reitzet, er auch an nichts gedencket, was ihn zum
Zorne reitzen könte. Er fühlt alsdenn das im

Leibe,

von ſolcher Plage
auch ex ſenſione, und aus der Fuͤhlung und
Empfindung des Ubels und des Guten, wie
bey den Thieren wahrzunehmen, entſtehen koͤn-
nen; So weiſet das, was ich ietzt geſaget, und
noch weiter ſagen und darthun werde, daß die
Affecten auch aus einer gewiſſen Beſchaffenheit
des Leibes und der Gefaͤße deſſelben herruͤhren
koͤnnen, wenn dieſelben Krafft einer Kranckheit
juſt in den Zuſtand geſetzet werden, in welchem
ſie ſind, wenn ſie von Affecten beweget werden.
Siehe, du weißt, wie dir im Leibe iſt, wenn
dich iemand von auſſen zum Zorne reitzet: wie
du im Geſichte blaß wirſt: wie dir uͤbel und
ſeltſam im Leibe und im Magen wird, ſo daß du
wohl gar denckeſt, du werdeſt das boͤfe Weſen
bekommen. Nun mercke wohl, wie dir ietzund
iſt, da dich iemand von auſſen zum Zorn durch
Schmaͤhung, oder auf eine andere Weiſe gerei-
tzet: ſo kan zu anderer Zeit bey dir eben eine
ſolche uͤbele Leibes-Beſchaffenheit durch Kranck-
heit, und durch unordentliche Diæt gezeuget wer-
den, wie diejenige war, da man dich zum Zorne
wuͤrcklich reitzete. Und wenn dieſes geſchiehet,
ſo entſtehet der Affect des Zornes daraus natuͤr-
licher und gezwungener Weiſe, wenn gleich nie-
mand vorhanden, der den Menſchen zum Zorne
reitzet, er auch an nichts gedencket, was ihn zum
Zorne reitzen koͤnte. Er fuͤhlt alsdenn das im

Leibe,
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[290/0336] von ſolcher Plage auch ex ſenſione, und aus der Fuͤhlung und Empfindung des Ubels und des Guten, wie bey den Thieren wahrzunehmen, entſtehen koͤn- nen; So weiſet das, was ich ietzt geſaget, und noch weiter ſagen und darthun werde, daß die Affecten auch aus einer gewiſſen Beſchaffenheit des Leibes und der Gefaͤße deſſelben herruͤhren koͤnnen, wenn dieſelben Krafft einer Kranckheit juſt in den Zuſtand geſetzet werden, in welchem ſie ſind, wenn ſie von Affecten beweget werden. Siehe, du weißt, wie dir im Leibe iſt, wenn dich iemand von auſſen zum Zorne reitzet: wie du im Geſichte blaß wirſt: wie dir uͤbel und ſeltſam im Leibe und im Magen wird, ſo daß du wohl gar denckeſt, du werdeſt das boͤfe Weſen bekommen. Nun mercke wohl, wie dir ietzund iſt, da dich iemand von auſſen zum Zorn durch Schmaͤhung, oder auf eine andere Weiſe gerei- tzet: ſo kan zu anderer Zeit bey dir eben eine ſolche uͤbele Leibes-Beſchaffenheit durch Kranck- heit, und durch unordentliche Diæt gezeuget wer- den, wie diejenige war, da man dich zum Zorne wuͤrcklich reitzete. Und wenn dieſes geſchiehet, ſo entſtehet der Affect des Zornes daraus natuͤr- licher und gezwungener Weiſe, wenn gleich nie- mand vorhanden, der den Menſchen zum Zorne reitzet, er auch an nichts gedencket, was ihn zum Zorne reitzen koͤnte. Er fuͤhlt alsdenn das im Leibe,

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/336>, abgerufen am 21.11.2024.