Leibe, was die fühlen, welche sich erboßen und zornig sind; und folgentlich ist auch wahrhafftig der Unwille, und der Affect des Zornes vorhan- den, ob er gleich noch kein Objectum hat, wor- auf er gerichtet.
Es ist aber leicht zu erachten, weil die Wür- ckungen aus dem Gehirne durch die Lebens-Gei- ster in den Leib, und die Bewegungen des Leibes in das Gehirne so genau verknüpfft sind, daß solche kränckliche Leute alsdenn um ein leichtes an Dinge gedencken, welche den entstandenen Zorn unterhalten, oder noch mehr erregen können, und daß sie auch iedes geringes Ding zu solcher Zeit des Zornes würdig schätzen, was sie sonst gar nicht des Zornes werth geachtet, noch sich dar- über im geringsten erzürnet, und also leicht zu ei- nem größern Maaße des Zornes, und zu dessel- ben Ausbrüchen zu bringen sind. Die Men- schen fühlen zuweilen diese Plage des Leibes, und klagen auch darüber. Jch weiß nicht, wie mir ist, sagen sie, ich will mit allen Leu- ten Händel anfangen: alles ist mir zuwi- der, mit einem ieden fange ich mich in Ge- dancken an zu zancken; mit einem Worte, ich fühle im Leibe, was ich sonst fühle, wenn ich mich in höchstem Maaße erboße. Ja einige fühlen diesen Zorn, nemlich ohne an einen eintzigen Feind zu gedencken, so hefftig, daß ihnen übel wird, und sie sich den Leib binden
müssen,
T 2
befreyet werden;
Leibe, was die fuͤhlen, welche ſich erboßen und zornig ſind; und folgentlich iſt auch wahrhafftig der Unwille, und der Affect des Zornes vorhan- den, ob er gleich noch kein Objectum hat, wor- auf er gerichtet.
Es iſt aber leicht zu erachten, weil die Wuͤr- ckungen aus dem Gehirne durch die Lebens-Gei- ſter in den Leib, und die Bewegungen des Leibes in das Gehirne ſo genau verknuͤpfft ſind, daß ſolche kraͤnckliche Leute alsdenn um ein leichtes an Dinge gedencken, welche den entſtandenen Zorn unterhalten, oder noch mehr erregen koͤnnen, und daß ſie auch iedes geringes Ding zu ſolcher Zeit des Zornes wuͤrdig ſchaͤtzen, was ſie ſonſt gar nicht des Zornes werth geachtet, noch ſich dar- uͤber im geringſten erzuͤrnet, und alſo leicht zu ei- nem groͤßern Maaße des Zornes, und zu deſſel- ben Ausbruͤchen zu bringen ſind. Die Men- ſchen fuͤhlen zuweilen dieſe Plage des Leibes, und klagen auch daruͤber. Jch weiß nicht, wie mir iſt, ſagen ſie, ich will mit allen Leu- ten Haͤndel anfangen: alles iſt mir zuwi- der, mit einem ieden fange ich mich in Ge- dancken an zu zancken; mit einem Worte, ich fuͤhle im Leibe, was ich ſonſt fuͤhle, wenn ich mich in hoͤchſtem Maaße erboße. Ja einige fuͤhlen dieſen Zorn, nemlich ohne an einen eintzigen Feind zu gedencken, ſo hefftig, daß ihnen uͤbel wird, und ſie ſich den Leib binden
muͤſſen,
T 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0337"n="291"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">befreyet werden;</hi></fw><lb/>
Leibe, was die fuͤhlen, welche ſich erboßen und<lb/>
zornig ſind; und folgentlich iſt auch wahrhafftig<lb/>
der Unwille, und der <hirendition="#aq">Affect</hi> des Zornes vorhan-<lb/>
den, ob er gleich noch kein <hirendition="#aq">Objectum</hi> hat, wor-<lb/>
auf er gerichtet.</p><lb/><p>Es iſt aber leicht zu erachten, weil die Wuͤr-<lb/>
ckungen aus dem Gehirne durch die Lebens-Gei-<lb/>ſter in den Leib, und die Bewegungen des Leibes<lb/>
in das Gehirne ſo genau verknuͤpfft ſind, daß<lb/>ſolche kraͤnckliche Leute alsdenn um ein leichtes an<lb/>
Dinge gedencken, welche den entſtandenen Zorn<lb/>
unterhalten, oder noch mehr erregen koͤnnen,<lb/>
und daß ſie auch iedes geringes Ding zu ſolcher<lb/>
Zeit des Zornes wuͤrdig ſchaͤtzen, was ſie ſonſt gar<lb/>
nicht des Zornes werth geachtet, noch ſich dar-<lb/>
uͤber im geringſten erzuͤrnet, und alſo leicht zu ei-<lb/>
nem groͤßern Maaße des Zornes, und zu deſſel-<lb/>
ben Ausbruͤchen zu bringen ſind. Die Men-<lb/>ſchen fuͤhlen zuweilen dieſe Plage des Leibes, und<lb/>
klagen auch daruͤber. <hirendition="#fr">Jch weiß nicht, wie<lb/>
mir iſt,</hi>ſagen ſie, <hirendition="#fr">ich will mit allen Leu-<lb/>
ten Haͤndel anfangen: alles iſt mir zuwi-<lb/>
der, mit einem ieden fange ich mich in Ge-<lb/>
dancken an zu zancken; mit einem Worte,<lb/>
ich fuͤhle im Leibe, was ich ſonſt fuͤhle,<lb/>
wenn ich mich in hoͤchſtem Maaße erboße.</hi><lb/>
Ja einige fuͤhlen dieſen Zorn, nemlich ohne an<lb/>
einen eintzigen Feind zu gedencken, ſo hefftig, daß<lb/>
ihnen uͤbel wird, und ſie ſich den Leib binden<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#b">T 2</hi></fw><fwplace="bottom"type="catch">muͤſſen,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[291/0337]
befreyet werden;
Leibe, was die fuͤhlen, welche ſich erboßen und
zornig ſind; und folgentlich iſt auch wahrhafftig
der Unwille, und der Affect des Zornes vorhan-
den, ob er gleich noch kein Objectum hat, wor-
auf er gerichtet.
Es iſt aber leicht zu erachten, weil die Wuͤr-
ckungen aus dem Gehirne durch die Lebens-Gei-
ſter in den Leib, und die Bewegungen des Leibes
in das Gehirne ſo genau verknuͤpfft ſind, daß
ſolche kraͤnckliche Leute alsdenn um ein leichtes an
Dinge gedencken, welche den entſtandenen Zorn
unterhalten, oder noch mehr erregen koͤnnen,
und daß ſie auch iedes geringes Ding zu ſolcher
Zeit des Zornes wuͤrdig ſchaͤtzen, was ſie ſonſt gar
nicht des Zornes werth geachtet, noch ſich dar-
uͤber im geringſten erzuͤrnet, und alſo leicht zu ei-
nem groͤßern Maaße des Zornes, und zu deſſel-
ben Ausbruͤchen zu bringen ſind. Die Men-
ſchen fuͤhlen zuweilen dieſe Plage des Leibes, und
klagen auch daruͤber. Jch weiß nicht, wie
mir iſt, ſagen ſie, ich will mit allen Leu-
ten Haͤndel anfangen: alles iſt mir zuwi-
der, mit einem ieden fange ich mich in Ge-
dancken an zu zancken; mit einem Worte,
ich fuͤhle im Leibe, was ich ſonſt fuͤhle,
wenn ich mich in hoͤchſtem Maaße erboße.
Ja einige fuͤhlen dieſen Zorn, nemlich ohne an
einen eintzigen Feind zu gedencken, ſo hefftig, daß
ihnen uͤbel wird, und ſie ſich den Leib binden
muͤſſen,
T 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/337>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.