so bey den Menschen offt wegen der Sünden Menge und Größe entstehet. Die Furcht vor GOttes Zorn, und vor einer ewigen Höl- len-Pein kan das Hertze ungemein ängstigen, und dem Menschen so heiß um den Kopff ma- chen, daß dieser Gedancke vom Selbst-Mord nur allzu leicht daraus entstehet, ohne daß den- selben ein Mensch mit Willen erwecket, viel- weniger solchen Tod allemahl als ein kleineres Ubel erwehlet, des größern Ubels, nemlich der Angst los zu werden. Schlaflose Nächte, sie mögen nun aus Ursachen herkommen, aus was vor welchen sie wollen, machen ins beson- dere bey schwachen Naturen das Haupt, und die Lebens-Geister schwach und müde; und sind Leute, die mit schwachem Haupte beladen, gar sonderlich geneigt, mit lauter erschrecklichen Ubeln und Einfällen, und unter andern auch mit dem Bilde des Selbst-Mords geplaget zu werden. Die Ursache habe ich kurtz zuvor nur angeführet, weil die Lebens-Geister im Gehirne, wenn sie mäßige Gedancken erwecken sollen, wo die Wege dazu nicht weit sind, auf denselben Wegen aber gleichsam stecken bleiben, und wegen Mattigkeit, wie ein Wagen, der ein neu Gleiß machen soll, nicht fortkommen können, ihren Weg durch die weitern Gänge im Gehirne nehmen, die zu den Oertern und
Merck-
Furcht gehabt, daß ſie
ſo bey den Menſchen offt wegen der Suͤnden Menge und Groͤße entſtehet. Die Furcht vor GOttes Zorn, und vor einer ewigen Hoͤl- len-Pein kan das Hertze ungemein aͤngſtigen, und dem Menſchen ſo heiß um den Kopff ma- chen, daß dieſer Gedancke vom Selbſt-Mord nur allzu leicht daraus entſtehet, ohne daß den- ſelben ein Menſch mit Willen erwecket, viel- weniger ſolchen Tod allemahl als ein kleineres Ubel erwehlet, des groͤßern Ubels, nemlich der Angſt los zu werden. Schlafloſe Naͤchte, ſie moͤgen nun aus Urſachen herkommen, aus was vor welchen ſie wollen, machen ins beſon- dere bey ſchwachen Naturen das Haupt, und die Lebens-Geiſter ſchwach und muͤde; und ſind Leute, die mit ſchwachem Haupte beladen, gar ſonderlich geneigt, mit lauter erſchrecklichen Ubeln und Einfaͤllen, und unter andern auch mit dem Bilde des Selbſt-Mords geplaget zu werden. Die Urſache habe ich kurtz zuvor nur angefuͤhret, weil die Lebens-Geiſter im Gehirne, wenn ſie maͤßige Gedancken erwecken ſollen, wo die Wege dazu nicht weit ſind, auf denſelben Wegen aber gleichſam ſtecken bleiben, und wegen Mattigkeit, wie ein Wagen, der ein neu Gleiß machen ſoll, nicht fortkommen koͤnnen, ihren Weg durch die weitern Gaͤnge im Gehirne nehmen, die zu den Oertern und
Merck-
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Furcht gehabt, daß ſie
ſo bey den Menſchen offt wegen der Suͤnden
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vor GOttes Zorn, und vor einer ewigen Hoͤl-
len-Pein kan das Hertze ungemein aͤngſtigen,
und dem Menſchen ſo heiß um den Kopff ma-
chen, daß dieſer Gedancke vom Selbſt-Mord
nur allzu leicht daraus entſtehet, ohne daß den-
ſelben ein Menſch mit Willen erwecket, viel-
weniger ſolchen Tod allemahl als ein kleineres
Ubel erwehlet, des groͤßern Ubels, nemlich der
Angſt los zu werden. Schlafloſe Naͤchte, ſie
moͤgen nun aus Urſachen herkommen, aus
was vor welchen ſie wollen, machen ins beſon-
dere bey ſchwachen Naturen das Haupt, und
die Lebens-Geiſter ſchwach und muͤde; und
ſind Leute, die mit ſchwachem Haupte beladen,
gar ſonderlich geneigt, mit lauter erſchrecklichen
Ubeln und Einfaͤllen, und unter andern auch
mit dem Bilde des Selbſt-Mords geplaget zu
werden. Die Urſache habe ich kurtz zuvor
nur angefuͤhret, weil die Lebens-Geiſter im
Gehirne, wenn ſie maͤßige Gedancken erwecken
ſollen, wo die Wege dazu nicht weit ſind, auf
denſelben Wegen aber gleichſam ſtecken bleiben,
und wegen Mattigkeit, wie ein Wagen, der
ein neu Gleiß machen ſoll, nicht fortkommen
koͤnnen, ihren Weg durch die weitern Gaͤnge
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/358>, abgerufen am 22.11.2024.
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