Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

Furcht gehabt, daß sie
so bey den Menschen offt wegen der Sünden
Menge und Größe entstehet. Die Furcht
vor GOttes Zorn, und vor einer ewigen Höl-
len-Pein kan das Hertze ungemein ängstigen,
und dem Menschen so heiß um den Kopff ma-
chen, daß dieser Gedancke vom Selbst-Mord
nur allzu leicht daraus entstehet, ohne daß den-
selben ein Mensch mit Willen erwecket, viel-
weniger solchen Tod allemahl als ein kleineres
Ubel erwehlet, des größern Ubels, nemlich der
Angst los zu werden. Schlaflose Nächte, sie
mögen nun aus Ursachen herkommen, aus
was vor welchen sie wollen, machen ins beson-
dere bey schwachen Naturen das Haupt, und
die Lebens-Geister schwach und müde; und
sind Leute, die mit schwachem Haupte beladen,
gar sonderlich geneigt, mit lauter erschrecklichen
Ubeln und Einfällen, und unter andern auch
mit dem Bilde des Selbst-Mords geplaget zu
werden. Die Ursache habe ich kurtz zuvor
nur angeführet, weil die Lebens-Geister im
Gehirne, wenn sie mäßige Gedancken erwecken
sollen, wo die Wege dazu nicht weit sind, auf
denselben Wegen aber gleichsam stecken bleiben,
und wegen Mattigkeit, wie ein Wagen, der
ein neu Gleiß machen soll, nicht fortkommen
können, ihren Weg durch die weitern Gänge
im Gehirne nehmen, die zu den Oertern und

Merck-

Furcht gehabt, daß ſie
ſo bey den Menſchen offt wegen der Suͤnden
Menge und Groͤße entſtehet. Die Furcht
vor GOttes Zorn, und vor einer ewigen Hoͤl-
len-Pein kan das Hertze ungemein aͤngſtigen,
und dem Menſchen ſo heiß um den Kopff ma-
chen, daß dieſer Gedancke vom Selbſt-Mord
nur allzu leicht daraus entſtehet, ohne daß den-
ſelben ein Menſch mit Willen erwecket, viel-
weniger ſolchen Tod allemahl als ein kleineres
Ubel erwehlet, des groͤßern Ubels, nemlich der
Angſt los zu werden. Schlafloſe Naͤchte, ſie
moͤgen nun aus Urſachen herkommen, aus
was vor welchen ſie wollen, machen ins beſon-
dere bey ſchwachen Naturen das Haupt, und
die Lebens-Geiſter ſchwach und muͤde; und
ſind Leute, die mit ſchwachem Haupte beladen,
gar ſonderlich geneigt, mit lauter erſchrecklichen
Ubeln und Einfaͤllen, und unter andern auch
mit dem Bilde des Selbſt-Mords geplaget zu
werden. Die Urſache habe ich kurtz zuvor
nur angefuͤhret, weil die Lebens-Geiſter im
Gehirne, wenn ſie maͤßige Gedancken erwecken
ſollen, wo die Wege dazu nicht weit ſind, auf
denſelben Wegen aber gleichſam ſtecken bleiben,
und wegen Mattigkeit, wie ein Wagen, der
ein neu Gleiß machen ſoll, nicht fortkommen
koͤnnen, ihren Weg durch die weitern Gaͤnge
im Gehirne nehmen, die zu den Oertern und

Merck-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0358" n="312"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Furcht gehabt, daß &#x017F;ie</hi></fw><lb/>
&#x017F;o bey den Men&#x017F;chen offt wegen der Su&#x0364;nden<lb/>
Menge und Gro&#x0364;ße ent&#x017F;tehet. Die Furcht<lb/>
vor GOttes Zorn, und vor einer ewigen Ho&#x0364;l-<lb/>
len-Pein kan das Hertze ungemein a&#x0364;ng&#x017F;tigen,<lb/>
und dem Men&#x017F;chen &#x017F;o heiß um den Kopff ma-<lb/>
chen, daß die&#x017F;er Gedancke vom Selb&#x017F;t-Mord<lb/>
nur allzu leicht daraus ent&#x017F;tehet, ohne daß den-<lb/>
&#x017F;elben ein Men&#x017F;ch mit Willen erwecket, viel-<lb/>
weniger &#x017F;olchen Tod allemahl als ein kleineres<lb/>
Ubel erwehlet, des gro&#x0364;ßern Ubels, nemlich der<lb/>
Ang&#x017F;t los zu werden. Schlaflo&#x017F;e Na&#x0364;chte, &#x017F;ie<lb/>
mo&#x0364;gen nun aus Ur&#x017F;achen herkommen, aus<lb/>
was vor welchen &#x017F;ie wollen, machen ins be&#x017F;on-<lb/>
dere bey &#x017F;chwachen Naturen das Haupt, und<lb/>
die Lebens-Gei&#x017F;ter &#x017F;chwach und mu&#x0364;de; und<lb/>
&#x017F;ind Leute, die mit &#x017F;chwachem Haupte beladen,<lb/>
gar &#x017F;onderlich geneigt, mit lauter er&#x017F;chrecklichen<lb/>
Ubeln und Einfa&#x0364;llen, und unter andern auch<lb/>
mit dem Bilde des Selb&#x017F;t-Mords geplaget zu<lb/>
werden. Die Ur&#x017F;ache habe ich kurtz zuvor<lb/>
nur angefu&#x0364;hret, weil die Lebens-Gei&#x017F;ter im<lb/>
Gehirne, wenn &#x017F;ie ma&#x0364;ßige Gedancken erwecken<lb/>
&#x017F;ollen, wo die Wege dazu nicht weit &#x017F;ind, auf<lb/>
den&#x017F;elben Wegen aber gleich&#x017F;am &#x017F;tecken bleiben,<lb/>
und wegen Mattigkeit, wie ein Wagen, der<lb/>
ein neu Gleiß machen &#x017F;oll, nicht fortkommen<lb/>
ko&#x0364;nnen, ihren Weg durch die weitern Ga&#x0364;nge<lb/>
im Gehirne nehmen, die zu den Oertern und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Merck-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0358] Furcht gehabt, daß ſie ſo bey den Menſchen offt wegen der Suͤnden Menge und Groͤße entſtehet. Die Furcht vor GOttes Zorn, und vor einer ewigen Hoͤl- len-Pein kan das Hertze ungemein aͤngſtigen, und dem Menſchen ſo heiß um den Kopff ma- chen, daß dieſer Gedancke vom Selbſt-Mord nur allzu leicht daraus entſtehet, ohne daß den- ſelben ein Menſch mit Willen erwecket, viel- weniger ſolchen Tod allemahl als ein kleineres Ubel erwehlet, des groͤßern Ubels, nemlich der Angſt los zu werden. Schlafloſe Naͤchte, ſie moͤgen nun aus Urſachen herkommen, aus was vor welchen ſie wollen, machen ins beſon- dere bey ſchwachen Naturen das Haupt, und die Lebens-Geiſter ſchwach und muͤde; und ſind Leute, die mit ſchwachem Haupte beladen, gar ſonderlich geneigt, mit lauter erſchrecklichen Ubeln und Einfaͤllen, und unter andern auch mit dem Bilde des Selbſt-Mords geplaget zu werden. Die Urſache habe ich kurtz zuvor nur angefuͤhret, weil die Lebens-Geiſter im Gehirne, wenn ſie maͤßige Gedancken erwecken ſollen, wo die Wege dazu nicht weit ſind, auf denſelben Wegen aber gleichſam ſtecken bleiben, und wegen Mattigkeit, wie ein Wagen, der ein neu Gleiß machen ſoll, nicht fortkommen koͤnnen, ihren Weg durch die weitern Gaͤnge im Gehirne nehmen, die zu den Oertern und Merck-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/358
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/358>, abgerufen am 22.11.2024.