auch einer den ersten Einfall davon durch die Er- zehlung von einer solchen traurigen Begebenheit bekommt; so kan er ebenfalls wegen Furcht und Schrecken, so daraus entstehet, zu dem Schluße verleitet werden, als ob er einst dergleichen, und eben das thun werde. Der, der selbst an sich Hand angeleget, ist etwan unser Anverwandter, oder guter Freund gewesen; oder wir hören von ihm, wie er iederzeit ein unsträffliches Leben ge- führet; wie er noch kurtz vor der That gesun- gen, ja aufs inbrünstigste gebetet; was ist da leichters bey dergleichen Falle, als daß ein Mensch, der solches höret, bey sich dencket: Mein GOtt! ist das dem Menschen begegnet, der so fromm iederzeit gelebet, was soll bey dir geschehen, der du dich solcher, und solcher Sünden bewust bist?
Und dergleichen kan sich bey niemanden eher ereignen, als bey Leuten, die eine schwache Ima- gination oder Einbildungs-Krafft haben, welche auch auf gewisse Weise eine starcke Phantasie und Imagination kan genennet werden: schwach, weil sie bey schwachen Naturen von schwachen und matten Lebens-Geistern herkommt; und starck, weil sie von allen sinnlichen Dingen, und insonderheit von großen Ubeln und Unglück, starcke und lebendige Vorstellungen bekommt, die we- gen Schärffe und Hitze der Lebens-Geister sich
starck
wie es zugehe,
auch einer den erſten Einfall davon durch die Er- zehlung von einer ſolchen traurigen Begebenheit bekommt; ſo kan er ebenfalls wegen Furcht und Schrecken, ſo daraus entſtehet, zu dem Schluße verleitet werden, als ob er einſt dergleichen, und eben das thun werde. Der, der ſelbſt an ſich Hand angeleget, iſt etwan unſer Anverwandter, oder guter Freund geweſen; oder wir hoͤren von ihm, wie er iederzeit ein unſtraͤffliches Leben ge- fuͤhret; wie er noch kurtz vor der That geſun- gen, ja aufs inbruͤnſtigſte gebetet; was iſt da leichters bey dergleichen Falle, als daß ein Menſch, der ſolches hoͤret, bey ſich dencket: Mein GOtt! iſt das dem Menſchen begegnet, der ſo fromm iederzeit gelebet, was ſoll bey dir geſchehen, der du dich ſolcher, und ſolcher Suͤnden bewuſt biſt?
Und dergleichen kan ſich bey niemanden eher ereignen, als bey Leuten, die eine ſchwache Ima- gination oder Einbildungs-Krafft haben, welche auch auf gewiſſe Weiſe eine ſtarcke Phantaſie und Imagination kan genennet werden: ſchwach, weil ſie bey ſchwachen Naturen von ſchwachen und matten Lebens-Geiſtern herkommt; und ſtarck, weil ſie von allen ſinnlichen Dingen, und inſonderheit von großen Ubeln und Ungluͤck, ſtarcke und lebendige Vorſtellungen bekommt, die we- gen Schaͤrffe und Hitze der Lebens-Geiſter ſich
ſtarck
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wie es zugehe,
auch einer den erſten Einfall davon durch die Er-
zehlung von einer ſolchen traurigen Begebenheit
bekommt; ſo kan er ebenfalls wegen Furcht und
Schrecken, ſo daraus entſtehet, zu dem Schluße
verleitet werden, als ob er einſt dergleichen, und
eben das thun werde. Der, der ſelbſt an ſich
Hand angeleget, iſt etwan unſer Anverwandter,
oder guter Freund geweſen; oder wir hoͤren von
ihm, wie er iederzeit ein unſtraͤffliches Leben ge-
fuͤhret; wie er noch kurtz vor der That geſun-
gen, ja aufs inbruͤnſtigſte gebetet; was iſt da
leichters bey dergleichen Falle, als daß ein Menſch,
der ſolches hoͤret, bey ſich dencket: Mein GOtt!
iſt das dem Menſchen begegnet, der ſo
fromm iederzeit gelebet, was ſoll bey dir
geſchehen, der du dich ſolcher, und ſolcher
Suͤnden bewuſt biſt?
Und dergleichen kan ſich bey niemanden eher
ereignen, als bey Leuten, die eine ſchwache Ima-
gination oder Einbildungs-Krafft haben, welche
auch auf gewiſſe Weiſe eine ſtarcke Phantaſie und
Imagination kan genennet werden: ſchwach,
weil ſie bey ſchwachen Naturen von ſchwachen
und matten Lebens-Geiſtern herkommt; und
ſtarck, weil ſie von allen ſinnlichen Dingen, und
inſonderheit von großen Ubeln und Ungluͤck, ſtarcke
und lebendige Vorſtellungen bekommt, die we-
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ſtarck
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/362>, abgerufen am 21.11.2024.
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