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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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als ob sie sich selbst
solch Messer zum Christ-Geschencke gekauffet
hätte. Und siehe, es traff ein; weil ich aber
mich auf solchen Zufall praepariren können, so
wurde ich von GOtt des Schreckens überhoben,
welches ich ohnfehlbar samt einem großen Ein-
drucke davon im Gemüthe würde bekommen ha-
ben. Jch kenne noch einen Bürger hiesiges
Ortes, der sich ehedessen nicht selbst barbiren
wolte, weil er zu der Zeit, wenn er sich rasirte,
mit gleichem Bilde geängstiget und gemartert
wurde, und also diese Arbeit lieber einen ordent-
lichen Barbierer verrichten ließ.

So ist es auch mit andern Arten und Gat-
tungen des Selbst-Mords beschaffen; v. g. wenn
einige sich erhencken, oder von der Höhe herab-
stürtzen. Es können ebenfalls bey schwachen
Gemüthern, ohne ihren Vorsatz und Willen
dergleichen lebendige Ideen davon entstehen, daß
es ist, als ob sie es selbst thäten, und folgent-
lich leicht Furcht und Einbildung bekommen,
als ob sie es auch einmahl noch thun würden.
Mancher siehet sich bey dieser Plage in diesem
und jenem Orte, oder an diesem und jenem Na-
gel so deutlich hangen in allem seinem Habit, als
ob er würcklich da hienge; so daß ihn andere
Leute nicht deutlicher mit ihren Augen sehen kön-
ten, im Fall er da hängen solte, als er sich selbst
im Geiste, und Krafft der Imagination siehet.

Erachte

als ob ſie ſich ſelbſt
ſolch Meſſer zum Chriſt-Geſchencke gekauffet
haͤtte. Und ſiehe, es traff ein; weil ich aber
mich auf ſolchen Zufall præpariren koͤnnen, ſo
wurde ich von GOtt des Schreckens uͤberhoben,
welches ich ohnfehlbar ſamt einem großen Ein-
drucke davon im Gemuͤthe wuͤrde bekommen ha-
ben. Jch kenne noch einen Buͤrger hieſiges
Ortes, der ſich ehedeſſen nicht ſelbſt barbiren
wolte, weil er zu der Zeit, wenn er ſich raſirte,
mit gleichem Bilde geaͤngſtiget und gemartert
wurde, und alſo dieſe Arbeit lieber einen ordent-
lichen Barbierer verrichten ließ.

So iſt es auch mit andern Arten und Gat-
tungen des Selbſt-Mords beſchaffen; v. g. wenn
einige ſich erhencken, oder von der Hoͤhe herab-
ſtuͤrtzen. Es koͤnnen ebenfalls bey ſchwachen
Gemuͤthern, ohne ihren Vorſatz und Willen
dergleichen lebendige Idéen davon entſtehen, daß
es iſt, als ob ſie es ſelbſt thaͤten, und folgent-
lich leicht Furcht und Einbildung bekommen,
als ob ſie es auch einmahl noch thun wuͤrden.
Mancher ſiehet ſich bey dieſer Plage in dieſem
und jenem Orte, oder an dieſem und jenem Na-
gel ſo deutlich hangen in allem ſeinem Habit, als
ob er wuͤrcklich da hienge; ſo daß ihn andere
Leute nicht deutlicher mit ihren Augen ſehen koͤn-
ten, im Fall er da haͤngen ſolte, als er ſich ſelbſt
im Geiſte, und Krafft der Imagination ſiehet.

Erachte
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[322/0368] als ob ſie ſich ſelbſt ſolch Meſſer zum Chriſt-Geſchencke gekauffet haͤtte. Und ſiehe, es traff ein; weil ich aber mich auf ſolchen Zufall præpariren koͤnnen, ſo wurde ich von GOtt des Schreckens uͤberhoben, welches ich ohnfehlbar ſamt einem großen Ein- drucke davon im Gemuͤthe wuͤrde bekommen ha- ben. Jch kenne noch einen Buͤrger hieſiges Ortes, der ſich ehedeſſen nicht ſelbſt barbiren wolte, weil er zu der Zeit, wenn er ſich raſirte, mit gleichem Bilde geaͤngſtiget und gemartert wurde, und alſo dieſe Arbeit lieber einen ordent- lichen Barbierer verrichten ließ. So iſt es auch mit andern Arten und Gat- tungen des Selbſt-Mords beſchaffen; v. g. wenn einige ſich erhencken, oder von der Hoͤhe herab- ſtuͤrtzen. Es koͤnnen ebenfalls bey ſchwachen Gemuͤthern, ohne ihren Vorſatz und Willen dergleichen lebendige Idéen davon entſtehen, daß es iſt, als ob ſie es ſelbſt thaͤten, und folgent- lich leicht Furcht und Einbildung bekommen, als ob ſie es auch einmahl noch thun wuͤrden. Mancher ſiehet ſich bey dieſer Plage in dieſem und jenem Orte, oder an dieſem und jenem Na- gel ſo deutlich hangen in allem ſeinem Habit, als ob er wuͤrcklich da hienge; ſo daß ihn andere Leute nicht deutlicher mit ihren Augen ſehen koͤn- ten, im Fall er da haͤngen ſolte, als er ſich ſelbſt im Geiſte, und Krafft der Imagination ſiehet. Erachte

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/368>, abgerufen am 26.06.2024.