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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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worvor sie doch die gröste
das der Mensch im Gehirne hat, so müssen
sie nothwendig den unvernünfftigen Thieren ähn-
lich werden, die auch keinen Verstand noch
Vernunfft haben, und also gleich denselben nach
den Bildern würcken, welche sie im Gehirne
haben, und nach keinen Bildern eher, als wel-
che am tieffsten eingedruckt worden. Ein
Hund, der zum holen gewöhnet worden, weil
er diese That offt vollbracht, laufft den Augen-
blick dem Holtze nach, welches ich ihm hin-
werffe; und, weil er weder Verstand noch
Freyheit hat, seine That zu hemmen, so muß
er lauffen, wenn nicht andere natürliche Ursa-
chen ihn daran hindern. So lange der
Mensch Verstand hat, so hat er auch Frey-
heit, seine Thaten zu hemmen, und also nach
dem Bilde nicht zu thun, das er von der That
hat. Wenn auch D. Luther sein Messer nicht
weggeschmissen hätte, so lange er Verstand und
freyen Willen hatte, würde er nach dem
schrecklichen und mörderischen Bilde doch nicht
gethan haben, so sehr er sich auch würde haben
zwingen müssen, nach dem Bilde nicht zu agi-
ren. Jst aber der Verstand und Freyheit
bey einem Menschen weg, so solte ich meynen,
es müste ein ieder zugestehen, daß alsdenn ein
Mensch nach seinem täglichen Bilde würcken
und agiren würde. Kan man sich kaum

von

worvor ſie doch die groͤſte
das der Menſch im Gehirne hat, ſo muͤſſen
ſie nothwendig den unvernuͤnfftigen Thieren aͤhn-
lich werden, die auch keinen Verſtand noch
Vernunfft haben, und alſo gleich denſelben nach
den Bildern wuͤrcken, welche ſie im Gehirne
haben, und nach keinen Bildern eher, als wel-
che am tieffſten eingedruckt worden. Ein
Hund, der zum holen gewoͤhnet worden, weil
er dieſe That offt vollbracht, laufft den Augen-
blick dem Holtze nach, welches ich ihm hin-
werffe; und, weil er weder Verſtand noch
Freyheit hat, ſeine That zu hemmen, ſo muß
er lauffen, wenn nicht andere natuͤrliche Urſa-
chen ihn daran hindern. So lange der
Menſch Verſtand hat, ſo hat er auch Frey-
heit, ſeine Thaten zu hemmen, und alſo nach
dem Bilde nicht zu thun, das er von der That
hat. Wenn auch D. Luther ſein Meſſer nicht
weggeſchmiſſen haͤtte, ſo lange er Verſtand und
freyen Willen hatte, wuͤrde er nach dem
ſchrecklichen und moͤrderiſchen Bilde doch nicht
gethan haben, ſo ſehr er ſich auch wuͤrde haben
zwingen muͤſſen, nach dem Bilde nicht zu agi-
ren. Jſt aber der Verſtand und Freyheit
bey einem Menſchen weg, ſo ſolte ich meynen,
es muͤſte ein ieder zugeſtehen, daß alsdenn ein
Menſch nach ſeinem taͤglichen Bilde wuͤrcken
und agiren wuͤrde. Kan man ſich kaum

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[331/0377] worvor ſie doch die groͤſte das der Menſch im Gehirne hat, ſo muͤſſen ſie nothwendig den unvernuͤnfftigen Thieren aͤhn- lich werden, die auch keinen Verſtand noch Vernunfft haben, und alſo gleich denſelben nach den Bildern wuͤrcken, welche ſie im Gehirne haben, und nach keinen Bildern eher, als wel- che am tieffſten eingedruckt worden. Ein Hund, der zum holen gewoͤhnet worden, weil er dieſe That offt vollbracht, laufft den Augen- blick dem Holtze nach, welches ich ihm hin- werffe; und, weil er weder Verſtand noch Freyheit hat, ſeine That zu hemmen, ſo muß er lauffen, wenn nicht andere natuͤrliche Urſa- chen ihn daran hindern. So lange der Menſch Verſtand hat, ſo hat er auch Frey- heit, ſeine Thaten zu hemmen, und alſo nach dem Bilde nicht zu thun, das er von der That hat. Wenn auch D. Luther ſein Meſſer nicht weggeſchmiſſen haͤtte, ſo lange er Verſtand und freyen Willen hatte, wuͤrde er nach dem ſchrecklichen und moͤrderiſchen Bilde doch nicht gethan haben, ſo ſehr er ſich auch wuͤrde haben zwingen muͤſſen, nach dem Bilde nicht zu agi- ren. Jſt aber der Verſtand und Freyheit bey einem Menſchen weg, ſo ſolte ich meynen, es muͤſte ein ieder zugeſtehen, daß alsdenn ein Menſch nach ſeinem taͤglichen Bilde wuͤrcken und agiren wuͤrde. Kan man ſich kaum von

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/377>, abgerufen am 22.11.2024.