Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

Eine Demonstration,
mein Kopff damahls schwach, so hatte ich von
dieser That einen solchen tieffen Eindruck im
Gehirne bekommen, daß eine Zeit lang hernach,
wenn ich bey Tische mir auch ein Gläsgen
Brandtewein geben ließ, ich alle Noth hatte,
und mich recht zwingen muste, daß ich es nicht
auch im Grimm hinein schüttete. Jch bin
versichert, wenn ich um diese Zeit das Unglücke
hätte haben, und meines Verstandes beraubet
werden sollen, und man hätte mir ein Gläs-
gen Brandtewein gereichet, ich würde es just so,
wie dieser Mann gemacht haben.

Dergleichen elende Menschen, zu denen ich
wieder komme, wenn sie schon wachende nicht
ihres Verstandes allemahl beraubet werden, so
werden sie doch durch Träume vielmahl gantz
irre gemacht, daß sie wol gar den Monden-
süchtigen ähnlich werden, und wegen starcker
Imagination im Traum aufstehen, und Thaten
vornehmen, welche sie wachend nicht vornehmen
würden. Oder wenn sie aufstehen im Traum,
und, nachdem sie aufgestanden, zu träumen
auf hören, so sehen sie die Dinge in der Kam-
mer gantz verkehrt an; so, wie wol eher einer
in der finstern Nacht aufgestanden ist, und ge-
meynet, sein Bette stehe gantz umgekehrt, wo
das Haupt wäre, da solten die Füße seyn;
oder wie sich Leute in Städten auch wol bey

Tage,

Eine Demonſtration,
mein Kopff damahls ſchwach, ſo hatte ich von
dieſer That einen ſolchen tieffen Eindruck im
Gehirne bekommen, daß eine Zeit lang hernach,
wenn ich bey Tiſche mir auch ein Glaͤsgen
Brandtewein geben ließ, ich alle Noth hatte,
und mich recht zwingen muſte, daß ich es nicht
auch im Grimm hinein ſchuͤttete. Jch bin
verſichert, wenn ich um dieſe Zeit das Ungluͤcke
haͤtte haben, und meines Verſtandes beraubet
werden ſollen, und man haͤtte mir ein Glaͤs-
gen Brandtewein gereichet, ich wuͤrde es juſt ſo,
wie dieſer Mann gemacht haben.

Dergleichen elende Menſchen, zu denen ich
wieder komme, wenn ſie ſchon wachende nicht
ihres Verſtandes allemahl beraubet werden, ſo
werden ſie doch durch Traͤume vielmahl gantz
irre gemacht, daß ſie wol gar den Monden-
ſuͤchtigen aͤhnlich werden, und wegen ſtarcker
Imagination im Traum aufſtehen, und Thaten
vornehmen, welche ſie wachend nicht vornehmen
wuͤrden. Oder wenn ſie aufſtehen im Traum,
und, nachdem ſie aufgeſtanden, zu traͤumen
auf hoͤren, ſo ſehen ſie die Dinge in der Kam-
mer gantz verkehrt an; ſo, wie wol eher einer
in der finſtern Nacht aufgeſtanden iſt, und ge-
meynet, ſein Bette ſtehe gantz umgekehrt, wo
das Haupt waͤre, da ſolten die Fuͤße ſeyn;
oder wie ſich Leute in Staͤdten auch wol bey

Tage,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0379" n="333"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Eine</hi><hi rendition="#aq">Demon&#x017F;tration,</hi></fw><lb/>
mein Kopff damahls &#x017F;chwach, &#x017F;o hatte ich von<lb/>
die&#x017F;er That einen &#x017F;olchen tieffen Eindruck im<lb/>
Gehirne bekommen, daß eine Zeit lang hernach,<lb/>
wenn ich bey Ti&#x017F;che mir auch ein Gla&#x0364;sgen<lb/>
Brandtewein geben ließ, ich alle Noth hatte,<lb/>
und mich recht zwingen mu&#x017F;te, daß ich es nicht<lb/>
auch im Grimm hinein &#x017F;chu&#x0364;ttete. Jch bin<lb/>
ver&#x017F;ichert, wenn ich um die&#x017F;e Zeit das Unglu&#x0364;cke<lb/>
ha&#x0364;tte haben, und meines Ver&#x017F;tandes beraubet<lb/>
werden &#x017F;ollen, und man ha&#x0364;tte mir ein Gla&#x0364;s-<lb/>
gen Brandtewein gereichet, ich wu&#x0364;rde es ju&#x017F;t &#x017F;o,<lb/>
wie die&#x017F;er Mann gemacht haben.</p><lb/>
        <p>Dergleichen elende Men&#x017F;chen, zu denen ich<lb/>
wieder komme, wenn &#x017F;ie &#x017F;chon wachende nicht<lb/>
ihres Ver&#x017F;tandes allemahl beraubet werden, &#x017F;o<lb/>
werden &#x017F;ie doch durch Tra&#x0364;ume vielmahl gantz<lb/>
irre gemacht, daß &#x017F;ie wol gar den Monden-<lb/>
&#x017F;u&#x0364;chtigen a&#x0364;hnlich werden, und wegen &#x017F;tarcker<lb/><hi rendition="#aq">Imagination</hi> im Traum auf&#x017F;tehen, und Thaten<lb/>
vornehmen, welche &#x017F;ie wachend nicht vornehmen<lb/>
wu&#x0364;rden. Oder wenn &#x017F;ie auf&#x017F;tehen im Traum,<lb/>
und, nachdem &#x017F;ie aufge&#x017F;tanden, zu tra&#x0364;umen<lb/>
auf ho&#x0364;ren, &#x017F;o &#x017F;ehen &#x017F;ie die Dinge in der Kam-<lb/>
mer gantz verkehrt an; &#x017F;o, wie wol eher einer<lb/>
in der fin&#x017F;tern Nacht aufge&#x017F;tanden i&#x017F;t, und ge-<lb/>
meynet, &#x017F;ein Bette &#x017F;tehe gantz umgekehrt, wo<lb/>
das Haupt wa&#x0364;re, da &#x017F;olten die Fu&#x0364;ße &#x017F;eyn;<lb/>
oder wie &#x017F;ich Leute in Sta&#x0364;dten auch wol bey<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Tage,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[333/0379] Eine Demonſtration, mein Kopff damahls ſchwach, ſo hatte ich von dieſer That einen ſolchen tieffen Eindruck im Gehirne bekommen, daß eine Zeit lang hernach, wenn ich bey Tiſche mir auch ein Glaͤsgen Brandtewein geben ließ, ich alle Noth hatte, und mich recht zwingen muſte, daß ich es nicht auch im Grimm hinein ſchuͤttete. Jch bin verſichert, wenn ich um dieſe Zeit das Ungluͤcke haͤtte haben, und meines Verſtandes beraubet werden ſollen, und man haͤtte mir ein Glaͤs- gen Brandtewein gereichet, ich wuͤrde es juſt ſo, wie dieſer Mann gemacht haben. Dergleichen elende Menſchen, zu denen ich wieder komme, wenn ſie ſchon wachende nicht ihres Verſtandes allemahl beraubet werden, ſo werden ſie doch durch Traͤume vielmahl gantz irre gemacht, daß ſie wol gar den Monden- ſuͤchtigen aͤhnlich werden, und wegen ſtarcker Imagination im Traum aufſtehen, und Thaten vornehmen, welche ſie wachend nicht vornehmen wuͤrden. Oder wenn ſie aufſtehen im Traum, und, nachdem ſie aufgeſtanden, zu traͤumen auf hoͤren, ſo ſehen ſie die Dinge in der Kam- mer gantz verkehrt an; ſo, wie wol eher einer in der finſtern Nacht aufgeſtanden iſt, und ge- meynet, ſein Bette ſtehe gantz umgekehrt, wo das Haupt waͤre, da ſolten die Fuͤße ſeyn; oder wie ſich Leute in Staͤdten auch wol bey Tage,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/379
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/379>, abgerufen am 22.11.2024.