sich selbst entleibet, und warum dazumal im Dreß- dner Blätgen selten eine Woche vergangen, da nicht ein solch trauriges Exempel angeführet worden. Keine bessere Witterung vor die Me- lancholicos und vor dergleichen Patienten, von denen ich hier handle, ist, als wenn es nicht zu warm, noch zu kalt, sondern stille, und etwas geschwühl ist; denn, wo sie zu solcher Zeit eine mäßige Bewegung und Spatzier-Gang vorneh- men, und so lange damit anhalten, bis ein zu- länglicher Schweiß erfolget, so wird durch das wegschwitzen der bösen und überflüßigen Feuch- tigkeiten im Leibe gleichwie das dicke Blut ver- dünnet, also das finstere, und schwache Haupt heiter und starck gemacht, daß es ihnen auf eine Zeit ist, als wären sie neu gebohren, Hoffnung, Hertze, und frohen Muth bekommen, und sich wundern müssen, wo die schrecklichen Gedancken hin verschwunden, die sie nur kurtz zuvor noch geplaget.
Doch laßt die geistlichen und leiblichen Artz- ney-Mittel noch so gut seyn, GOTT hat seine Zeit und Stunde gesetzt, wie lange der Christen Trübsalen und Anfechtungen währen sollen; und so lange GOtt nicht der beste Artzt ist, so helffen alle Medicamente nichts. Was zu einer Zeit das Ubel schwächet, vermehret dasselbe zu einer andern Zeit; so daß man bey allen Reflexionen,
die
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wenn ſie ihrer Plage
ſich ſelbſt entleibet, und warum dazumal im Dreß- dner Blaͤtgen ſelten eine Woche vergangen, da nicht ein ſolch trauriges Exempel angefuͤhret worden. Keine beſſere Witterung vor die Me- lancholicos und vor dergleichen Patienten, von denen ich hier handle, iſt, als wenn es nicht zu warm, noch zu kalt, ſondern ſtille, und etwas geſchwuͤhl iſt; denn, wo ſie zu ſolcher Zeit eine maͤßige Bewegung und Spatzier-Gang vorneh- men, und ſo lange damit anhalten, bis ein zu- laͤnglicher Schweiß erfolget, ſo wird durch das wegſchwitzen der boͤſen und uͤberfluͤßigen Feuch- tigkeiten im Leibe gleichwie das dicke Blut ver- duͤnnet, alſo das finſtere, und ſchwache Haupt heiter und ſtarck gemacht, daß es ihnen auf eine Zeit iſt, als waͤren ſie neu gebohren, Hoffnung, Hertze, und frohen Muth bekommen, und ſich wundern muͤſſen, wo die ſchrecklichen Gedancken hin verſchwunden, die ſie nur kurtz zuvor noch geplaget.
Doch laßt die geiſtlichen und leiblichen Artz- ney-Mittel noch ſo gut ſeyn, GOTT hat ſeine Zeit und Stunde geſetzt, wie lange der Chriſten Truͤbſalen und Anfechtungen waͤhren ſollen; und ſo lange GOtt nicht der beſte Artzt iſt, ſo helffen alle Medicamente nichts. Was zu einer Zeit das Ubel ſchwaͤchet, vermehret daſſelbe zu einer andern Zeit; ſo daß man bey allen Reflexionen,
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wenn ſie ihrer Plage
ſich ſelbſt entleibet, und warum dazumal im Dreß-
dner Blaͤtgen ſelten eine Woche vergangen, da
nicht ein ſolch trauriges Exempel angefuͤhret
worden. Keine beſſere Witterung vor die Me-
lancholicos und vor dergleichen Patienten, von
denen ich hier handle, iſt, als wenn es nicht zu
warm, noch zu kalt, ſondern ſtille, und etwas
geſchwuͤhl iſt; denn, wo ſie zu ſolcher Zeit eine
maͤßige Bewegung und Spatzier-Gang vorneh-
men, und ſo lange damit anhalten, bis ein zu-
laͤnglicher Schweiß erfolget, ſo wird durch das
wegſchwitzen der boͤſen und uͤberfluͤßigen Feuch-
tigkeiten im Leibe gleichwie das dicke Blut ver-
duͤnnet, alſo das finſtere, und ſchwache Haupt
heiter und ſtarck gemacht, daß es ihnen auf eine
Zeit iſt, als waͤren ſie neu gebohren, Hoffnung,
Hertze, und frohen Muth bekommen, und ſich
wundern muͤſſen, wo die ſchrecklichen Gedancken
hin verſchwunden, die ſie nur kurtz zuvor noch
geplaget.
Doch laßt die geiſtlichen und leiblichen Artz-
ney-Mittel noch ſo gut ſeyn, GOTT hat ſeine
Zeit und Stunde geſetzt, wie lange der Chriſten
Truͤbſalen und Anfechtungen waͤhren ſollen; und
ſo lange GOtt nicht der beſte Artzt iſt, ſo helffen
alle Medicamente nichts. Was zu einer Zeit
das Ubel ſchwaͤchet, vermehret daſſelbe zu einer
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/403>, abgerufen am 21.11.2024.
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