dem Selbst-Mord per contagium phantasiae wäre angestecket worden, so wäre sein schwaches Haupt allein ietzund fähig, Krafft seiner andern Leibes-Schwachheit und morbi melancholici, dieses Bild im Haupte zu erwecken. Ja, wenn ihn diese Dinge, und die nöthige Sorge, und die Anstalten, so er zu machen, sein Geld wieder zu bekommen, auch schlafen ließen; so ist die bloße Furcht, er werde diese, und diese Nacht nicht schlafen, schon zulänglich, zu ma- chen, daß er würcklich nicht schlafen kan. Denn daß er sich so fürchtet, zittert und bebet vor dem nicht schlafen, da hat er aus der Erfah- rung, was die schlaflosen Nächte vor schwache Häupter, und vor schreckliche Zufälle Krafft derselben nach sich ziehen. Und wenn er sich auch nicht fürcht, daß er nicht schlafen werde, so ist die Furcht, daß er sich werde fürchten nicht zu schlafen, bey solchen Fällen und Un- glück, so ihm zustoßen, schon fähig ihn des schlafens zu berauben. Unaussprechlich ist die Subtil- heit des menschlichen Gemüths, und unbegreiff- lich die Beschaffenheit unserer menschlichen Ge- müths-Neigungen, und ihrer Würckungen.
Jch möchte bald wünschen, daß doch GOtt alle starcke Leute auf Erden nur eine Stunde das fühlen ließe, was die schwachen Naturen viel und lange Jahre fühlen, damit sie nur wü-
sten,
allem Anſehen nach ſeyn duͤrfften.
dem Selbſt-Mord per contagium phantaſiæ waͤre angeſtecket worden, ſo waͤre ſein ſchwaches Haupt allein ietzund faͤhig, Krafft ſeiner andern Leibes-Schwachheit und morbi melancholici, dieſes Bild im Haupte zu erwecken. Ja, wenn ihn dieſe Dinge, und die noͤthige Sorge, und die Anſtalten, ſo er zu machen, ſein Geld wieder zu bekommen, auch ſchlafen ließen; ſo iſt die bloße Furcht, er werde dieſe, und dieſe Nacht nicht ſchlafen, ſchon zulaͤnglich, zu ma- chen, daß er wuͤrcklich nicht ſchlafen kan. Denn daß er ſich ſo fuͤrchtet, zittert und bebet vor dem nicht ſchlafen, da hat er aus der Erfah- rung, was die ſchlafloſen Naͤchte vor ſchwache Haͤupter, und vor ſchreckliche Zufaͤlle Krafft derſelben nach ſich ziehen. Und wenn er ſich auch nicht fuͤrcht, daß er nicht ſchlafen werde, ſo iſt die Furcht, daß er ſich werde fuͤrchten nicht zu ſchlafen, bey ſolchen Faͤllen und Un- gluͤck, ſo ihm zuſtoßen, ſchon faͤhig ihn des ſchlafens zu berauben. Unausſprechlich iſt die Subtil- heit des menſchlichen Gemuͤths, und unbegreiff- lich die Beſchaffenheit unſerer menſchlichen Ge- muͤths-Neigungen, und ihrer Wuͤrckungen.
Jch moͤchte bald wuͤnſchen, daß doch GOtt alle ſtarcke Leute auf Erden nur eine Stunde das fuͤhlen ließe, was die ſchwachen Naturen viel und lange Jahre fuͤhlen, damit ſie nur wuͤ-
ſten,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0414"n="368"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">allem Anſehen nach ſeyn duͤrfften.</hi></fw><lb/>
dem Selbſt-Mord <hirendition="#aq">per contagium phantaſiæ</hi><lb/>
waͤre angeſtecket worden, ſo waͤre ſein ſchwaches<lb/>
Haupt allein ietzund faͤhig, Krafft ſeiner andern<lb/>
Leibes-Schwachheit und <hirendition="#aq">morbi melancholici,</hi><lb/>
dieſes Bild im Haupte zu erwecken. Ja,<lb/>
wenn ihn dieſe Dinge, und die noͤthige Sorge,<lb/>
und die Anſtalten, ſo er zu machen, ſein Geld<lb/>
wieder zu bekommen, auch ſchlafen ließen; ſo<lb/>
iſt die bloße Furcht, er werde dieſe, und dieſe<lb/>
Nacht nicht ſchlafen, ſchon zulaͤnglich, zu ma-<lb/>
chen, daß er wuͤrcklich nicht ſchlafen kan.<lb/>
Denn daß er ſich ſo fuͤrchtet, zittert und bebet vor<lb/>
dem nicht ſchlafen, da hat er aus der Erfah-<lb/>
rung, was die ſchlafloſen Naͤchte vor ſchwache<lb/>
Haͤupter, und vor ſchreckliche Zufaͤlle Krafft<lb/>
derſelben nach ſich ziehen. Und wenn er ſich<lb/>
auch nicht fuͤrcht, daß er nicht ſchlafen werde,<lb/>ſo iſt die Furcht, daß er ſich werde fuͤrchten<lb/>
nicht zu ſchlafen, bey ſolchen Faͤllen und Un-<lb/>
gluͤck, ſo ihm zuſtoßen, ſchon faͤhig ihn des ſchlafens<lb/>
zu berauben. Unausſprechlich iſt die Subtil-<lb/>
heit des menſchlichen Gemuͤths, und unbegreiff-<lb/>
lich die Beſchaffenheit unſerer menſchlichen Ge-<lb/>
muͤths-Neigungen, und ihrer Wuͤrckungen.</p><lb/><p>Jch moͤchte bald wuͤnſchen, daß doch GOtt<lb/>
alle ſtarcke Leute auf Erden nur eine Stunde<lb/>
das fuͤhlen ließe, was die ſchwachen Naturen<lb/>
viel und lange Jahre fuͤhlen, damit ſie nur wuͤ-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſten,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[368/0414]
allem Anſehen nach ſeyn duͤrfften.
dem Selbſt-Mord per contagium phantaſiæ
waͤre angeſtecket worden, ſo waͤre ſein ſchwaches
Haupt allein ietzund faͤhig, Krafft ſeiner andern
Leibes-Schwachheit und morbi melancholici,
dieſes Bild im Haupte zu erwecken. Ja,
wenn ihn dieſe Dinge, und die noͤthige Sorge,
und die Anſtalten, ſo er zu machen, ſein Geld
wieder zu bekommen, auch ſchlafen ließen; ſo
iſt die bloße Furcht, er werde dieſe, und dieſe
Nacht nicht ſchlafen, ſchon zulaͤnglich, zu ma-
chen, daß er wuͤrcklich nicht ſchlafen kan.
Denn daß er ſich ſo fuͤrchtet, zittert und bebet vor
dem nicht ſchlafen, da hat er aus der Erfah-
rung, was die ſchlafloſen Naͤchte vor ſchwache
Haͤupter, und vor ſchreckliche Zufaͤlle Krafft
derſelben nach ſich ziehen. Und wenn er ſich
auch nicht fuͤrcht, daß er nicht ſchlafen werde,
ſo iſt die Furcht, daß er ſich werde fuͤrchten
nicht zu ſchlafen, bey ſolchen Faͤllen und Un-
gluͤck, ſo ihm zuſtoßen, ſchon faͤhig ihn des ſchlafens
zu berauben. Unausſprechlich iſt die Subtil-
heit des menſchlichen Gemuͤths, und unbegreiff-
lich die Beſchaffenheit unſerer menſchlichen Ge-
muͤths-Neigungen, und ihrer Wuͤrckungen.
Jch moͤchte bald wuͤnſchen, daß doch GOtt
alle ſtarcke Leute auf Erden nur eine Stunde
das fuͤhlen ließe, was die ſchwachen Naturen
viel und lange Jahre fuͤhlen, damit ſie nur wuͤ-
ſten,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/414>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.