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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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allem Ansehen nach seyn dürfften.
dem Selbst-Mord per contagium phantasiae
wäre angestecket worden, so wäre sein schwaches
Haupt allein ietzund fähig, Krafft seiner andern
Leibes-Schwachheit und morbi melancholici,
dieses Bild im Haupte zu erwecken. Ja,
wenn ihn diese Dinge, und die nöthige Sorge,
und die Anstalten, so er zu machen, sein Geld
wieder zu bekommen, auch schlafen ließen; so
ist die bloße Furcht, er werde diese, und diese
Nacht nicht schlafen, schon zulänglich, zu ma-
chen, daß er würcklich nicht schlafen kan.
Denn daß er sich so fürchtet, zittert und bebet vor
dem nicht schlafen, da hat er aus der Erfah-
rung, was die schlaflosen Nächte vor schwache
Häupter, und vor schreckliche Zufälle Krafft
derselben nach sich ziehen. Und wenn er sich
auch nicht fürcht, daß er nicht schlafen werde,
so ist die Furcht, daß er sich werde fürchten
nicht zu schlafen, bey solchen Fällen und Un-
glück, so ihm zustoßen, schon fähig ihn des schlafens
zu berauben. Unaussprechlich ist die Subtil-
heit des menschlichen Gemüths, und unbegreiff-
lich die Beschaffenheit unserer menschlichen Ge-
müths-Neigungen, und ihrer Würckungen.

Jch möchte bald wünschen, daß doch GOtt
alle starcke Leute auf Erden nur eine Stunde
das fühlen ließe, was die schwachen Naturen
viel und lange Jahre fühlen, damit sie nur wü-

sten,

allem Anſehen nach ſeyn duͤrfften.
dem Selbſt-Mord per contagium phantaſiæ
waͤre angeſtecket worden, ſo waͤre ſein ſchwaches
Haupt allein ietzund faͤhig, Krafft ſeiner andern
Leibes-Schwachheit und morbi melancholici,
dieſes Bild im Haupte zu erwecken. Ja,
wenn ihn dieſe Dinge, und die noͤthige Sorge,
und die Anſtalten, ſo er zu machen, ſein Geld
wieder zu bekommen, auch ſchlafen ließen; ſo
iſt die bloße Furcht, er werde dieſe, und dieſe
Nacht nicht ſchlafen, ſchon zulaͤnglich, zu ma-
chen, daß er wuͤrcklich nicht ſchlafen kan.
Denn daß er ſich ſo fuͤrchtet, zittert und bebet vor
dem nicht ſchlafen, da hat er aus der Erfah-
rung, was die ſchlafloſen Naͤchte vor ſchwache
Haͤupter, und vor ſchreckliche Zufaͤlle Krafft
derſelben nach ſich ziehen. Und wenn er ſich
auch nicht fuͤrcht, daß er nicht ſchlafen werde,
ſo iſt die Furcht, daß er ſich werde fuͤrchten
nicht zu ſchlafen, bey ſolchen Faͤllen und Un-
gluͤck, ſo ihm zuſtoßen, ſchon faͤhig ihn des ſchlafens
zu berauben. Unausſprechlich iſt die Subtil-
heit des menſchlichen Gemuͤths, und unbegreiff-
lich die Beſchaffenheit unſerer menſchlichen Ge-
muͤths-Neigungen, und ihrer Wuͤrckungen.

Jch moͤchte bald wuͤnſchen, daß doch GOtt
alle ſtarcke Leute auf Erden nur eine Stunde
das fuͤhlen ließe, was die ſchwachen Naturen
viel und lange Jahre fuͤhlen, damit ſie nur wuͤ-

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[368/0414] allem Anſehen nach ſeyn duͤrfften. dem Selbſt-Mord per contagium phantaſiæ waͤre angeſtecket worden, ſo waͤre ſein ſchwaches Haupt allein ietzund faͤhig, Krafft ſeiner andern Leibes-Schwachheit und morbi melancholici, dieſes Bild im Haupte zu erwecken. Ja, wenn ihn dieſe Dinge, und die noͤthige Sorge, und die Anſtalten, ſo er zu machen, ſein Geld wieder zu bekommen, auch ſchlafen ließen; ſo iſt die bloße Furcht, er werde dieſe, und dieſe Nacht nicht ſchlafen, ſchon zulaͤnglich, zu ma- chen, daß er wuͤrcklich nicht ſchlafen kan. Denn daß er ſich ſo fuͤrchtet, zittert und bebet vor dem nicht ſchlafen, da hat er aus der Erfah- rung, was die ſchlafloſen Naͤchte vor ſchwache Haͤupter, und vor ſchreckliche Zufaͤlle Krafft derſelben nach ſich ziehen. Und wenn er ſich auch nicht fuͤrcht, daß er nicht ſchlafen werde, ſo iſt die Furcht, daß er ſich werde fuͤrchten nicht zu ſchlafen, bey ſolchen Faͤllen und Un- gluͤck, ſo ihm zuſtoßen, ſchon faͤhig ihn des ſchlafens zu berauben. Unausſprechlich iſt die Subtil- heit des menſchlichen Gemuͤths, und unbegreiff- lich die Beſchaffenheit unſerer menſchlichen Ge- muͤths-Neigungen, und ihrer Wuͤrckungen. Jch moͤchte bald wuͤnſchen, daß doch GOtt alle ſtarcke Leute auf Erden nur eine Stunde das fuͤhlen ließe, was die ſchwachen Naturen viel und lange Jahre fuͤhlen, damit ſie nur wuͤ- ſten,

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/414>, abgerufen am 21.11.2024.