Da es mir also so wunderlich in meinem Vaterlande An. 1705. gegangen war, so war ich froh, daß die Zeit meines Abschiedes aus Breß- lau heran rückte. Das Viaticum war nicht geringe, so ich mir aus den Geschencken gesamm- let hatte. Jch zog frölich die Woche vor Mi- chael meine Strasse. Etliche Tage darauf sieng mir es zwar an im Kopffe herum zu gehen, daß mich der Herr Inspector bey der gantzen Stadt verdächtig, und zum Ketzer gemacht hatte, und daß ich mir also, so lange derselbe lebte, nim- mermehr die Rechnung machen dürffte im Va- terlande befördert zu werden. Jch wäre auch bald darüber in einige Traurigkeit gerathen; allein, da ich nahe bey Bautzen kam, ohngefehr da, wo ich vor 6. Jahren irre gegangen, hatte ich einen sehr erfreulichen Traum des Nachts, ob ich wohl nur auf einer Streue lag. Der gantze Himmel schien mir so helle, und so schön glän- tzend, daß ich es nicht mit Worten beschreiben kan. Jch ward schier über dieser leiblichen Ge- stalt ausser mir selber gesetzet, fieng an im Traum über diesen Glantz, und angenehmen Sonnen- schein an GOtt mich zu erquicken, meine Be- trachtungen über GOttes Güte anzustellen, mit
GOtt
B b 3
reiſet der Autor auf Breßlau,
Anno 1705. §. 81.
Da es mir alſo ſo wunderlich in meinem Vaterlande An. 1705. gegangen war, ſo war ich froh, daß die Zeit meines Abſchiedes aus Breß- lau heran ruͤckte. Das Viaticum war nicht geringe, ſo ich mir aus den Geſchencken geſamm- let hatte. Jch zog froͤlich die Woche vor Mi- chael meine Straſſe. Etliche Tage darauf ſieng mir es zwar an im Kopffe herum zu gehen, daß mich der Herr Inſpector bey der gantzen Stadt verdaͤchtig, und zum Ketzer gemacht hatte, und daß ich mir alſo, ſo lange derſelbe lebte, nim- mermehr die Rechnung machen duͤrffte im Va- terlande befoͤrdert zu werden. Jch waͤre auch bald daruͤber in einige Traurigkeit gerathen; allein, da ich nahe bey Bautzen kam, ohngefehr da, wo ich vor 6. Jahren irre gegangen, hatte ich einen ſehr erfreulichen Traum des Nachts, ob ich wohl nur auf einer Streue lag. Der gantze Himmel ſchien mir ſo helle, und ſo ſchoͤn glaͤn- tzend, daß ich es nicht mit Worten beſchreiben kan. Jch ward ſchier uͤber dieſer leiblichen Ge- ſtalt auſſer mir ſelber geſetzet, fieng an im Traum uͤber dieſen Glantz, und angenehmen Sonnen- ſchein an GOtt mich zu erquicken, meine Be- trachtungen uͤber GOttes Guͤte anzuſtellen, mit
GOtt
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reiſet der Autor auf Breßlau,
Anno 1705.
§. 81.
Da es mir alſo ſo wunderlich in meinem
Vaterlande An. 1705. gegangen war, ſo war ich
froh, daß die Zeit meines Abſchiedes aus Breß-
lau heran ruͤckte. Das Viaticum war nicht
geringe, ſo ich mir aus den Geſchencken geſamm-
let hatte. Jch zog froͤlich die Woche vor Mi-
chael meine Straſſe. Etliche Tage darauf
ſieng mir es zwar an im Kopffe herum zu gehen,
daß mich der Herr Inſpector bey der gantzen
Stadt verdaͤchtig, und zum Ketzer gemacht hatte,
und daß ich mir alſo, ſo lange derſelbe lebte, nim-
mermehr die Rechnung machen duͤrffte im Va-
terlande befoͤrdert zu werden. Jch waͤre auch
bald daruͤber in einige Traurigkeit gerathen;
allein, da ich nahe bey Bautzen kam, ohngefehr
da, wo ich vor 6. Jahren irre gegangen, hatte
ich einen ſehr erfreulichen Traum des Nachts, ob
ich wohl nur auf einer Streue lag. Der gantze
Himmel ſchien mir ſo helle, und ſo ſchoͤn glaͤn-
tzend, daß ich es nicht mit Worten beſchreiben
kan. Jch ward ſchier uͤber dieſer leiblichen Ge-
ſtalt auſſer mir ſelber geſetzet, fieng an im Traum
uͤber dieſen Glantz, und angenehmen Sonnen-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/435>, abgerufen am 22.11.2024.
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