GOtt mich zu unterreden, an den Glantz der zukünfftigen Welt, und des himmlischen Jerusa- lems zu gedencken, und mich damit zu trösten, ob ich gleich mein irrdisches Jerusalem, die Stadt Breßlau, auf ewig mit dem Rücken ansehen muste. Die geistlichen Betrachtungen, so man des Nachts im Traum anstellet, und die Lieder, so man da träumend anstimmet, greiffen auf eine viel durchdringlichere und lieblichere Weise das Hertze an, als bey Tage, und wenn man wa- chet. Die Imagination ist alsdenn stärcker, und kommt der Sension nahe: wie mir denn auch einst in meinem Leben, weiß aber nicht mehr praecise zu welcher Zeit, das Neue Jerusalem, so wie es in der Offenbarung Johannis am 21. Cap. beschrieben wird, im Traume so natürlich, und lebhafft, und in lauter Golde vorgekommen, so daß es mir nicht deutlicher hätte seyn können, wenn ich es gleich wachend, und mit offenen Augen ge- sehen hätte. So große Freude als ich da- mahls hatte, hatte ich auch ietzo auf der Reise nach Leipzig. Und noch mehr, da ich er- wachte. Denn ich nahm es an als eine Trö- stung GOttes, der meine Seele auf diese Weise ergötzet, um mich seiner Gunst zu versichern, ob- gleich der Menschen Gunst aus wäre, und ich aus meinem Vaterlande als ein halber Exulante ge- hen muste.
Da
hat auf der Reiſe einen Traum,
GOtt mich zu unterreden, an den Glantz der zukuͤnfftigen Welt, und des himmliſchen Jeruſa- lems zu gedencken, und mich damit zu troͤſten, ob ich gleich mein irrdiſches Jeruſalem, die Stadt Breßlau, auf ewig mit dem Ruͤcken anſehen muſte. Die geiſtlichen Betrachtungen, ſo man des Nachts im Traum anſtellet, und die Lieder, ſo man da traͤumend anſtimmet, greiffen auf eine viel durchdringlichere und lieblichere Weiſe das Hertze an, als bey Tage, und wenn man wa- chet. Die Imagination iſt alsdenn ſtaͤrcker, und kommt der Senſion nahe: wie mir denn auch einſt in meinem Leben, weiß aber nicht mehr præciſe zu welcher Zeit, das Neue Jeruſalem, ſo wie es in der Offenbarung Johannis am 21. Cap. beſchrieben wird, im Traume ſo natuͤrlich, und lebhafft, und in lauter Golde vorgekommen, ſo daß es mir nicht deutlicher haͤtte ſeyn koͤnnen, wenn ich es gleich wachend, und mit offenen Augen ge- ſehen haͤtte. So große Freude als ich da- mahls hatte, hatte ich auch ietzo auf der Reiſe nach Leipzig. Und noch mehr, da ich er- wachte. Denn ich nahm es an als eine Troͤ- ſtung GOttes, der meine Seele auf dieſe Weiſe ergoͤtzet, um mich ſeiner Gunſt zu verſichern, ob- gleich der Menſchen Gunſt aus waͤre, und ich aus meinem Vaterlande als ein halber Exulante ge- hen muſte.
Da
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hat auf der Reiſe einen Traum,
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zukuͤnfftigen Welt, und des himmliſchen Jeruſa-
lems zu gedencken, und mich damit zu troͤſten, ob
ich gleich mein irrdiſches Jeruſalem, die Stadt
Breßlau, auf ewig mit dem Ruͤcken anſehen
muſte. Die geiſtlichen Betrachtungen, ſo man
des Nachts im Traum anſtellet, und die Lieder,
ſo man da traͤumend anſtimmet, greiffen auf eine
viel durchdringlichere und lieblichere Weiſe das
Hertze an, als bey Tage, und wenn man wa-
chet. Die Imagination iſt alsdenn ſtaͤrcker, und
kommt der Senſion nahe: wie mir denn auch
einſt in meinem Leben, weiß aber nicht mehr
præciſe zu welcher Zeit, das Neue Jeruſalem, ſo
wie es in der Offenbarung Johannis am 21. Cap.
beſchrieben wird, im Traume ſo natuͤrlich, und
lebhafft, und in lauter Golde vorgekommen, ſo daß
es mir nicht deutlicher haͤtte ſeyn koͤnnen, wenn
ich es gleich wachend, und mit offenen Augen ge-
ſehen haͤtte. So große Freude als ich da-
mahls hatte, hatte ich auch ietzo auf der Reiſe
nach Leipzig. Und noch mehr, da ich er-
wachte. Denn ich nahm es an als eine Troͤ-
ſtung GOttes, der meine Seele auf dieſe Weiſe
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/436>, abgerufen am 21.11.2024.
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