Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

und gegen den Herbst
Herr Neumann war zu Pferde, und hatte sich
auch so, wie ich, vor der Zeit aufgemacht, und
die Compagnie verlassen. Auf dem Heim-
wege rencontrirten wir einander. Jch hätte
mich bald zu fürchten angefangen, da ich ihn
sahe hinter mir hergejagt kommen. Jch nahm
aber doch die Hardiesse, blieb stehen, und machte
Mine, als ob ich ihn anreden wolte. Allein so-
bald er mich erblickte, so gab er dem Pferd den
Sporn, und nahm einen Umweg, ohne daß er
auf mich zukommen durffte. So viel Zunei-
gung ich auch in Weimar ihm hatte mit Wor-
ten zu erkennen gegeben, in denen auch kein falsch
war, so wolte er mir doch allem Ansehen nach
nicht trauen, ohne Zweifel, weil ihm sein Va-
ter fürchterliche Concepte vor 2. Jahren von mir
beygebracht hatte.

Anno 1708.
§. 98.

Jn der Michaelis Messe, oder vielmehr die
Woche zuvor, besahe ich Wittenberg. Jch
nahm den Weg um der Motion willen über
Halle, wo ich ehedessen schon gewesen war. Des
einen Tages gieng ich in Glauche ohngefehr bey
des Herr Prof. Franckens Wohnung vorbey. Jch
sahe durch das Haus, und merckte ihn in seinem
Gärtgen alleine und müßig stehen. Weil es

die

und gegen den Herbſt
Herr Neumann war zu Pferde, und hatte ſich
auch ſo, wie ich, vor der Zeit aufgemacht, und
die Compagnie verlaſſen. Auf dem Heim-
wege rencontrirten wir einander. Jch haͤtte
mich bald zu fuͤrchten angefangen, da ich ihn
ſahe hinter mir hergejagt kommen. Jch nahm
aber doch die Hardieſſe, blieb ſtehen, und machte
Mine, als ob ich ihn anreden wolte. Allein ſo-
bald er mich erblickte, ſo gab er dem Pferd den
Sporn, und nahm einen Umweg, ohne daß er
auf mich zukommen durffte. So viel Zunei-
gung ich auch in Weimar ihm hatte mit Wor-
ten zu erkennen gegeben, in denen auch kein falſch
war, ſo wolte er mir doch allem Anſehen nach
nicht trauen, ohne Zweifel, weil ihm ſein Va-
ter fuͤrchterliche Concepte vor 2. Jahren von mir
beygebracht hatte.

Anno 1708.
§. 98.

Jn der Michaelis Meſſe, oder vielmehr die
Woche zuvor, beſahe ich Wittenberg. Jch
nahm den Weg um der Motion willen uͤber
Halle, wo ich ehedeſſen ſchon geweſen war. Des
einen Tages gieng ich in Glauche ohngefehr bey
des Herr Prof. Franckens Wohnung vorbey. Jch
ſahe durch das Haus, und merckte ihn in ſeinem
Gaͤrtgen alleine und muͤßig ſtehen. Weil es

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0493" n="447"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und gegen den Herb&#x017F;t</hi></fw><lb/>
Herr Neumann war zu Pferde, und hatte &#x017F;ich<lb/>
auch &#x017F;o, wie ich, vor der Zeit aufgemacht, und<lb/>
die <hi rendition="#aq">Compagnie</hi> verla&#x017F;&#x017F;en. Auf dem Heim-<lb/>
wege <hi rendition="#aq">rencontri</hi>rten wir einander. Jch ha&#x0364;tte<lb/>
mich bald zu fu&#x0364;rchten angefangen, da ich ihn<lb/>
&#x017F;ahe hinter mir hergejagt kommen. Jch nahm<lb/>
aber doch die <hi rendition="#aq">Hardie&#x017F;&#x017F;e,</hi> blieb &#x017F;tehen, und machte<lb/><hi rendition="#aq">Mine,</hi> als ob ich ihn anreden wolte. Allein &#x017F;o-<lb/>
bald er mich erblickte, &#x017F;o gab er dem Pferd den<lb/>
Sporn, und nahm einen Umweg, ohne daß er<lb/>
auf mich zukommen durffte. So viel Zunei-<lb/>
gung ich auch in Weimar ihm hatte mit Wor-<lb/>
ten zu erkennen gegeben, in denen auch kein fal&#x017F;ch<lb/>
war, &#x017F;o wolte er mir doch allem An&#x017F;ehen nach<lb/>
nicht trauen, ohne Zweifel, weil ihm &#x017F;ein Va-<lb/>
ter fu&#x0364;rchterliche <hi rendition="#aq">Concept</hi>e vor 2. Jahren von mir<lb/>
beygebracht hatte.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Anno</hi> 1708.</hi><lb/>
§. 98.</hi> </head><lb/>
        <p>Jn der <hi rendition="#aq">Michaelis</hi> Me&#x017F;&#x017F;e, oder vielmehr die<lb/>
Woche zuvor, be&#x017F;ahe ich Wittenberg. Jch<lb/>
nahm den Weg um der <hi rendition="#aq">Motion</hi> willen u&#x0364;ber<lb/>
Halle, wo ich ehede&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chon gewe&#x017F;en war. Des<lb/>
einen Tages gieng ich in Glauche ohngefehr bey<lb/>
des Herr <hi rendition="#aq">Prof.</hi> Franckens Wohnung vorbey. Jch<lb/>
&#x017F;ahe durch das Haus, und merckte ihn in &#x017F;einem<lb/>
Ga&#x0364;rtgen alleine und mu&#x0364;ßig &#x017F;tehen. Weil es<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[447/0493] und gegen den Herbſt Herr Neumann war zu Pferde, und hatte ſich auch ſo, wie ich, vor der Zeit aufgemacht, und die Compagnie verlaſſen. Auf dem Heim- wege rencontrirten wir einander. Jch haͤtte mich bald zu fuͤrchten angefangen, da ich ihn ſahe hinter mir hergejagt kommen. Jch nahm aber doch die Hardieſſe, blieb ſtehen, und machte Mine, als ob ich ihn anreden wolte. Allein ſo- bald er mich erblickte, ſo gab er dem Pferd den Sporn, und nahm einen Umweg, ohne daß er auf mich zukommen durffte. So viel Zunei- gung ich auch in Weimar ihm hatte mit Wor- ten zu erkennen gegeben, in denen auch kein falſch war, ſo wolte er mir doch allem Anſehen nach nicht trauen, ohne Zweifel, weil ihm ſein Va- ter fuͤrchterliche Concepte vor 2. Jahren von mir beygebracht hatte. Anno 1708. §. 98. Jn der Michaelis Meſſe, oder vielmehr die Woche zuvor, beſahe ich Wittenberg. Jch nahm den Weg um der Motion willen uͤber Halle, wo ich ehedeſſen ſchon geweſen war. Des einen Tages gieng ich in Glauche ohngefehr bey des Herr Prof. Franckens Wohnung vorbey. Jch ſahe durch das Haus, und merckte ihn in ſeinem Gaͤrtgen alleine und muͤßig ſtehen. Weil es die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/493
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/493>, abgerufen am 22.11.2024.