den Weg durch den großen Kohl-Garten, der mir bekannt genug, und den ich zu andern Zei- ten, weil er im Sommer lustig zu gehen, viel- fältigmahl gegangen war. Auf dem Wege zwischen dem großen Kohl-Garten und Seller- hausen, ohngefehr in der Mitten, muste ich meine Nothdurfft verrichten. Jch suchte mir ein bequem Plätzgen, wo der Schnee nicht zu tieff lag, um mich nicht in denselben zu setzen. Alß ich wieder aufstund, so wuste ich nicht auf welcher Seite des Weges ich mich niedergesetzet hatte, ob zur rechten oder zur lincken. Denn da war keine Stadt, kein Dorff, kein Haus, kein Mensch vor Schnee zu sehen: Die Fuß- stapffen, wo ich gekommen, waren gleich wieder von Schnee verstrichen worden, weil ich zu lange verweilet hatte, so geschwinde ich mich auch zu expediren gesuchet hatte. Da stund ich nun, und wuste nicht, wo ich zugehen solte. Bald lieff ich zurücke, bald wurde ich wieder dubiös, und kehrte wieder um, ohne zu wissen, ob ich zu- rücke nach der Stadt, oder nach Sellerhausen zulieffe. Da mich nun darüber schrecklich zu friehren anfieng, überfiel mich eine ungemeine Angst; denn man wuste schon Exempel von Leu- ten, die nach der Leipziger Messe auf dem Wege nach Hause solten erfrohren seyn. Jetzt war es um das Ende der Zahl-Woche. Jch ge-
dachte
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waͤre im kalten Winter
den Weg durch den großen Kohl-Garten, der mir bekannt genug, und den ich zu andern Zei- ten, weil er im Sommer luſtig zu gehen, viel- faͤltigmahl gegangen war. Auf dem Wege zwiſchen dem großen Kohl-Garten und Seller- hauſen, ohngefehr in der Mitten, muſte ich meine Nothdurfft verrichten. Jch ſuchte mir ein bequem Plaͤtzgen, wo der Schnee nicht zu tieff lag, um mich nicht in denſelben zu ſetzen. Alß ich wieder aufſtund, ſo wuſte ich nicht auf welcher Seite des Weges ich mich niedergeſetzet hatte, ob zur rechten oder zur lincken. Denn da war keine Stadt, kein Dorff, kein Haus, kein Menſch vor Schnee zu ſehen: Die Fuß- ſtapffen, wo ich gekommen, waren gleich wieder von Schnee verſtrichen worden, weil ich zu lange verweilet hatte, ſo geſchwinde ich mich auch zu expediren geſuchet hatte. Da ſtund ich nun, und wuſte nicht, wo ich zugehen ſolte. Bald lieff ich zuruͤcke, bald wurde ich wieder dubiös, und kehrte wieder um, ohne zu wiſſen, ob ich zu- ruͤcke nach der Stadt, oder nach Sellerhauſen zulieffe. Da mich nun daruͤber ſchrecklich zu friehren anfieng, uͤberfiel mich eine ungemeine Angſt; denn man wuſte ſchon Exempel von Leu- ten, die nach der Leipziger Meſſe auf dem Wege nach Hauſe ſolten erfrohren ſeyn. Jetzt war es um das Ende der Zahl-Woche. Jch ge-
dachte
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waͤre im kalten Winter
den Weg durch den großen Kohl-Garten, der
mir bekannt genug, und den ich zu andern Zei-
ten, weil er im Sommer luſtig zu gehen, viel-
faͤltigmahl gegangen war. Auf dem Wege
zwiſchen dem großen Kohl-Garten und Seller-
hauſen, ohngefehr in der Mitten, muſte ich
meine Nothdurfft verrichten. Jch ſuchte mir
ein bequem Plaͤtzgen, wo der Schnee nicht zu
tieff lag, um mich nicht in denſelben zu ſetzen.
Alß ich wieder aufſtund, ſo wuſte ich nicht auf
welcher Seite des Weges ich mich niedergeſetzet
hatte, ob zur rechten oder zur lincken. Denn
da war keine Stadt, kein Dorff, kein Haus,
kein Menſch vor Schnee zu ſehen: Die Fuß-
ſtapffen, wo ich gekommen, waren gleich wieder
von Schnee verſtrichen worden, weil ich zu lange
verweilet hatte, ſo geſchwinde ich mich auch zu
expediren geſuchet hatte. Da ſtund ich nun,
und wuſte nicht, wo ich zugehen ſolte. Bald
lieff ich zuruͤcke, bald wurde ich wieder dubiös,
und kehrte wieder um, ohne zu wiſſen, ob ich zu-
ruͤcke nach der Stadt, oder nach Sellerhauſen
zulieffe. Da mich nun daruͤber ſchrecklich zu
friehren anfieng, uͤberfiel mich eine ungemeine
Angſt; denn man wuſte ſchon Exempel von Leu-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/497>, abgerufen am 22.11.2024.
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