Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

beynahe erfrohren,
dachte an Mucke, und fieng im starcken Fort-
gehen an zu beten, und zu GOTT ängstlich zu
schreyen, er möchte mich doch nicht in Kälte um-
kommen lassen, da er mich vor 2. Jahren aus
dem Feuer errettet. Da ich eine Zeit gegan-
gen, und der tieffe Schnee die Beine gantz er-
müdet, und Füße und Hertze gantz erkältet hatte,
sahe ich, wie einen Wagen vor mir in der Ferne.
Jch gieng auf denselben zu, und da ich näher
hinkam, war es ein Bauer, der Mist abschlug.
Jch fragte ihn, wo ich wäre, und er berichtete
mich, daß ich nicht weit vom Stintz wäre. Und
da er hörte, daß ich nach Sellerhausen wolte,
so wieß er mir, wo ich zugehen solte, so daß ich
endlich glücklich daselbst ankam, und froh war,
daß ich mich auch diesesmahl nicht ergeben, noch
aus Kleinmüthigkeit und Mattigkeit mich in
Schnee niedergeleget hatte, wie ich schon zu thun
gesonnen war. Den beyden Predigern, wie
sie mir nach der Zeit erzehlten, war es in der an-
dern Helffte des Tages beynahe eben so ergan-
gen. Der Pfarrer von Polentz hatte mit Kum-
mer und Sorge kaum sein Dorff finden können,
und Herr M. Gehr war mit seiner Frau etliche
Stunden auf der Chaise roulante gefahren, ohne
zu wissen, wo er wäre; bis sie endlich, da es
des Abends schon dunckel werden wollen, zu großer

Freude,

beynahe erfrohren,
dachte an Mucke, und fieng im ſtarcken Fort-
gehen an zu beten, und zu GOTT aͤngſtlich zu
ſchreyen, er moͤchte mich doch nicht in Kaͤlte um-
kommen laſſen, da er mich vor 2. Jahren aus
dem Feuer errettet. Da ich eine Zeit gegan-
gen, und der tieffe Schnee die Beine gantz er-
muͤdet, und Fuͤße und Hertze gantz erkaͤltet hatte,
ſahe ich, wie einen Wagen vor mir in der Ferne.
Jch gieng auf denſelben zu, und da ich naͤher
hinkam, war es ein Bauer, der Miſt abſchlug.
Jch fragte ihn, wo ich waͤre, und er berichtete
mich, daß ich nicht weit vom Stintz waͤre. Und
da er hoͤrte, daß ich nach Sellerhauſen wolte,
ſo wieß er mir, wo ich zugehen ſolte, ſo daß ich
endlich gluͤcklich daſelbſt ankam, und froh war,
daß ich mich auch dieſesmahl nicht ergeben, noch
aus Kleinmuͤthigkeit und Mattigkeit mich in
Schnee niedergeleget hatte, wie ich ſchon zu thun
geſonnen war. Den beyden Predigern, wie
ſie mir nach der Zeit erzehlten, war es in der an-
dern Helffte des Tages beynahe eben ſo ergan-
gen. Der Pfarrer von Polentz hatte mit Kum-
mer und Sorge kaum ſein Dorff finden koͤnnen,
und Herr M. Gehr war mit ſeiner Frau etliche
Stunden auf der Chaiſe roulante gefahren, ohne
zu wiſſen, wo er waͤre; bis ſie endlich, da es
des Abends ſchon dunckel werden wollen, zu großer

Freude,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0498" n="452"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">beynahe erfrohren,</hi></fw><lb/>
dachte an Mucke, und fieng im &#x017F;tarcken Fort-<lb/>
gehen an zu beten, und zu GOTT a&#x0364;ng&#x017F;tlich zu<lb/>
&#x017F;chreyen, er mo&#x0364;chte mich doch nicht in Ka&#x0364;lte um-<lb/>
kommen la&#x017F;&#x017F;en, da er mich vor 2. Jahren aus<lb/>
dem Feuer errettet. Da ich eine Zeit gegan-<lb/>
gen, und der tieffe Schnee die Beine gantz er-<lb/>
mu&#x0364;det, und Fu&#x0364;ße und Hertze gantz erka&#x0364;ltet hatte,<lb/>
&#x017F;ahe ich, wie einen Wagen vor mir in der Ferne.<lb/>
Jch gieng auf den&#x017F;elben zu, und da ich na&#x0364;her<lb/>
hinkam, war es ein Bauer, der Mi&#x017F;t ab&#x017F;chlug.<lb/>
Jch fragte ihn, wo ich wa&#x0364;re, und er berichtete<lb/>
mich, daß ich nicht weit vom Stintz wa&#x0364;re. Und<lb/>
da er ho&#x0364;rte, daß ich nach Sellerhau&#x017F;en wolte,<lb/>
&#x017F;o wieß er mir, wo ich zugehen &#x017F;olte, &#x017F;o daß ich<lb/>
endlich glu&#x0364;cklich da&#x017F;elb&#x017F;t ankam, und froh war,<lb/>
daß ich mich auch die&#x017F;esmahl nicht ergeben, noch<lb/>
aus Kleinmu&#x0364;thigkeit und Mattigkeit mich in<lb/>
Schnee niedergeleget hatte, wie ich &#x017F;chon zu thun<lb/>
ge&#x017F;onnen war. Den beyden Predigern, wie<lb/>
&#x017F;ie mir nach der Zeit erzehlten, war es in der an-<lb/>
dern Helffte des Tages beynahe eben &#x017F;o ergan-<lb/>
gen. Der Pfarrer von Polentz hatte mit Kum-<lb/>
mer und Sorge kaum &#x017F;ein Dorff finden ko&#x0364;nnen,<lb/>
und Herr <hi rendition="#aq">M.</hi> Gehr war mit &#x017F;einer Frau etliche<lb/>
Stunden auf der <hi rendition="#aq">Chai&#x017F;e roulante</hi> gefahren, ohne<lb/>
zu wi&#x017F;&#x017F;en, wo er wa&#x0364;re; bis &#x017F;ie endlich, da es<lb/>
des Abends &#x017F;chon dunckel werden wollen, zu großer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Freude,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[452/0498] beynahe erfrohren, dachte an Mucke, und fieng im ſtarcken Fort- gehen an zu beten, und zu GOTT aͤngſtlich zu ſchreyen, er moͤchte mich doch nicht in Kaͤlte um- kommen laſſen, da er mich vor 2. Jahren aus dem Feuer errettet. Da ich eine Zeit gegan- gen, und der tieffe Schnee die Beine gantz er- muͤdet, und Fuͤße und Hertze gantz erkaͤltet hatte, ſahe ich, wie einen Wagen vor mir in der Ferne. Jch gieng auf denſelben zu, und da ich naͤher hinkam, war es ein Bauer, der Miſt abſchlug. Jch fragte ihn, wo ich waͤre, und er berichtete mich, daß ich nicht weit vom Stintz waͤre. Und da er hoͤrte, daß ich nach Sellerhauſen wolte, ſo wieß er mir, wo ich zugehen ſolte, ſo daß ich endlich gluͤcklich daſelbſt ankam, und froh war, daß ich mich auch dieſesmahl nicht ergeben, noch aus Kleinmuͤthigkeit und Mattigkeit mich in Schnee niedergeleget hatte, wie ich ſchon zu thun geſonnen war. Den beyden Predigern, wie ſie mir nach der Zeit erzehlten, war es in der an- dern Helffte des Tages beynahe eben ſo ergan- gen. Der Pfarrer von Polentz hatte mit Kum- mer und Sorge kaum ſein Dorff finden koͤnnen, und Herr M. Gehr war mit ſeiner Frau etliche Stunden auf der Chaiſe roulante gefahren, ohne zu wiſſen, wo er waͤre; bis ſie endlich, da es des Abends ſchon dunckel werden wollen, zu großer Freude,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/498
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/498>, abgerufen am 22.11.2024.