Freude, und gantz wider Vermuthen gesehen, daß sie harte vor Taucha wären.
Anno 1709. §. 100.
Auf den kalten Winter kam auch ein ziem- lich heisser Sommer; wiewol nach Proportion die Hitze doch nicht so groß war, als zuvor die Kälte gewefen. Jnzwischen war sie doch so groß, daß die rothe Ruhr viel Menschen weg- raffte; und dieses gar sonderlich in Naumburg und Jena. Jch wandelte in lauter Furcht, und dachte immer, das Ubel würde auch mich überfallen, weil es mir sehr nahe kam, und ich auch sonst zur Dysenterie sehr geneigt war. Wo man hinkam, da redeten die Leute davon, und von diesem, und jenem, so daran gestorben; und erzehlten noch dazu solche kräfftige Umstände, daß einen eine Alteration ankommen muste, der nur davon reden hörte. Mir kam es zum we- nigsten allemahl in Leib, so bald ich davon discu- riren hörte, so daß ich mich nicht genug über die Leute, und ihre Thorheit ärgern kunte, die zu ihrem eigenem Verderben nicht schweigen, noch bey solchen Fällen die Mäuler halten können. Es steckt nach der Pest keine Kranckheit so leicht durch die Imagination an, als die rothe Ruhr, so offt der, so davon reden höret, in Furcht ge-
setzet
F f 3
und fuͤrchtet im heiſſen Sommer
Freude, und gantz wider Vermuthen geſehen, daß ſie harte vor Taucha waͤren.
Anno 1709. §. 100.
Auf den kalten Winter kam auch ein ziem- lich heiſſer Sommer; wiewol nach Proportion die Hitze doch nicht ſo groß war, als zuvor die Kaͤlte gewefen. Jnzwiſchen war ſie doch ſo groß, daß die rothe Ruhr viel Menſchen weg- raffte; und dieſes gar ſonderlich in Naumburg und Jena. Jch wandelte in lauter Furcht, und dachte immer, das Ubel wuͤrde auch mich uͤberfallen, weil es mir ſehr nahe kam, und ich auch ſonſt zur Dyſenterie ſehr geneigt war. Wo man hinkam, da redeten die Leute davon, und von dieſem, und jenem, ſo daran geſtorben; und erzehlten noch dazu ſolche kraͤfftige Umſtaͤnde, daß einen eine Alteration ankommen muſte, der nur davon reden hoͤrte. Mir kam es zum we- nigſten allemahl in Leib, ſo bald ich davon diſcu- riren hoͤrte, ſo daß ich mich nicht genug uͤber die Leute, und ihre Thorheit aͤrgern kunte, die zu ihrem eigenem Verderben nicht ſchweigen, noch bey ſolchen Faͤllen die Maͤuler halten koͤnnen. Es ſteckt nach der Peſt keine Kranckheit ſo leicht durch die Imagination an, als die rothe Ruhr, ſo offt der, ſo davon reden hoͤret, in Furcht ge-
ſetzet
F f 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0499"n="453"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und fuͤrchtet im heiſſen Sommer</hi></fw><lb/>
Freude, und gantz wider Vermuthen geſehen,<lb/>
daß ſie harte vor Taucha waͤren.</p></div><lb/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g"><hirendition="#aq">Anno</hi> 1709.</hi><lb/>
§. 100.</hi></head><lb/><p>Auf den kalten Winter kam auch ein ziem-<lb/>
lich heiſſer Sommer; wiewol nach <hirendition="#aq">Proportion</hi><lb/>
die Hitze doch nicht ſo groß war, als zuvor die<lb/>
Kaͤlte gewefen. Jnzwiſchen war ſie doch ſo<lb/>
groß, daß die rothe Ruhr viel Menſchen weg-<lb/>
raffte; und dieſes gar ſonderlich in Naumburg<lb/>
und Jena. Jch wandelte in lauter Furcht,<lb/>
und dachte immer, das Ubel wuͤrde auch mich<lb/>
uͤberfallen, weil es mir ſehr nahe kam, und ich<lb/>
auch ſonſt zur <hirendition="#aq">Dyſenterie</hi>ſehr geneigt war.<lb/>
Wo man hinkam, da redeten die Leute davon,<lb/>
und von dieſem, und jenem, ſo daran geſtorben;<lb/>
und erzehlten noch dazu ſolche kraͤfftige Umſtaͤnde,<lb/>
daß einen eine <hirendition="#aq">Alteration</hi> ankommen muſte, der<lb/>
nur davon reden hoͤrte. Mir kam es zum we-<lb/>
nigſten allemahl in Leib, ſo bald ich davon <hirendition="#aq">diſcu-<lb/>
ri</hi>ren hoͤrte, ſo daß ich mich nicht genug uͤber die<lb/>
Leute, und ihre Thorheit aͤrgern kunte, die zu<lb/>
ihrem eigenem Verderben nicht ſchweigen, noch<lb/>
bey ſolchen Faͤllen die Maͤuler halten koͤnnen.<lb/>
Es ſteckt nach der Peſt keine Kranckheit ſo leicht<lb/>
durch die <hirendition="#aq">Imagination</hi> an, als die rothe Ruhr,<lb/>ſo offt der, ſo davon reden hoͤret, in Furcht ge-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F f 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſetzet</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[453/0499]
und fuͤrchtet im heiſſen Sommer
Freude, und gantz wider Vermuthen geſehen,
daß ſie harte vor Taucha waͤren.
Anno 1709.
§. 100.
Auf den kalten Winter kam auch ein ziem-
lich heiſſer Sommer; wiewol nach Proportion
die Hitze doch nicht ſo groß war, als zuvor die
Kaͤlte gewefen. Jnzwiſchen war ſie doch ſo
groß, daß die rothe Ruhr viel Menſchen weg-
raffte; und dieſes gar ſonderlich in Naumburg
und Jena. Jch wandelte in lauter Furcht,
und dachte immer, das Ubel wuͤrde auch mich
uͤberfallen, weil es mir ſehr nahe kam, und ich
auch ſonſt zur Dyſenterie ſehr geneigt war.
Wo man hinkam, da redeten die Leute davon,
und von dieſem, und jenem, ſo daran geſtorben;
und erzehlten noch dazu ſolche kraͤfftige Umſtaͤnde,
daß einen eine Alteration ankommen muſte, der
nur davon reden hoͤrte. Mir kam es zum we-
nigſten allemahl in Leib, ſo bald ich davon diſcu-
riren hoͤrte, ſo daß ich mich nicht genug uͤber die
Leute, und ihre Thorheit aͤrgern kunte, die zu
ihrem eigenem Verderben nicht ſchweigen, noch
bey ſolchen Faͤllen die Maͤuler halten koͤnnen.
Es ſteckt nach der Peſt keine Kranckheit ſo leicht
durch die Imagination an, als die rothe Ruhr,
ſo offt der, ſo davon reden hoͤret, in Furcht ge-
ſetzet
F f 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/499>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.