lichste davor gezüchtiget worden. Es ahnte mir dieses mahl. Jch redete mir selber zu; du weist, sprach ich, wie dir es allemahl gegan- gen, wenn du ohne dringende Noth eine solche wichtige Sache aufgeschoben. Doch hielt ich es damahls mit einigen Theologis für ein be- quemes Mittel, mich von dem scrupulirenden Gewissen, welches offters eine pure Bigotterie ist, zu heilen, wenn ich contra illam, und wi- der dasselbe recht zum Trotz, und zur Bravade thäte. Allein es bekam mir gar übel. Das Jubilaeum war vorbey, und die Lust hatte ein Ende. Und nun gieng erst meine Plage recht an. Es schmeckte mir weder Essen noch Trincken. Jch goß zu anderthalb Kan- nen Thee-Wasser zur Vesper-Zeit in Leib, es wolte nichts helffen. Jch besann mich, daß ich ehedessen einmahl, da es mir stets auf- gestoßen, und ich von Ructibus incommodiret gewesen, Krebs-Augen eingenommen, und darauf geschwitzet. Jch that es; weil ich aber die Dosin zu starck mochte zu mir genom- men haben, so schwitzte ich die Nacht darauf entsetzlich. Allein da ich meynte, es solte da- durch besser werden, so schwitzte ich die folgende Nacht wieder, und noch stärcker, als die vorige. Jch war noch nicht so klug, daß ich gewust hätte, daß man die Schweiße abwarten, und sich da-
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Schiebt den Gebrauch des Abendmahls
lichſte davor gezuͤchtiget worden. Es ahnte mir dieſes mahl. Jch redete mir ſelber zu; du weiſt, ſprach ich, wie dir es allemahl gegan- gen, wenn du ohne dringende Noth eine ſolche wichtige Sache aufgeſchoben. Doch hielt ich es damahls mit einigen Theologis fuͤr ein be- quemes Mittel, mich von dem ſcrupulirenden Gewiſſen, welches offters eine pure Bigotterie iſt, zu heilen, wenn ich contra illam, und wi- der daſſelbe recht zum Trotz, und zur Bravade thaͤte. Allein es bekam mir gar uͤbel. Das Jubilæum war vorbey, und die Luſt hatte ein Ende. Und nun gieng erſt meine Plage recht an. Es ſchmeckte mir weder Eſſen noch Trincken. Jch goß zu anderthalb Kan- nen Thée-Waſſer zur Veſper-Zeit in Leib, es wolte nichts helffen. Jch beſann mich, daß ich ehedeſſen einmahl, da es mir ſtets auf- geſtoßen, und ich von Ructibus incommodiret geweſen, Krebs-Augen eingenommen, und darauf geſchwitzet. Jch that es; weil ich aber die Doſin zu ſtarck mochte zu mir genom- men haben, ſo ſchwitzte ich die Nacht darauf entſetzlich. Allein da ich meynte, es ſolte da- durch beſſer werden, ſo ſchwitzte ich die folgende Nacht wieder, und noch ſtaͤrcker, als die vorige. Jch war noch nicht ſo klug, daß ich gewuſt haͤtte, daß man die Schweiße abwarten, und ſich da-
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Schiebt den Gebrauch des Abendmahls
lichſte davor gezuͤchtiget worden. Es ahnte
mir dieſes mahl. Jch redete mir ſelber zu;
du weiſt, ſprach ich, wie dir es allemahl gegan-
gen, wenn du ohne dringende Noth eine ſolche
wichtige Sache aufgeſchoben. Doch hielt ich
es damahls mit einigen Theologis fuͤr ein be-
quemes Mittel, mich von dem ſcrupulirenden
Gewiſſen, welches offters eine pure Bigotterie
iſt, zu heilen, wenn ich contra illam, und wi-
der daſſelbe recht zum Trotz, und zur Bravade
thaͤte. Allein es bekam mir gar uͤbel. Das
Jubilæum war vorbey, und die Luſt hatte ein
Ende. Und nun gieng erſt meine Plage
recht an. Es ſchmeckte mir weder Eſſen
noch Trincken. Jch goß zu anderthalb Kan-
nen Thée-Waſſer zur Veſper-Zeit in Leib,
es wolte nichts helffen. Jch beſann mich,
daß ich ehedeſſen einmahl, da es mir ſtets auf-
geſtoßen, und ich von Ructibus incommodiret
geweſen, Krebs-Augen eingenommen, und
darauf geſchwitzet. Jch that es; weil ich
aber die Doſin zu ſtarck mochte zu mir genom-
men haben, ſo ſchwitzte ich die Nacht darauf
entſetzlich. Allein da ich meynte, es ſolte da-
durch beſſer werden, ſo ſchwitzte ich die folgende
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/511>, abgerufen am 22.11.2024.
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