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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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welche nicht einerley Urtheil
habenden Kranckheit haben mochten. Wenn
ich gerne wünschte, in kurtzem von ihm abge-
fertiget zu seyn, weil mir offters die Zähne zu
klappern anfiengen, so parlirte er mit mir la-
teinisch, und probirte auf allerhand Art, und
Weise, was ich gelernet, und wie hoch sich
meine Erudition erstreckte. Jch wuste an-
fangs nicht, was er damit wolte, bis ich her-
nach vernahm, daß er gesonnen wäre, sei-
nen Sohn die Philosophie bey mir hören zu
laßen, welches aber doch hernach unterblieb.
Das was mir am meisten von ihm gefiel, war,
daß er von meiner Kranckheit gleiche Sentiments
mit mir hatte. Denn er hielt es vor einen
Anfang, und vor den ersten Grad der Hectica,
wovor ich es auch ansahe.

Die andern Doctores die ich manchmal con-
suli
rte, wolten davon nichts wissen, aus Ursa-
chen, weil ich noch mit keinem Husten incom-
modi
ret wäre, und noch kein Geschwür auf der
Lunge hätte. Jch ärgerte mich nicht wenig,
da ich auf solche Weise wahrnahm, daß die Me-
dici
in Benennung der Kranckheiten nicht eines
Sinnes wären, und nicht einerley Namen führ-
ten, und Hecticam, Schwindsucht, oder ein
Schwindsüchtiges Fieber mit der Lungensucht
und Phtisi vermengten. Wenn einer in mei-
nem Vater-Lande die Lunge von sich hustet und

weg-

welche nicht einerley Urtheil
habenden Kranckheit haben mochten. Wenn
ich gerne wuͤnſchte, in kurtzem von ihm abge-
fertiget zu ſeyn, weil mir offters die Zaͤhne zu
klappern anfiengen, ſo parlirte er mit mir la-
teiniſch, und probirte auf allerhand Art, und
Weiſe, was ich gelernet, und wie hoch ſich
meine Erudition erſtreckte. Jch wuſte an-
fangs nicht, was er damit wolte, bis ich her-
nach vernahm, daß er geſonnen waͤre, ſei-
nen Sohn die Philoſophie bey mir hoͤren zu
laßen, welches aber doch hernach unterblieb.
Das was mir am meiſten von ihm gefiel, war,
daß er von meiner Kranckheit gleiche Sentiments
mit mir hatte. Denn er hielt es vor einen
Anfang, und vor den erſten Grad der Hectica,
wovor ich es auch anſahe.

Die andern Doctores die ich manchmal con-
ſuli
rte, wolten davon nichts wiſſen, aus Urſa-
chen, weil ich noch mit keinem Huſten incom-
modi
ret waͤre, und noch kein Geſchwuͤr auf der
Lunge haͤtte. Jch aͤrgerte mich nicht wenig,
da ich auf ſolche Weiſe wahrnahm, daß die Me-
dici
in Benennung der Kranckheiten nicht eines
Sinnes waͤren, und nicht einerley Namen fuͤhr-
ten, und Hecticam, Schwindſucht, oder ein
Schwindſuͤchtiges Fieber mit der Lungenſucht
und Phtiſi vermengten. Wenn einer in mei-
nem Vater-Lande die Lunge von ſich huſtet und

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[472/0518] welche nicht einerley Urtheil habenden Kranckheit haben mochten. Wenn ich gerne wuͤnſchte, in kurtzem von ihm abge- fertiget zu ſeyn, weil mir offters die Zaͤhne zu klappern anfiengen, ſo parlirte er mit mir la- teiniſch, und probirte auf allerhand Art, und Weiſe, was ich gelernet, und wie hoch ſich meine Erudition erſtreckte. Jch wuſte an- fangs nicht, was er damit wolte, bis ich her- nach vernahm, daß er geſonnen waͤre, ſei- nen Sohn die Philoſophie bey mir hoͤren zu laßen, welches aber doch hernach unterblieb. Das was mir am meiſten von ihm gefiel, war, daß er von meiner Kranckheit gleiche Sentiments mit mir hatte. Denn er hielt es vor einen Anfang, und vor den erſten Grad der Hectica, wovor ich es auch anſahe. Die andern Doctores die ich manchmal con- ſulirte, wolten davon nichts wiſſen, aus Urſa- chen, weil ich noch mit keinem Huſten incom- modiret waͤre, und noch kein Geſchwuͤr auf der Lunge haͤtte. Jch aͤrgerte mich nicht wenig, da ich auf ſolche Weiſe wahrnahm, daß die Me- dici in Benennung der Kranckheiten nicht eines Sinnes waͤren, und nicht einerley Namen fuͤhr- ten, und Hecticam, Schwindſucht, oder ein Schwindſuͤchtiges Fieber mit der Lungenſucht und Phtiſi vermengten. Wenn einer in mei- nem Vater-Lande die Lunge von ſich huſtet und weg-

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/518>, abgerufen am 28.09.2024.