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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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von der Kranckheit fällten,
wegspeyet, so spricht man, er hat die Lungen-
sucht; und wenn ihm hingegen in der Lunge
nichts fehlet, aber doch wohl 6. Viertel-Jahr
da lieget, und wie ein Gerüppe verdorret, so
sagt man, er hat die Schwindsucht, oder ein
Schwindsüchtiges Fieber. Den Sommer zu-
vor, starb allhier ein Uhrmacher, der, so viel ich
weiß, seine Lunge gantz gesund, und unverletzt
unter die Erde brachte, aber wie ein pures Sce-
leton
auf dem Sterbe-Bette lag, und die Zähne
nicht mehr mit den Lippen bedecken kunte, auch
nicht ein halb Pfund Fleisch mehr am Leibe hatte.
Das glaube ich wohl, daß zur Phtisi und Lun-
gensucht manchmahl ein febris hectica zuschla-
gen, oder daß die Hectica die Phtisin nach sich
ziehen kan; Die Erfahrung aber hat mich in
unterschiedenen Subjectis gelehret, daß eine
Kranckheit ohne die andere, die Hectica ohne die
Phtisi, und die Phtisis ohne die Hectica seyn
könne. Eben so ärgerte ich mich, wenn mir
alte Weiber, so man mir vorgeschlagen, helffen,
und sie mit Lungen-Träncken aufgezogen und an-
marchiret kamen. Jhr Narren, sprach
ich, es fehlet mir ja in der Lunge nichts, ich
huste nicht, ich werffe ja nichts aus, einige
Schwäche und Drücken fühle ich auf der-
selben, und das ist alles. Lic Friderici
warnete mich auch vor solchen Artzneyen; denn

er
G g 5

von der Kranckheit faͤllten,
wegſpeyet, ſo ſpricht man, er hat die Lungen-
ſucht; und wenn ihm hingegen in der Lunge
nichts fehlet, aber doch wohl 6. Viertel-Jahr
da lieget, und wie ein Geruͤppe verdorret, ſo
ſagt man, er hat die Schwindſucht, oder ein
Schwindſuͤchtiges Fieber. Den Sommer zu-
vor, ſtarb allhier ein Uhrmacher, der, ſo viel ich
weiß, ſeine Lunge gantz geſund, und unverletzt
unter die Erde brachte, aber wie ein pures Sce-
leton
auf dem Sterbe-Bette lag, und die Zaͤhne
nicht mehr mit den Lippen bedecken kunte, auch
nicht ein halb Pfund Fleiſch mehr am Leibe hatte.
Das glaube ich wohl, daß zur Phtiſi und Lun-
genſucht manchmahl ein febris hectica zuſchla-
gen, oder daß die Hectica die Phtiſin nach ſich
ziehen kan; Die Erfahrung aber hat mich in
unterſchiedenen Subjectis gelehret, daß eine
Kranckheit ohne die andere, die Hectica ohne die
Phtiſi, und die Phtiſis ohne die Hectica ſeyn
koͤnne. Eben ſo aͤrgerte ich mich, wenn mir
alte Weiber, ſo man mir vorgeſchlagen, helffen,
und ſie mit Lungen-Traͤncken aufgezogen und an-
marchiret kamen. Jhr Narren, ſprach
ich, es fehlet mir ja in der Lunge nichts, ich
huſte nicht, ich werffe ja nichts aus, einige
Schwaͤche und Druͤcken fuͤhle ich auf der-
ſelben, und das iſt alles. Lic Friderici
warnete mich auch vor ſolchen Artzneyen; denn

er
G g 5
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[473/0519] von der Kranckheit faͤllten, wegſpeyet, ſo ſpricht man, er hat die Lungen- ſucht; und wenn ihm hingegen in der Lunge nichts fehlet, aber doch wohl 6. Viertel-Jahr da lieget, und wie ein Geruͤppe verdorret, ſo ſagt man, er hat die Schwindſucht, oder ein Schwindſuͤchtiges Fieber. Den Sommer zu- vor, ſtarb allhier ein Uhrmacher, der, ſo viel ich weiß, ſeine Lunge gantz geſund, und unverletzt unter die Erde brachte, aber wie ein pures Sce- leton auf dem Sterbe-Bette lag, und die Zaͤhne nicht mehr mit den Lippen bedecken kunte, auch nicht ein halb Pfund Fleiſch mehr am Leibe hatte. Das glaube ich wohl, daß zur Phtiſi und Lun- genſucht manchmahl ein febris hectica zuſchla- gen, oder daß die Hectica die Phtiſin nach ſich ziehen kan; Die Erfahrung aber hat mich in unterſchiedenen Subjectis gelehret, daß eine Kranckheit ohne die andere, die Hectica ohne die Phtiſi, und die Phtiſis ohne die Hectica ſeyn koͤnne. Eben ſo aͤrgerte ich mich, wenn mir alte Weiber, ſo man mir vorgeſchlagen, helffen, und ſie mit Lungen-Traͤncken aufgezogen und an- marchiret kamen. Jhr Narren, ſprach ich, es fehlet mir ja in der Lunge nichts, ich huſte nicht, ich werffe ja nichts aus, einige Schwaͤche und Druͤcken fuͤhle ich auf der- ſelben, und das iſt alles. Lic Friderici warnete mich auch vor ſolchen Artzneyen; denn er G g 5

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/519>, abgerufen am 29.06.2024.