Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

vor eine bloße Einbildung hielten,
ner Gegenwart mit ihm manchmahl zu schertzen
pflegte. Ob dieser den Herrn Doctor, oder ob
D. Drechsler ihn beredet, daß ich mich nur kranck
zu seyn einbildete, weiß ich nicht; so viel weiß
ich, daß alle beyde in dieser Meynung stunden,
und auch andere Leute damit einnahmen, mich
folgentlich bey denselben ridicül machten, und
vor einen malade imaginaire ausgaben. Mit
diesem irrigen Wahn hatten sie so viel andere
Leute eingenommen, daß auch nach der Zeit, alß
ich schon im Predigt-Amt war, und offters mit
allerhand Kranckheiten incommodiret, und
überhaupt kranck und schwächlich war, (weil ich,
wie oben gesaget, von derselben Zeit an, niemahls
in meinem Leben zur völligen Gesundheit wieder-
um gelanget,) einige so gar von meinen Patro-
nis
es gleichsam als eine gewisse Wahrheit ansa-
hen, daß ich mir nur einbildete, als ob ich kranck
wäre. Jch wolte mich einstens gegen Herr Su-
perintend
Dornfeld mit meiner Maladie und
Schwachheit entschuldigen, er beruffte sich aber
gleich darauf, daß eine gemeine Rede sey, und
die Leute sprächen, der Prediger in der Peters-
Kirchen bilde sich ein, er sey kranck; und dieß
sagte er mir noch dazu auf eine solche Weise, daß
er selbst darüber muste lachen, ja daß ich schließen
kunte, daß er mich selbst im Hertzen, als einen
Narren, auslachte, und von solchen Leuten mit

diesem

vor eine bloße Einbildung hielten,
ner Gegenwart mit ihm manchmahl zu ſchertzen
pflegte. Ob dieſer den Herrn Doctor, oder ob
D. Drechsler ihn beredet, daß ich mich nur kranck
zu ſeyn einbildete, weiß ich nicht; ſo viel weiß
ich, daß alle beyde in dieſer Meynung ſtunden,
und auch andere Leute damit einnahmen, mich
folgentlich bey denſelben ridicül machten, und
vor einen malade imaginaire ausgaben. Mit
dieſem irrigen Wahn hatten ſie ſo viel andere
Leute eingenommen, daß auch nach der Zeit, alß
ich ſchon im Predigt-Amt war, und offters mit
allerhand Kranckheiten incommodiret, und
uͤberhaupt kranck und ſchwaͤchlich war, (weil ich,
wie oben geſaget, von derſelben Zeit an, niemahls
in meinem Leben zur voͤlligen Geſundheit wieder-
um gelanget,) einige ſo gar von meinen Patro-
nis
es gleichſam als eine gewiſſe Wahrheit anſa-
hen, daß ich mir nur einbildete, als ob ich kranck
waͤre. Jch wolte mich einſtens gegen Herr Su-
perintend
Dornfeld mit meiner Maladie und
Schwachheit entſchuldigen, er beruffte ſich aber
gleich darauf, daß eine gemeine Rede ſey, und
die Leute ſpraͤchen, der Prediger in der Peters-
Kirchen bilde ſich ein, er ſey kranck; und dieß
ſagte er mir noch dazu auf eine ſolche Weiſe, daß
er ſelbſt daruͤber muſte lachen, ja daß ich ſchließen
kunte, daß er mich ſelbſt im Hertzen, als einen
Narren, auslachte, und von ſolchen Leuten mit

dieſem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0521" n="475"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">vor eine bloße Einbildung hielten,</hi></fw><lb/>
ner Gegenwart mit ihm manchmahl zu &#x017F;chertzen<lb/>
pflegte. Ob die&#x017F;er den Herrn <hi rendition="#aq">Doctor,</hi> oder ob<lb/><hi rendition="#aq">D.</hi> Drechsler ihn beredet, daß ich mich nur kranck<lb/>
zu &#x017F;eyn einbildete, weiß ich nicht; &#x017F;o viel weiß<lb/>
ich, daß alle beyde in die&#x017F;er Meynung &#x017F;tunden,<lb/>
und auch andere Leute damit einnahmen, mich<lb/>
folgentlich bey den&#x017F;elben <hi rendition="#aq">ridicül</hi> machten, und<lb/>
vor einen <hi rendition="#aq">malade imaginaire</hi> ausgaben. Mit<lb/>
die&#x017F;em irrigen Wahn hatten &#x017F;ie &#x017F;o viel andere<lb/>
Leute eingenommen, daß auch nach der Zeit, alß<lb/>
ich &#x017F;chon im Predigt-Amt war, und offters mit<lb/>
allerhand Kranckheiten <hi rendition="#aq">incommodi</hi>ret, und<lb/>
u&#x0364;berhaupt kranck und &#x017F;chwa&#x0364;chlich war, (weil ich,<lb/>
wie oben ge&#x017F;aget, von der&#x017F;elben Zeit an, niemahls<lb/>
in meinem Leben zur vo&#x0364;lligen Ge&#x017F;undheit wieder-<lb/>
um gelanget,) einige &#x017F;o gar von meinen <hi rendition="#aq">Patro-<lb/>
nis</hi> es gleich&#x017F;am als eine gewi&#x017F;&#x017F;e Wahrheit an&#x017F;a-<lb/>
hen, daß ich mir nur einbildete, als ob ich kranck<lb/>
wa&#x0364;re. Jch wolte mich ein&#x017F;tens gegen Herr <hi rendition="#aq">Su-<lb/>
perintend</hi> Dornfeld mit meiner <hi rendition="#aq">Maladie</hi> und<lb/>
Schwachheit ent&#x017F;chuldigen, er beruffte &#x017F;ich aber<lb/>
gleich darauf, daß eine gemeine Rede &#x017F;ey, und<lb/>
die Leute &#x017F;pra&#x0364;chen, der Prediger in der Peters-<lb/>
Kirchen bilde &#x017F;ich ein, er &#x017F;ey kranck; und dieß<lb/>
&#x017F;agte er mir noch dazu auf eine &#x017F;olche Wei&#x017F;e, daß<lb/>
er &#x017F;elb&#x017F;t daru&#x0364;ber mu&#x017F;te lachen, ja daß ich &#x017F;chließen<lb/>
kunte, daß er mich &#x017F;elb&#x017F;t im Hertzen, als einen<lb/>
Narren, auslachte, und von &#x017F;olchen Leuten mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die&#x017F;em</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[475/0521] vor eine bloße Einbildung hielten, ner Gegenwart mit ihm manchmahl zu ſchertzen pflegte. Ob dieſer den Herrn Doctor, oder ob D. Drechsler ihn beredet, daß ich mich nur kranck zu ſeyn einbildete, weiß ich nicht; ſo viel weiß ich, daß alle beyde in dieſer Meynung ſtunden, und auch andere Leute damit einnahmen, mich folgentlich bey denſelben ridicül machten, und vor einen malade imaginaire ausgaben. Mit dieſem irrigen Wahn hatten ſie ſo viel andere Leute eingenommen, daß auch nach der Zeit, alß ich ſchon im Predigt-Amt war, und offters mit allerhand Kranckheiten incommodiret, und uͤberhaupt kranck und ſchwaͤchlich war, (weil ich, wie oben geſaget, von derſelben Zeit an, niemahls in meinem Leben zur voͤlligen Geſundheit wieder- um gelanget,) einige ſo gar von meinen Patro- nis es gleichſam als eine gewiſſe Wahrheit anſa- hen, daß ich mir nur einbildete, als ob ich kranck waͤre. Jch wolte mich einſtens gegen Herr Su- perintend Dornfeld mit meiner Maladie und Schwachheit entſchuldigen, er beruffte ſich aber gleich darauf, daß eine gemeine Rede ſey, und die Leute ſpraͤchen, der Prediger in der Peters- Kirchen bilde ſich ein, er ſey kranck; und dieß ſagte er mir noch dazu auf eine ſolche Weiſe, daß er ſelbſt daruͤber muſte lachen, ja daß ich ſchließen kunte, daß er mich ſelbſt im Hertzen, als einen Narren, auslachte, und von ſolchen Leuten mit dieſem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/521
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/521>, abgerufen am 28.09.2024.