Zulauff des Volcks nach und nach einiger maßen gemindert. Wie ich schon gedacht, so war ich noch nicht völlig von derjenigen Kranck- heit, so ich oben beschrieben, restituiret, alß ich ins Amt kam. Der Kopff war schwach zum dencken, die Hand matt zum schreiben, und die Füße ungeschickt zum gehen. Zufälliger Weise, und wider mein Vermuthen wurde ich davon in kurtzem großen Theils befreyet. Jch merckte, daß, wenn ich geprediget, und im Predigen, sonderlich Nachmittage und Sommers- Zeit, ziemlich geschwitzet hatte, mir die Beine davon munter, und zum gehen hurtiger gemacht worden, da ich mich sonst allezeit vor dem vie- len Schwitzen, als vor etwas, das meinem Leibe schaden würde, gefürchtet hatte. Da ich einmahl hinter diß Geheimniß kommen war, so hatte ich so wenig Eckel vor dem Schwitzen, daß ich vielmehr mit Fleiß solches zu würcken, und zu verursachen suchte. Jch nahm mit Freuden Vesper-Predigten über mich, so offt ich es mit gutem Fug thun konte, und predigte mit Fleiß 6. bis 7. Viertel-Stunden, so un- angenehm es auch einigen wenigen Zuhörern seyn mochte, um desto besser zu schwitzen, und dadurch mein scorbutisches dickes Geblüte zu verdünnen. Eine Weile stund ich in einem großen Jrrthum, als ob ein Glaß Wein, das
ich
vom kraͤncklichen Leibe
Zulauff des Volcks nach und nach einiger maßen gemindert. Wie ich ſchon gedacht, ſo war ich noch nicht voͤllig von derjenigen Kranck- heit, ſo ich oben beſchrieben, reſtituiret, alß ich ins Amt kam. Der Kopff war ſchwach zum dencken, die Hand matt zum ſchreiben, und die Fuͤße ungeſchickt zum gehen. Zufaͤlliger Weiſe, und wider mein Vermuthen wurde ich davon in kurtzem großen Theils befreyet. Jch merckte, daß, wenn ich geprediget, und im Predigen, ſonderlich Nachmittage und Sommers- Zeit, ziemlich geſchwitzet hatte, mir die Beine davon munter, und zum gehen hurtiger gemacht worden, da ich mich ſonſt allezeit vor dem vie- len Schwitzen, als vor etwas, das meinem Leibe ſchaden wuͤrde, gefuͤrchtet hatte. Da ich einmahl hinter diß Geheimniß kommen war, ſo hatte ich ſo wenig Eckel vor dem Schwitzen, daß ich vielmehr mit Fleiß ſolches zu wuͤrcken, und zu verurſachen ſuchte. Jch nahm mit Freuden Veſper-Predigten uͤber mich, ſo offt ich es mit gutem Fug thun konte, und predigte mit Fleiß 6. bis 7. Viertel-Stunden, ſo un- angenehm es auch einigen wenigen Zuhoͤrern ſeyn mochte, um deſto beſſer zu ſchwitzen, und dadurch mein ſcorbutiſches dickes Gebluͤte zu verduͤnnen. Eine Weile ſtund ich in einem großen Jrrthum, als ob ein Glaß Wein, das
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vom kraͤncklichen Leibe
Zulauff des Volcks nach und nach einiger maßen
gemindert. Wie ich ſchon gedacht, ſo war
ich noch nicht voͤllig von derjenigen Kranck-
heit, ſo ich oben beſchrieben, reſtituiret, alß ich
ins Amt kam. Der Kopff war ſchwach zum
dencken, die Hand matt zum ſchreiben, und
die Fuͤße ungeſchickt zum gehen. Zufaͤlliger
Weiſe, und wider mein Vermuthen wurde ich
davon in kurtzem großen Theils befreyet.
Jch merckte, daß, wenn ich geprediget, und im
Predigen, ſonderlich Nachmittage und Sommers-
Zeit, ziemlich geſchwitzet hatte, mir die Beine
davon munter, und zum gehen hurtiger gemacht
worden, da ich mich ſonſt allezeit vor dem vie-
len Schwitzen, als vor etwas, das meinem
Leibe ſchaden wuͤrde, gefuͤrchtet hatte. Da
ich einmahl hinter diß Geheimniß kommen war,
ſo hatte ich ſo wenig Eckel vor dem Schwitzen,
daß ich vielmehr mit Fleiß ſolches zu wuͤrcken,
und zu verurſachen ſuchte. Jch nahm mit
Freuden Veſper-Predigten uͤber mich, ſo offt
ich es mit gutem Fug thun konte, und predigte
mit Fleiß 6. bis 7. Viertel-Stunden, ſo un-
angenehm es auch einigen wenigen Zuhoͤrern
ſeyn mochte, um deſto beſſer zu ſchwitzen, und
dadurch mein ſcorbutiſches dickes Gebluͤte zu
verduͤnnen. Eine Weile ſtund ich in einem
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/614>, abgerufen am 29.09.2024.
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