Mittel allein überwunden hätten, und daß die- selben also mit Hunger und Durst nicht zu ver- gleichen wären, so müssen diese Begierden nicht starck, und nicht Begierden eines krancken und verdorbenen Leibes gewesen seyn, gleichwie auch nicht ein ieder Hunger und Durst starck und hefftig ist, sondern mit Studiren, und andern Gedancken auf eine Weile kan vertrieben und unterdrückt werden.
Nun wurde der arme Mensch schlüßig, sein Amt gar aufzugeben, und nach Holland zu gehen, damit er zu seinem Zwecke gelangen, und heyrathen könte. Er kam deßhalben zu mir, und fragte mich um einen Rath. Hier übereilte ich mich nun, und rieth ihm abermahl, niemanden erst darüber zu consuliren, weil er auch darinnen allen Widerspruch antreffen dürffte, der ihm das Haupt nur noch schwä- cher, und der Sorgen mehr machen möchte. Jch meynte es zwar gut in diesem Stücke mit ihm; denn ich befürchtete, es möchte eine Verwirrung des Gemüths in ihm entstehen, wenn man ihn seinen Entschluß zu ändern würde veranlaßen wollen; allein das Hertze schlug mir doch hernach gleich, alß ich ihm diesen Ein- schlag gegeben, und ich ihn mit diesem Rathe von mir gelaßen hatte. Denn ob ich ihm schon zugleich auch anlag, daß er zum wenigsten
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ſein Amt aufzugeben,
Mittel allein uͤberwunden haͤtten, und daß die- ſelben alſo mit Hunger und Durſt nicht zu ver- gleichen waͤren, ſo muͤſſen dieſe Begierden nicht ſtarck, und nicht Begierden eines krancken und verdorbenen Leibes geweſen ſeyn, gleichwie auch nicht ein ieder Hunger und Durſt ſtarck und hefftig iſt, ſondern mit Studiren, und andern Gedancken auf eine Weile kan vertrieben und unterdruͤckt werden.
Nun wurde der arme Menſch ſchluͤßig, ſein Amt gar aufzugeben, und nach Holland zu gehen, damit er zu ſeinem Zwecke gelangen, und heyrathen koͤnte. Er kam deßhalben zu mir, und fragte mich um einen Rath. Hier uͤbereilte ich mich nun, und rieth ihm abermahl, niemanden erſt daruͤber zu conſuliren, weil er auch darinnen allen Widerſpruch antreffen duͤrffte, der ihm das Haupt nur noch ſchwaͤ- cher, und der Sorgen mehr machen moͤchte. Jch meynte es zwar gut in dieſem Stuͤcke mit ihm; denn ich befuͤrchtete, es moͤchte eine Verwirrung des Gemuͤths in ihm entſtehen, wenn man ihn ſeinen Entſchluß zu aͤndern wuͤrde veranlaßen wollen; allein das Hertze ſchlug mir doch hernach gleich, alß ich ihm dieſen Ein- ſchlag gegeben, und ich ihn mit dieſem Rathe von mir gelaßen hatte. Denn ob ich ihm ſchon zugleich auch anlag, daß er zum wenigſten
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ſein Amt aufzugeben,
Mittel allein uͤberwunden haͤtten, und daß die-
ſelben alſo mit Hunger und Durſt nicht zu ver-
gleichen waͤren, ſo muͤſſen dieſe Begierden nicht
ſtarck, und nicht Begierden eines krancken und
verdorbenen Leibes geweſen ſeyn, gleichwie
auch nicht ein ieder Hunger und Durſt ſtarck
und hefftig iſt, ſondern mit Studiren, und andern
Gedancken auf eine Weile kan vertrieben und
unterdruͤckt werden.
Nun wurde der arme Menſch ſchluͤßig,
ſein Amt gar aufzugeben, und nach Holland zu
gehen, damit er zu ſeinem Zwecke gelangen,
und heyrathen koͤnte. Er kam deßhalben zu
mir, und fragte mich um einen Rath. Hier
uͤbereilte ich mich nun, und rieth ihm abermahl,
niemanden erſt daruͤber zu conſuliren, weil er
auch darinnen allen Widerſpruch antreffen
duͤrffte, der ihm das Haupt nur noch ſchwaͤ-
cher, und der Sorgen mehr machen moͤchte.
Jch meynte es zwar gut in dieſem Stuͤcke mit
ihm; denn ich befuͤrchtete, es moͤchte eine
Verwirrung des Gemuͤths in ihm entſtehen,
wenn man ihn ſeinen Entſchluß zu aͤndern wuͤrde
veranlaßen wollen; allein das Hertze ſchlug
mir doch hernach gleich, alß ich ihm dieſen Ein-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/645>, abgerufen am 29.09.2024.
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