Hauptes entstund nun das andere mahl in mei- nem Leben im Gehirne schnelle das Bild von der Selbstberaubung meines Lebens, und dar- auf die Einbildung, und Furcht, das zu thun, wovor ich den grösten Abscheu hatte. Die Einbildung war insonderheit gerichtet auf den zukünfftigen Sonnabend, als den Sonnabend vor Palmarum, wenn ich Sonntags drauf würde predigen sollen. Diese Gedancken setzten mir hefftig zu, und ließen mich die gantze Woche zu keiner Ruhe kommen. Die ersten Anfälle ge- schahen gleich Montags nach dem Sonntag Judica, denen ich zwar durch einen Spatzier- Gang in die freye Lufft zu begegnen suchte; allein derselbe lieff gar unglücklich vor mich ab, so daß das Ubel dadurch mehr vegrößert, als vermindert wurde. Jch gieng nach Linckel früh um 9. Uhr, wo ich vor diesem mehrmahlen gewesen war. Jn tieffen Gedancken nahm ich den Weg durch den Hof des Wirthshauses; indem ich aber aus Unachtsamkeit mich nicht nach dem Hunde im Hofe, und dessen Hütte umsehe, so gehe ich, um den bösen Weg zu ver- meiden, harte bey derselben vorbey, und werde unversehends vom Hunde, der aus der Hütten sprang, angefallen, daß ich nicht anders mey- nete, ich müste vor Schrecken des Todes seyn. Alle Glieder im Leibe zitterten, und bebeten mir,
und
ſchmaͤhlichen Todes beſtand;
Hauptes entſtund nun das andere mahl in mei- nem Leben im Gehirne ſchnelle das Bild von der Selbſtberaubung meines Lebens, und dar- auf die Einbildung, und Furcht, das zu thun, wovor ich den groͤſten Abſcheu hatte. Die Einbildung war inſonderheit gerichtet auf den zukuͤnfftigen Sonnabend, als den Sonnabend vor Palmarum, wenn ich Sonntags drauf wuͤrde predigen ſollen. Dieſe Gedancken ſetzten mir hefftig zu, und ließen mich die gantze Woche zu keiner Ruhe kommen. Die erſten Anfaͤlle ge- ſchahen gleich Montags nach dem Sonntag Judica, denen ich zwar durch einen Spatzier- Gang in die freye Lufft zu begegnen ſuchte; allein derſelbe lieff gar ungluͤcklich vor mich ab, ſo daß das Ubel dadurch mehr vegroͤßert, als vermindert wurde. Jch gieng nach Linckel fruͤh um 9. Uhr, wo ich vor dieſem mehrmahlen geweſen war. Jn tieffen Gedancken nahm ich den Weg durch den Hof des Wirthshauſes; indem ich aber aus Unachtſamkeit mich nicht nach dem Hunde im Hofe, und deſſen Huͤtte umſehe, ſo gehe ich, um den boͤſen Weg zu ver- meiden, harte bey derſelben vorbey, und werde unverſehends vom Hunde, der aus der Huͤtten ſprang, angefallen, daß ich nicht anders mey- nete, ich muͤſte vor Schrecken des Todes ſeyn. Alle Glieder im Leibe zitterten, und bebeten mir,
und
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ſchmaͤhlichen Todes beſtand;
Hauptes entſtund nun das andere mahl in mei-
nem Leben im Gehirne ſchnelle das Bild von
der Selbſtberaubung meines Lebens, und dar-
auf die Einbildung, und Furcht, das zu thun,
wovor ich den groͤſten Abſcheu hatte. Die
Einbildung war inſonderheit gerichtet auf den
zukuͤnfftigen Sonnabend, als den Sonnabend
vor Palmarum, wenn ich Sonntags drauf wuͤrde
predigen ſollen. Dieſe Gedancken ſetzten mir
hefftig zu, und ließen mich die gantze Woche zu
keiner Ruhe kommen. Die erſten Anfaͤlle ge-
ſchahen gleich Montags nach dem Sonntag
Judica, denen ich zwar durch einen Spatzier-
Gang in die freye Lufft zu begegnen ſuchte;
allein derſelbe lieff gar ungluͤcklich vor mich ab,
ſo daß das Ubel dadurch mehr vegroͤßert, als
vermindert wurde. Jch gieng nach Linckel
fruͤh um 9. Uhr, wo ich vor dieſem mehrmahlen
geweſen war. Jn tieffen Gedancken nahm ich
den Weg durch den Hof des Wirthshauſes;
indem ich aber aus Unachtſamkeit mich nicht
nach dem Hunde im Hofe, und deſſen Huͤtte
umſehe, ſo gehe ich, um den boͤſen Weg zu ver-
meiden, harte bey derſelben vorbey, und werde
unverſehends vom Hunde, der aus der Huͤtten
ſprang, angefallen, daß ich nicht anders mey-
nete, ich muͤſte vor Schrecken des Todes ſeyn.
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/674>, abgerufen am 22.11.2024.
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