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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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auf sein Bitten und Flehen
scheuete. Jn Wahren fand ich nichts zu
essen. Zur Noth richteten sie mir eine Brat-
wurst zu, welche aber so gesaltzen, und gepfeffert
war, daß ich sie nicht essen kunte; und das Bier,
weil es noch jung war, war voller Hefen, so daß
ich meinem Leibe dadurch eine schlechte Güte
that. Zu allem Unglücke kommt noch ein
Junge in die Schencke, der närrisch ist; und ich
hatte alle Noth, ehe ich es durch die Leute im
Wirthshause dahin brachte, daß sie mir den Jun-
gen hinweg, und vom Halse schafften, weil ich
dergleichen Leute nicht vertragen kan, und solche
niemals weniger zu ertragen sind, als wo das
Gemüthe durch andere hefftige Affecten schon
zerrüttet, und geschwächet worden. Am grünen
Donnerstage hatte ich Anno 1704. in der Niclas-
Kirche durch die Predigt des Herrn M. Weisens,
wie oben gedacht, einigen Trost und Stärckung
ins Hertze bekommen: und der gegenwärtige
grüne Donnerstag war auch schier so beschaffen.
Alß ich nach der Kirchen nach Hause kam, von
Angst und Furcht gantz ausgemergelt, warff ich
mich auf die Knie, und dachte: ich will nicht
eher aufstehen, bis mich GOtt erhöret.

Jch redete mit GOtt, und schüttete mein gan-
tzes Hertze aus, schier wie Juda, alß er bey Joseph
vor seinen Bruder Benjamin intercedirte; und
es fehlte nicht viel, so hätte sich GOtt nicht län-

ger

auf ſein Bitten und Flehen
ſcheuete. Jn Wahren fand ich nichts zu
eſſen. Zur Noth richteten ſie mir eine Brat-
wurſt zu, welche aber ſo geſaltzen, und gepfeffert
war, daß ich ſie nicht eſſen kunte; und das Bier,
weil es noch jung war, war voller Hefen, ſo daß
ich meinem Leibe dadurch eine ſchlechte Guͤte
that. Zu allem Ungluͤcke kommt noch ein
Junge in die Schencke, der naͤrriſch iſt; und ich
hatte alle Noth, ehe ich es durch die Leute im
Wirthshauſe dahin brachte, daß ſie mir den Jun-
gen hinweg, und vom Halſe ſchafften, weil ich
dergleichen Leute nicht vertragen kan, und ſolche
niemals weniger zu ertragen ſind, als wo das
Gemuͤthe durch andere hefftige Affecten ſchon
zerruͤttet, und geſchwaͤchet worden. Am gruͤnen
Donnerſtage hatte ich Anno 1704. in der Niclas-
Kirche durch die Predigt des Herrn M. Weiſens,
wie oben gedacht, einigen Troſt und Staͤrckung
ins Hertze bekommen: und der gegenwaͤrtige
gruͤne Donnerſtag war auch ſchier ſo beſchaffen.
Alß ich nach der Kirchen nach Hauſe kam, von
Angſt und Furcht gantz ausgemergelt, warff ich
mich auf die Knie, und dachte: ich will nicht
eher aufſtehen, bis mich GOtt erhoͤret.

Jch redete mit GOtt, und ſchuͤttete mein gan-
tzes Hertze aus, ſchier wie Juda, alß er bey Joſeph
vor ſeinen Bruder Benjamin intercedirte; und
es fehlte nicht viel, ſo haͤtte ſich GOtt nicht laͤn-

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[632/0678] auf ſein Bitten und Flehen ſcheuete. Jn Wahren fand ich nichts zu eſſen. Zur Noth richteten ſie mir eine Brat- wurſt zu, welche aber ſo geſaltzen, und gepfeffert war, daß ich ſie nicht eſſen kunte; und das Bier, weil es noch jung war, war voller Hefen, ſo daß ich meinem Leibe dadurch eine ſchlechte Guͤte that. Zu allem Ungluͤcke kommt noch ein Junge in die Schencke, der naͤrriſch iſt; und ich hatte alle Noth, ehe ich es durch die Leute im Wirthshauſe dahin brachte, daß ſie mir den Jun- gen hinweg, und vom Halſe ſchafften, weil ich dergleichen Leute nicht vertragen kan, und ſolche niemals weniger zu ertragen ſind, als wo das Gemuͤthe durch andere hefftige Affecten ſchon zerruͤttet, und geſchwaͤchet worden. Am gruͤnen Donnerſtage hatte ich Anno 1704. in der Niclas- Kirche durch die Predigt des Herrn M. Weiſens, wie oben gedacht, einigen Troſt und Staͤrckung ins Hertze bekommen: und der gegenwaͤrtige gruͤne Donnerſtag war auch ſchier ſo beſchaffen. Alß ich nach der Kirchen nach Hauſe kam, von Angſt und Furcht gantz ausgemergelt, warff ich mich auf die Knie, und dachte: ich will nicht eher aufſtehen, bis mich GOtt erhoͤret. Jch redete mit GOtt, und ſchuͤttete mein gan- tzes Hertze aus, ſchier wie Juda, alß er bey Joſeph vor ſeinen Bruder Benjamin intercedirte; und es fehlte nicht viel, ſo haͤtte ſich GOtt nicht laͤn- ger

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/678>, abgerufen am 22.11.2024.