sem betrübten Jahre bey schwachen Haupte in vielen Sonntagen was gewöhnliches war, und mich zum sitzen nöthigte. Die Predigt gieng mir gut vom Munde, so daß auch einige Zu- hörer ihr Vergnügen darüber bezeugeten, und wunder meyneten, wie wohl ich darauf müste studirt haben. Jch dachte aber: ihr guten Leute, wenn ihr wissen soltet, wie mir diese Woche zu Muthe gewesen, ihr wür- det wohl am längsten zu mir in die Pre- digt gekommen seyn. Nach der Predigt hatte ich, wie ieder leicht dencken kan, einen recht freudigen, und mit stetem Frohlocken des Hertzens angefüllten Tag; denn ich sahe frey- lich dieses alles, als eine besondere Gnade von GOtt an, daß ich bey dieser Kranckheit nicht umgekommen, und daß mich das Ubel nicht be- troffen, so ich gefürchtet, und mir eingebildet. Jch wolte immer bald den Palm-Sonntag, bald den Char-Freytag aussetzen, und hatte deßwegen den unsäglichsten Streit bey mir im Gemüthe; GOtt aber sey Danck, daß ich sol- ches nicht gethan, sondern die Resolution end- lich ergriff, und bey mir dachte; es mag ge- hen, wie es will, ich will predigen, und wenn alle Teufel wider mich stritten: falle ich des Nachtes, so falle ich, genug daß ich weiß, daß solches mit Wissen und Willen
nimmer-
die Marter-Woche gluͤcklich
ſem betruͤbten Jahre bey ſchwachen Haupte in vielen Sonntagen was gewoͤhnliches war, und mich zum ſitzen noͤthigte. Die Predigt gieng mir gut vom Munde, ſo daß auch einige Zu- hoͤrer ihr Vergnuͤgen daruͤber bezeugeten, und wunder meyneten, wie wohl ich darauf muͤſte ſtudirt haben. Jch dachte aber: ihr guten Leute, wenn ihr wiſſen ſoltet, wie mir dieſe Woche zu Muthe geweſen, ihr wuͤr- det wohl am laͤngſten zu mir in die Pre- digt gekommen ſeyn. Nach der Predigt hatte ich, wie ieder leicht dencken kan, einen recht freudigen, und mit ſtetem Frohlocken des Hertzens angefuͤllten Tag; denn ich ſahe frey- lich dieſes alles, als eine beſondere Gnade von GOtt an, daß ich bey dieſer Kranckheit nicht umgekommen, und daß mich das Ubel nicht be- troffen, ſo ich gefuͤrchtet, und mir eingebildet. Jch wolte immer bald den Palm-Sonntag, bald den Char-Freytag ausſetzen, und hatte deßwegen den unſaͤglichſten Streit bey mir im Gemuͤthe; GOtt aber ſey Danck, daß ich ſol- ches nicht gethan, ſondern die Reſolution end- lich ergriff, und bey mir dachte; es mag ge- hen, wie es will, ich will predigen, und wenn alle Teufel wider mich ſtritten: falle ich des Nachtes, ſo falle ich, genug daß ich weiß, daß ſolches mit Wiſſen und Willen
nimmer-
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die Marter-Woche gluͤcklich
ſem betruͤbten Jahre bey ſchwachen Haupte in
vielen Sonntagen was gewoͤhnliches war, und
mich zum ſitzen noͤthigte. Die Predigt gieng
mir gut vom Munde, ſo daß auch einige Zu-
hoͤrer ihr Vergnuͤgen daruͤber bezeugeten, und
wunder meyneten, wie wohl ich darauf muͤſte
ſtudirt haben. Jch dachte aber: ihr guten
Leute, wenn ihr wiſſen ſoltet, wie mir
dieſe Woche zu Muthe geweſen, ihr wuͤr-
det wohl am laͤngſten zu mir in die Pre-
digt gekommen ſeyn. Nach der Predigt
hatte ich, wie ieder leicht dencken kan, einen
recht freudigen, und mit ſtetem Frohlocken des
Hertzens angefuͤllten Tag; denn ich ſahe frey-
lich dieſes alles, als eine beſondere Gnade von
GOtt an, daß ich bey dieſer Kranckheit nicht
umgekommen, und daß mich das Ubel nicht be-
troffen, ſo ich gefuͤrchtet, und mir eingebildet.
Jch wolte immer bald den Palm-Sonntag,
bald den Char-Freytag ausſetzen, und hatte
deßwegen den unſaͤglichſten Streit bey mir im
Gemuͤthe; GOtt aber ſey Danck, daß ich ſol-
ches nicht gethan, ſondern die Reſolution end-
lich ergriff, und bey mir dachte; es mag ge-
hen, wie es will, ich will predigen, und
wenn alle Teufel wider mich ſtritten: falle
ich des Nachtes, ſo falle ich, genug daß ich
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/681>, abgerufen am 21.11.2024.
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