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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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und nach ausgestandner Angst
geblieben war. Nun hatte ich mich wohl in
diesem Stücke gewaltig im urtheilen vergangen;
denn der Lebigüner, weil er ein kühlend Ge-
träncke ist, hemmete vielmehr den Schlaf; wie
denn insgemein die braunen Biere mehr narco-
ti
sche und Schlaf-machende Krafft bey sich ha-
ben; gleichwohl aber hörete die Aengstlichkeit und
Bangigkeit im Hertzen, und die Hitze im Hau-
pte auf, so daß ich die gantze Nacht in einer In-
difference
und Gleichgültigkeit ohne Schlaf da
lag, und weder Trost noch Angst, weder Furcht
noch Hoffnung hatte, und in so weit doch froh
war, daß ich nicht schlief; denn so durffte ich
nicht fürchten, daß ich im Schlafe, und ohne
mein Wissen und Willen thun würde, was biß-
her meine tägliche Furcht gewesen war. Jm
Char-Freytag predigte ich über das 53. Capitel
Esaiae ohne Disposition, dergleichen zu machen
meine Plage mir nicht genug Kräffte gegeben
hatte. Jch erklärte das Capitel von Wort zu
Wort, und streuete erbauliche Betrachtungen
hier und da mit ein, so gut sie mir in solcher
Noth einfielen; muste aber die gantze Predigt
vor Mattigkeit sitzen, und unter andern auch zu
dem Ende, damit mich nicht eine andere Idee,
weil die Cantzel niedrig ist, und der Prediger
hoch über der Cantzel wegstehet, perturbiren,
und irre machen möchte; dergleichen Idee in die-

sem

und nach ausgeſtandner Angſt
geblieben war. Nun hatte ich mich wohl in
dieſem Stuͤcke gewaltig im urtheilen vergangen;
denn der Lebiguͤner, weil er ein kuͤhlend Ge-
traͤncke iſt, hemmete vielmehr den Schlaf; wie
denn insgemein die braunen Biere mehr narco-
ti
ſche und Schlaf-machende Krafft bey ſich ha-
ben; gleichwohl aber hoͤrete die Aengſtlichkeit und
Bangigkeit im Hertzen, und die Hitze im Hau-
pte auf, ſo daß ich die gantze Nacht in einer In-
difference
und Gleichguͤltigkeit ohne Schlaf da
lag, und weder Troſt noch Angſt, weder Furcht
noch Hoffnung hatte, und in ſo weit doch froh
war, daß ich nicht ſchlief; denn ſo durffte ich
nicht fuͤrchten, daß ich im Schlafe, und ohne
mein Wiſſen und Willen thun wuͤrde, was biß-
her meine taͤgliche Furcht geweſen war. Jm
Char-Freytag predigte ich uͤber das 53. Capitel
Eſaiæ ohne Diſpoſition, dergleichen zu machen
meine Plage mir nicht genug Kraͤffte gegeben
hatte. Jch erklaͤrte das Capitel von Wort zu
Wort, und ſtreuete erbauliche Betrachtungen
hier und da mit ein, ſo gut ſie mir in ſolcher
Noth einfielen; muſte aber die gantze Predigt
vor Mattigkeit ſitzen, und unter andern auch zu
dem Ende, damit mich nicht eine andere Idée,
weil die Cantzel niedrig iſt, und der Prediger
hoch uͤber der Cantzel wegſtehet, perturbiren,
und irre machen moͤchte; dergleichen Idée in die-

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[634/0680] und nach ausgeſtandner Angſt geblieben war. Nun hatte ich mich wohl in dieſem Stuͤcke gewaltig im urtheilen vergangen; denn der Lebiguͤner, weil er ein kuͤhlend Ge- traͤncke iſt, hemmete vielmehr den Schlaf; wie denn insgemein die braunen Biere mehr narco- tiſche und Schlaf-machende Krafft bey ſich ha- ben; gleichwohl aber hoͤrete die Aengſtlichkeit und Bangigkeit im Hertzen, und die Hitze im Hau- pte auf, ſo daß ich die gantze Nacht in einer In- difference und Gleichguͤltigkeit ohne Schlaf da lag, und weder Troſt noch Angſt, weder Furcht noch Hoffnung hatte, und in ſo weit doch froh war, daß ich nicht ſchlief; denn ſo durffte ich nicht fuͤrchten, daß ich im Schlafe, und ohne mein Wiſſen und Willen thun wuͤrde, was biß- her meine taͤgliche Furcht geweſen war. Jm Char-Freytag predigte ich uͤber das 53. Capitel Eſaiæ ohne Diſpoſition, dergleichen zu machen meine Plage mir nicht genug Kraͤffte gegeben hatte. Jch erklaͤrte das Capitel von Wort zu Wort, und ſtreuete erbauliche Betrachtungen hier und da mit ein, ſo gut ſie mir in ſolcher Noth einfielen; muſte aber die gantze Predigt vor Mattigkeit ſitzen, und unter andern auch zu dem Ende, damit mich nicht eine andere Idée, weil die Cantzel niedrig iſt, und der Prediger hoch uͤber der Cantzel wegſtehet, perturbiren, und irre machen moͤchte; dergleichen Idée in die- ſem

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 634. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/680>, abgerufen am 21.11.2024.