das Hinuntersteigen. Jch hielt einigen Studio- sis in der Peters-Kirche ein Collegium Homile- tico-Practicum. Mein Stand in der Kirche war nahe bey der Cantzel, wo ich mein Gutach- ten über die gehaltene Predigt zu ertheilen pflegte. Es predigte einst ein Studiosus, der eine schwache Stimme hatte, und ich werde begierig zu erfah- ren, ob man ihn auch in der Ferne würde verste- hen und vernehmen können: vergesse aber mei- ner selbst, und gehe aus meinem Stande bis vorne hin, der Cantzel gegen über, wo der Sei- ger stehet. Ehe ich michs aber versehe, so werde ich von meinem innerlichen Ubel angefallen, und ich gerathe in tausend Jammer, und unsäglichen Kummer, wie ich wieder zur Cantzel hin den lan- gen Weg kommen will. Wolte ich mit mähli- gem nur ein, oder zwey Schritte mich sachte nä- hern, so wurde mir seltsamer, und schlimmer. Endlich muste ich es auf GOtt lassen ankommen, und schritt so schnelle zu, bis ich wieder in meinen Stand kam, so daß die Membra Collegii sich nothwendig wundern, und dencken müssen, was mich doch zu diesem schnellen Gange, der schier einem Lauffen ähnlich sahe, müsse beweget haben.
Weil durch Motion und Bewegung das Ubel geschwächt wurde, wie ich alsbald an mir wahrnehmen kunte, so entschloß ich mich Mon- tags nach dem I. post Trinitatis einen Spatzier-
gang
S s 2
Doch waren dieſe nicht
das Hinunterſteigen. Jch hielt einigen Studio- ſis in der Peters-Kirche ein Collegium Homile- tico-Practicum. Mein Stand in der Kirche war nahe bey der Cantzel, wo ich mein Gutach- ten uͤber die gehaltene Predigt zu ertheilen pflegte. Es predigte einſt ein Studioſus, der eine ſchwache Stimme hatte, und ich werde begierig zu erfah- ren, ob man ihn auch in der Ferne wuͤrde verſte- hen und vernehmen koͤnnen: vergeſſe aber mei- ner ſelbſt, und gehe aus meinem Stande bis vorne hin, der Cantzel gegen uͤber, wo der Sei- ger ſtehet. Ehe ich michs aber verſehe, ſo werde ich von meinem innerlichen Ubel angefallen, und ich gerathe in tauſend Jammer, und unſaͤglichen Kummer, wie ich wieder zur Cantzel hin den lan- gen Weg kommen will. Wolte ich mit maͤhli- gem nur ein, oder zwey Schritte mich ſachte naͤ- hern, ſo wurde mir ſeltſamer, und ſchlimmer. Endlich muſte ich es auf GOtt laſſen ankommen, und ſchritt ſo ſchnelle zu, bis ich wieder in meinen Stand kam, ſo daß die Membra Collegii ſich nothwendig wundern, und dencken muͤſſen, was mich doch zu dieſem ſchnellen Gange, der ſchier einem Lauffen aͤhnlich ſahe, muͤſſe beweget haben.
Weil durch Motion und Bewegung das Ubel geſchwaͤcht wurde, wie ich alsbald an mir wahrnehmen kunte, ſo entſchloß ich mich Mon- tags nach dem I. poſt Trinitatis einen Spatzier-
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Doch waren dieſe nicht
das Hinunterſteigen. Jch hielt einigen Studio-
ſis in der Peters-Kirche ein Collegium Homile-
tico-Practicum. Mein Stand in der Kirche
war nahe bey der Cantzel, wo ich mein Gutach-
ten uͤber die gehaltene Predigt zu ertheilen pflegte.
Es predigte einſt ein Studioſus, der eine ſchwache
Stimme hatte, und ich werde begierig zu erfah-
ren, ob man ihn auch in der Ferne wuͤrde verſte-
hen und vernehmen koͤnnen: vergeſſe aber mei-
ner ſelbſt, und gehe aus meinem Stande bis
vorne hin, der Cantzel gegen uͤber, wo der Sei-
ger ſtehet. Ehe ich michs aber verſehe, ſo werde
ich von meinem innerlichen Ubel angefallen, und
ich gerathe in tauſend Jammer, und unſaͤglichen
Kummer, wie ich wieder zur Cantzel hin den lan-
gen Weg kommen will. Wolte ich mit maͤhli-
gem nur ein, oder zwey Schritte mich ſachte naͤ-
hern, ſo wurde mir ſeltſamer, und ſchlimmer.
Endlich muſte ich es auf GOtt laſſen ankommen,
und ſchritt ſo ſchnelle zu, bis ich wieder in meinen
Stand kam, ſo daß die Membra Collegii ſich
nothwendig wundern, und dencken muͤſſen, was
mich doch zu dieſem ſchnellen Gange, der ſchier
einem Lauffen aͤhnlich ſahe, muͤſſe beweget haben.
Weil durch Motion und Bewegung das
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/689>, abgerufen am 21.11.2024.
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