gang vorzunehmen. Jch gieng also zur Wind- mühl-Gasse hinaus, in Willens nach Wage zu gehen, und diß mit allem Fleiß, weil ich durch den weiten Weg desto besser Motion ma- chen, und auch durch schwitzen mir eine Güte thun möchte; indem vielfältigmahl durch schwi- tzen, wenn es ohne Artzney, und durch bloße Be- wegung des Leibes geschehen, ich meine Zufälle erträglicher, und erleidlicher gemacht. Allein diesesmahl kam ich sehr übel an. Jch hatte diesen einsamen Weg, auf welchem vielfältig- mahl weder Mensch, noch Hund anzutreffen, mir auserlesen, um desto beßer im gehen medi- tiren zu können; allein, da ich schon ziemlich weit von der Stadt entfernet war, so fieng an mein Ubel rege zu werden, und in kurtzem schlug die Furcht zu, daß auf diesem Wege kein einiger Mensch zu finden wäre, der mir könte beysprin- gen, wenn das Ubel überhand nehmen solte. Was das vor ein erbärmlicher, ängstlicher Weg gewesen, und wie ich mit Furcht und Hoffnung gerungen, nachdem das Ubel bald nachließ, bald wieder anband, daran werde ich mein leb- tage gedencken; doch aber auch nicht gar zu umständlich, denn meine schwache Imagination erlaubt mir anders nicht, als nur summarisch und überhaupt an die Gefährlichkeiten zu den- cken, in welchen ich gestecket, und aus welchen
mich
faͤhig ſie zu vertreiben,
gang vorzunehmen. Jch gieng alſo zur Wind- muͤhl-Gaſſe hinaus, in Willens nach Wage zu gehen, und diß mit allem Fleiß, weil ich durch den weiten Weg deſto beſſer Motion ma- chen, und auch durch ſchwitzen mir eine Guͤte thun moͤchte; indem vielfaͤltigmahl durch ſchwi- tzen, wenn es ohne Artzney, und durch bloße Be- wegung des Leibes geſchehen, ich meine Zufaͤlle ertraͤglicher, und erleidlicher gemacht. Allein dieſesmahl kam ich ſehr uͤbel an. Jch hatte dieſen einſamen Weg, auf welchem vielfaͤltig- mahl weder Menſch, noch Hund anzutreffen, mir auserleſen, um deſto beßer im gehen medi- tiren zu koͤnnen; allein, da ich ſchon ziemlich weit von der Stadt entfernet war, ſo fieng an mein Ubel rege zu werden, und in kurtzem ſchlug die Furcht zu, daß auf dieſem Wege kein einiger Menſch zu finden waͤre, der mir koͤnte beyſprin- gen, wenn das Ubel uͤberhand nehmen ſolte. Was das vor ein erbaͤrmlicher, aͤngſtlicher Weg geweſen, und wie ich mit Furcht und Hoffnung gerungen, nachdem das Ubel bald nachließ, bald wieder anband, daran werde ich mein leb- tage gedencken; doch aber auch nicht gar zu umſtaͤndlich, denn meine ſchwache Imagination erlaubt mir anders nicht, als nur ſummariſch und uͤberhaupt an die Gefaͤhrlichkeiten zu den- cken, in welchen ich geſtecket, und aus welchen
mich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0690"n="644"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">faͤhig ſie zu vertreiben,</hi></fw><lb/>
gang vorzunehmen. Jch gieng alſo zur Wind-<lb/>
muͤhl-Gaſſe hinaus, in Willens nach <hirendition="#fr">Wage</hi><lb/>
zu gehen, und diß mit allem Fleiß, weil ich<lb/>
durch den weiten Weg deſto beſſer <hirendition="#aq">Motion</hi> ma-<lb/>
chen, und auch durch ſchwitzen mir eine Guͤte<lb/>
thun moͤchte; indem vielfaͤltigmahl durch ſchwi-<lb/>
tzen, wenn es ohne Artzney, und durch bloße Be-<lb/>
wegung des Leibes geſchehen, ich meine Zufaͤlle<lb/>
ertraͤglicher, und erleidlicher gemacht. Allein<lb/>
dieſesmahl kam ich ſehr uͤbel an. Jch hatte<lb/>
dieſen einſamen Weg, auf welchem vielfaͤltig-<lb/>
mahl weder Menſch, noch Hund anzutreffen,<lb/>
mir auserleſen, um deſto beßer im gehen <hirendition="#aq">medi-<lb/>
ti</hi>ren zu koͤnnen; allein, da ich ſchon ziemlich<lb/>
weit von der Stadt entfernet war, ſo fieng an<lb/>
mein Ubel rege zu werden, und in kurtzem ſchlug<lb/>
die Furcht zu, daß auf dieſem Wege kein einiger<lb/>
Menſch zu finden waͤre, der mir koͤnte beyſprin-<lb/>
gen, wenn das Ubel uͤberhand nehmen ſolte.<lb/>
Was das vor ein erbaͤrmlicher, aͤngſtlicher Weg<lb/>
geweſen, und wie ich mit Furcht und Hoffnung<lb/>
gerungen, nachdem das Ubel bald nachließ,<lb/>
bald wieder anband, daran werde ich mein leb-<lb/>
tage gedencken; doch aber auch nicht gar zu<lb/>
umſtaͤndlich, denn meine ſchwache <hirendition="#aq">Imagination</hi><lb/>
erlaubt mir anders nicht, als nur <hirendition="#aq">ſummari</hi>ſch<lb/>
und uͤberhaupt an die Gefaͤhrlichkeiten zu den-<lb/>
cken, in welchen ich geſtecket, und aus welchen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">mich</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[644/0690]
faͤhig ſie zu vertreiben,
gang vorzunehmen. Jch gieng alſo zur Wind-
muͤhl-Gaſſe hinaus, in Willens nach Wage
zu gehen, und diß mit allem Fleiß, weil ich
durch den weiten Weg deſto beſſer Motion ma-
chen, und auch durch ſchwitzen mir eine Guͤte
thun moͤchte; indem vielfaͤltigmahl durch ſchwi-
tzen, wenn es ohne Artzney, und durch bloße Be-
wegung des Leibes geſchehen, ich meine Zufaͤlle
ertraͤglicher, und erleidlicher gemacht. Allein
dieſesmahl kam ich ſehr uͤbel an. Jch hatte
dieſen einſamen Weg, auf welchem vielfaͤltig-
mahl weder Menſch, noch Hund anzutreffen,
mir auserleſen, um deſto beßer im gehen medi-
tiren zu koͤnnen; allein, da ich ſchon ziemlich
weit von der Stadt entfernet war, ſo fieng an
mein Ubel rege zu werden, und in kurtzem ſchlug
die Furcht zu, daß auf dieſem Wege kein einiger
Menſch zu finden waͤre, der mir koͤnte beyſprin-
gen, wenn das Ubel uͤberhand nehmen ſolte.
Was das vor ein erbaͤrmlicher, aͤngſtlicher Weg
geweſen, und wie ich mit Furcht und Hoffnung
gerungen, nachdem das Ubel bald nachließ,
bald wieder anband, daran werde ich mein leb-
tage gedencken; doch aber auch nicht gar zu
umſtaͤndlich, denn meine ſchwache Imagination
erlaubt mir anders nicht, als nur ſummariſch
und uͤberhaupt an die Gefaͤhrlichkeiten zu den-
cken, in welchen ich geſtecket, und aus welchen
mich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/690>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.