mich GOtt erlöset. Weil dieses Ubel nicht wolte nachlaßen, so muste ich doch aus der Noth wieder eine Pflicht und Tugend machen, und zum Weine abermahl meine Zuflucht nehmen, und den Gebrauch desselben so mäßigen, als ich vor gut befand, die Nerven, und den schwachen Magen in etwas zu stärcken; allein da ich noch Milch dabey tranck, ob ich gleich nur den Cof- fee mit Milch vermischte, so nahm das Ubel noch mehr überhand. Jnsonderheit wurde ich Anno 1718. im Sommer von demselben recht sehr geplaget. Damit ich, wenn ich Catechismus- Examen von 2. bis um 3. Uhr hielt, desto mehr Kräffte zum Schreyen hätte, so tranck ich nach der Mahlzeit aufs höchste etwan zwey Gläser Wein; doch so lange ich noch des Morgens des Milch- Coffees mich bedienete, so merckte ich, daß ich mich nicht dadurch sowol stärckte, als vielmehr schwächte. Jch wuste vielmahl kaum, wie ich aus der Sacristey zum Volcke auf den Platz, und auf den Stuhl kommen solte, auf welchem der Catechete sitzet, gleichwie ich auf dem Stuhle selbst eine zeitlang, ehe der Leib durch reden erwärmet und erhitzet, und zum Schweiß gebracht wurde, in Furchten stund herunter zu fallen; welches mir meine Catechisationes blut- sauer gemacht hat, bis ich endlich sowol die Milch, als auch den Wein gäntzlich abandonirte, und beyseite setzte.
Anno
S s 3
ſondern hielten noch
mich GOtt erloͤſet. Weil dieſes Ubel nicht wolte nachlaßen, ſo muſte ich doch aus der Noth wieder eine Pflicht und Tugend machen, und zum Weine abermahl meine Zuflucht nehmen, und den Gebrauch deſſelben ſo maͤßigen, als ich vor gut befand, die Nerven, und den ſchwachen Magen in etwas zu ſtaͤrcken; allein da ich noch Milch dabey tranck, ob ich gleich nur den Cof- fée mit Milch vermiſchte, ſo nahm das Ubel noch mehr uͤberhand. Jnſonderheit wurde ich Anno 1718. im Sommer von demſelben recht ſehr geplaget. Damit ich, wenn ich Catechiſmus- Examen von 2. bis um 3. Uhr hielt, deſto mehr Kraͤffte zum Schreyen haͤtte, ſo tranck ich nach der Mahlzeit aufs hoͤchſte etwan zwey Glaͤſer Wein; doch ſo lange ich noch des Morgens des Milch- Coffées mich bedienete, ſo merckte ich, daß ich mich nicht dadurch ſowol ſtaͤrckte, als vielmehr ſchwaͤchte. Jch wuſte vielmahl kaum, wie ich aus der Sacriſtey zum Volcke auf den Platz, und auf den Stuhl kommen ſolte, auf welchem der Catechete ſitzet, gleichwie ich auf dem Stuhle ſelbſt eine zeitlang, ehe der Leib durch reden erwaͤrmet und erhitzet, und zum Schweiß gebracht wurde, in Furchten ſtund herunter zu fallen; welches mir meine Catechiſationes blut- ſauer gemacht hat, bis ich endlich ſowol die Milch, als auch den Wein gaͤntzlich abandonirte, und beyſeite ſetzte.
Anno
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ſondern hielten noch
mich GOtt erloͤſet. Weil dieſes Ubel nicht
wolte nachlaßen, ſo muſte ich doch aus der Noth
wieder eine Pflicht und Tugend machen, und
zum Weine abermahl meine Zuflucht nehmen,
und den Gebrauch deſſelben ſo maͤßigen, als ich
vor gut befand, die Nerven, und den ſchwachen
Magen in etwas zu ſtaͤrcken; allein da ich noch
Milch dabey tranck, ob ich gleich nur den Cof-
fée mit Milch vermiſchte, ſo nahm das Ubel
noch mehr uͤberhand. Jnſonderheit wurde ich
Anno 1718. im Sommer von demſelben recht
ſehr geplaget. Damit ich, wenn ich Catechiſmus-
Examen von 2. bis um 3. Uhr hielt, deſto mehr
Kraͤffte zum Schreyen haͤtte, ſo tranck ich nach der
Mahlzeit aufs hoͤchſte etwan zwey Glaͤſer Wein;
doch ſo lange ich noch des Morgens des Milch-
Coffées mich bedienete, ſo merckte ich, daß ich
mich nicht dadurch ſowol ſtaͤrckte, als vielmehr
ſchwaͤchte. Jch wuſte vielmahl kaum, wie ich
aus der Sacriſtey zum Volcke auf den Platz,
und auf den Stuhl kommen ſolte, auf welchem
der Catechete ſitzet, gleichwie ich auf dem
Stuhle ſelbſt eine zeitlang, ehe der Leib durch
reden erwaͤrmet und erhitzet, und zum Schweiß
gebracht wurde, in Furchten ſtund herunter zu
fallen; welches mir meine Catechiſationes blut-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/691>, abgerufen am 22.11.2024.
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