Uhr: um ein leichtes flohe ich in Gedancken zum Fenster hinunter bey aller Ruhe, bey aller Gemüths-Stille, so daß ich mich vom Fenster wegsetzen, und weiter davon im Lesen entfernen muste.
Hier kan der Leser abermahl beyläuffig ler- nen, daß dergleichen Gedancken, die denjenigen, der sie nicht kennet, und der ihrer nicht gewohnet ist, in großes Schrecken setzen, bey den Menschen entstehen können, ohne zuvorgeschehene Uberle- gung, ohne Neigung darzu, ohne Entschliessung darzu; so wenig als einer, der des Abends ein- schlafen soll, halb wachend, und halb träumend den schnellen Gedancken bekommt, als ob er in eine tieffe Grube fiele: ohne Uberlegung, und ohne Entschluß, vielweniger daß er mit Willen darzu schreite, mit welchem dorten Curtius sich sciens und volens, mit Wissen, und Willen ent- schlossen, in die offene Grube sich zu stürtzen.
Jch suchte diesem Ubel durch eine Spatzier- fahrt abzuhelffen, und fuhr mit etlichen guten Freunden Montags nach dem VII. post Trini- tatis nach Etsch, welches Dorff im Walde, und in einer angenehmen Gegend liegt. Jch wüste aber keine einige Spatzierfahrt, die ich iemahls gethan, so mir übeler bekommen wäre, als eben diese. Der Wirth schenckte Breyhahn, und er muste unfehlbar, um denselben desto schmack-
haffter
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welche wegen
Uhr: um ein leichtes flohe ich in Gedancken zum Fenſter hinunter bey aller Ruhe, bey aller Gemuͤths-Stille, ſo daß ich mich vom Fenſter wegſetzen, und weiter davon im Leſen entfernen muſte.
Hier kan der Leſer abermahl beylaͤuffig ler- nen, daß dergleichen Gedancken, die denjenigen, der ſie nicht kennet, und der ihrer nicht gewohnet iſt, in großes Schrecken ſetzen, bey den Menſchen entſtehen koͤnnen, ohne zuvorgeſchehene Uberle- gung, ohne Neigung darzu, ohne Entſchlieſſung darzu; ſo wenig als einer, der des Abends ein- ſchlafen ſoll, halb wachend, und halb traͤumend den ſchnellen Gedancken bekommt, als ob er in eine tieffe Grube fiele: ohne Uberlegung, und ohne Entſchluß, vielweniger daß er mit Willen darzu ſchreite, mit welchem dorten Curtius ſich ſciens und volens, mit Wiſſen, und Willen ent- ſchloſſen, in die offene Grube ſich zu ſtuͤrtzen.
Jch ſuchte dieſem Ubel durch eine Spatzier- fahrt abzuhelffen, und fuhr mit etlichen guten Freunden Montags nach dem VII. poſt Trini- tatis nach Etſch, welches Dorff im Walde, und in einer angenehmen Gegend liegt. Jch wuͤſte aber keine einige Spatzierfahrt, die ich iemahls gethan, ſo mir uͤbeler bekommen waͤre, als eben dieſe. Der Wirth ſchenckte Breyhahn, und er muſte unfehlbar, um denſelben deſto ſchmack-
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welche wegen
Uhr: um ein leichtes flohe ich in Gedancken
zum Fenſter hinunter bey aller Ruhe, bey aller
Gemuͤths-Stille, ſo daß ich mich vom Fenſter
wegſetzen, und weiter davon im Leſen entfernen
muſte.
Hier kan der Leſer abermahl beylaͤuffig ler-
nen, daß dergleichen Gedancken, die denjenigen,
der ſie nicht kennet, und der ihrer nicht gewohnet
iſt, in großes Schrecken ſetzen, bey den Menſchen
entſtehen koͤnnen, ohne zuvorgeſchehene Uberle-
gung, ohne Neigung darzu, ohne Entſchlieſſung
darzu; ſo wenig als einer, der des Abends ein-
ſchlafen ſoll, halb wachend, und halb traͤumend
den ſchnellen Gedancken bekommt, als ob er in
eine tieffe Grube fiele: ohne Uberlegung, und
ohne Entſchluß, vielweniger daß er mit Willen
darzu ſchreite, mit welchem dorten Curtius ſich
ſciens und volens, mit Wiſſen, und Willen ent-
ſchloſſen, in die offene Grube ſich zu ſtuͤrtzen.
Jch ſuchte dieſem Ubel durch eine Spatzier-
fahrt abzuhelffen, und fuhr mit etlichen guten
Freunden Montags nach dem VII. poſt Trini-
tatis nach Etſch, welches Dorff im Walde, und
in einer angenehmen Gegend liegt. Jch wuͤſte
aber keine einige Spatzierfahrt, die ich iemahls
gethan, ſo mir uͤbeler bekommen waͤre, als eben
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/705>, abgerufen am 23.11.2024.
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