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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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welche durch der Leute

Ob ich mir nun wol bald anfangs vorge-
nommen, ich wolte entweder gar niemanden,
oder doch nicht leicht iemanden vor mich lassen;
so ließ ich mich doch einst ohngefehr zu Anfange
des Septembris bewegen, eine Frau von mitt-
lerm Stande zu besuchen, die sich nicht wolte ab-
weisen lassen, wenn ich ihr den Besuch abschlug.
Jch gieng selber zu ihr ins Haus, wie sie es auch
selbst begehrte. Aber, o unglückseliger Gang
und Besuch, der mich in schreckliche Verwir-
rung gesetzt, und meine Plagen bis gegen Mi-
chael wohl zehenfach vergrößert. Sie wolte mir
als ein Geheimniß entdecken, und etwas sagen,
worinn ich ihr gantz gewiß glauben könte; denn
sie hätte mit einem aus einer vornehmen Ge-
richts-Stätte geredet, von dem sie wegen langer
Bekanntschafft mit ihm wüste, daß er sie nicht
mit Unwahrheit berichten würde. Derselbe
hätte gesaget, ich würde nicht beßer thun kön-
nen, als wenn ich Reißaus gäbe, und außerm
Lande mich machte, weil ich meine Sache besser,
wenn ich in einem sichern Ort wäre, als wenn
ich hier zugegen, würde vertheidigen können.
Denn meine Sache sähe sehr gefährlich aus;
wo ich bliebe, dürffte es mir wohl um den Kopff
gehen, (und dieses wuste sie noch mimice mit der
Hand an ihrem Halse recht förmlich auszudru-
cken.) Jch lachte zwar anfangs mehr, als daß

ich
welche durch der Leute

Ob ich mir nun wol bald anfangs vorge-
nommen, ich wolte entweder gar niemanden,
oder doch nicht leicht iemanden vor mich laſſen;
ſo ließ ich mich doch einſt ohngefehr zu Anfange
des Septembris bewegen, eine Frau von mitt-
lerm Stande zu beſuchen, die ſich nicht wolte ab-
weiſen laſſen, wenn ich ihr den Beſuch abſchlug.
Jch gieng ſelber zu ihr ins Haus, wie ſie es auch
ſelbſt begehrte. Aber, o ungluͤckſeliger Gang
und Beſuch, der mich in ſchreckliche Verwir-
rung geſetzt, und meine Plagen bis gegen Mi-
chael wohl zehenfach vergroͤßert. Sie wolte mir
als ein Geheimniß entdecken, und etwas ſagen,
worinn ich ihr gantz gewiß glauben koͤnte; denn
ſie haͤtte mit einem aus einer vornehmen Ge-
richts-Staͤtte geredet, von dem ſie wegen langer
Bekanntſchafft mit ihm wuͤſte, daß er ſie nicht
mit Unwahrheit berichten wuͤrde. Derſelbe
haͤtte geſaget, ich wuͤrde nicht beßer thun koͤn-
nen, als wenn ich Reißaus gaͤbe, und außerm
Lande mich machte, weil ich meine Sache beſſer,
wenn ich in einem ſichern Ort waͤre, als wenn
ich hier zugegen, wuͤrde vertheidigen koͤnnen.
Denn meine Sache ſaͤhe ſehr gefaͤhrlich aus;
wo ich bliebe, duͤrffte es mir wohl um den Kopff
gehen, (und dieſes wuſte ſie noch mimice mit der
Hand an ihrem Halſe recht foͤrmlich auszudru-
cken.) Jch lachte zwar anfangs mehr, als daß

ich
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[667/0713] welche durch der Leute Ob ich mir nun wol bald anfangs vorge- nommen, ich wolte entweder gar niemanden, oder doch nicht leicht iemanden vor mich laſſen; ſo ließ ich mich doch einſt ohngefehr zu Anfange des Septembris bewegen, eine Frau von mitt- lerm Stande zu beſuchen, die ſich nicht wolte ab- weiſen laſſen, wenn ich ihr den Beſuch abſchlug. Jch gieng ſelber zu ihr ins Haus, wie ſie es auch ſelbſt begehrte. Aber, o ungluͤckſeliger Gang und Beſuch, der mich in ſchreckliche Verwir- rung geſetzt, und meine Plagen bis gegen Mi- chael wohl zehenfach vergroͤßert. Sie wolte mir als ein Geheimniß entdecken, und etwas ſagen, worinn ich ihr gantz gewiß glauben koͤnte; denn ſie haͤtte mit einem aus einer vornehmen Ge- richts-Staͤtte geredet, von dem ſie wegen langer Bekanntſchafft mit ihm wuͤſte, daß er ſie nicht mit Unwahrheit berichten wuͤrde. Derſelbe haͤtte geſaget, ich wuͤrde nicht beßer thun koͤn- nen, als wenn ich Reißaus gaͤbe, und außerm Lande mich machte, weil ich meine Sache beſſer, wenn ich in einem ſichern Ort waͤre, als wenn ich hier zugegen, wuͤrde vertheidigen koͤnnen. Denn meine Sache ſaͤhe ſehr gefaͤhrlich aus; wo ich bliebe, duͤrffte es mir wohl um den Kopff gehen, (und dieſes wuſte ſie noch mimice mit der Hand an ihrem Halſe recht foͤrmlich auszudru- cken.) Jch lachte zwar anfangs mehr, als daß ich

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 667. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/713>, abgerufen am 27.11.2024.