gemacht war, in Meynung, daß mich niemand gewahr werden solte, in die Cammer hinein. Un- ser Soldate aber hatte mich kaum erblicket, so fieng er auf eine hefftige Weise an sich auf mich zu erzürnen; und da ich merckte, daß er im Grimm aufstund, und auf die Thüre zukam, so lieff ich, was ich kunte, die Treppe wieder hinunter. Er verfolgte mich, und hieb nach mir, kunte mich aber zu allem Glücke nicht treffen. Jch durffte mich auch denselben gantzen Tag nicht sehen lassen, und muste mich bey dem Nachbar verstecken. Weil er auch in dem Wahn stund, als ob man durch mich hinter seine Heimlichkeiten habe kom- men wollen, so hatten meine Eltern alle Mühe ihm solches auszureden. Endlich ließ er sich be- sänfftigen, und war hernach froh, daß ihm der Hieb und Streich nach mir mißlungen.
Anno 1686. §. 9.
An. 1686. im 11ten Jahre meines Alters fieng ich an auch schon einen Geschmack an dem Sublimi und beweglichen Reden, und an scharffsinnigen Gedancken und Einfällen zu bekommen, welche das Wort GOttes, und insonderheit die Prophe- ten Altes Testamentes, nach der Weise der Mor- genländischen Völcker, mit andern Rednern ge- mein haben, als die bey ihren Weissagungen,
wenn
eines Soldaten.
gemacht war, in Meynung, daß mich niemand gewahr werden ſolte, in die Cammer hinein. Un- ſer Soldate aber hatte mich kaum erblicket, ſo fieng er auf eine hefftige Weiſe an ſich auf mich zu erzuͤrnen; und da ich merckte, daß er im Grimm aufſtund, und auf die Thuͤre zukam, ſo lieff ich, was ich kunte, die Treppe wieder hinunter. Er verfolgte mich, und hieb nach mir, kunte mich aber zu allem Gluͤcke nicht treffen. Jch durffte mich auch denſelben gantzen Tag nicht ſehen laſſen, und muſte mich bey dem Nachbar verſtecken. Weil er auch in dem Wahn ſtund, als ob man durch mich hinter ſeine Heimlichkeiten habe kom- men wollen, ſo hatten meine Eltern alle Muͤhe ihm ſolches auszureden. Endlich ließ er ſich be- ſaͤnfftigen, und war hernach froh, daß ihm der Hieb und Streich nach mir mißlungen.
Anno 1686. §. 9.
An. 1686. im 11ten Jahre meines Alters fieng ich an auch ſchon einen Geſchmack an dem Sublimi und beweglichen Reden, und an ſcharffſinnigen Gedancken und Einfaͤllen zu bekommen, welche das Wort GOttes, und inſonderheit die Prophe- ten Altes Teſtamentes, nach der Weiſe der Mor- genlaͤndiſchen Voͤlcker, mit andern Rednern ge- mein haben, als die bey ihren Weiſſagungen,
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eines Soldaten.
gemacht war, in Meynung, daß mich niemand
gewahr werden ſolte, in die Cammer hinein. Un-
ſer Soldate aber hatte mich kaum erblicket, ſo
fieng er auf eine hefftige Weiſe an ſich auf mich
zu erzuͤrnen; und da ich merckte, daß er im Grimm
aufſtund, und auf die Thuͤre zukam, ſo lieff ich,
was ich kunte, die Treppe wieder hinunter. Er
verfolgte mich, und hieb nach mir, kunte mich aber
zu allem Gluͤcke nicht treffen. Jch durffte mich
auch denſelben gantzen Tag nicht ſehen laſſen,
und muſte mich bey dem Nachbar verſtecken.
Weil er auch in dem Wahn ſtund, als ob man
durch mich hinter ſeine Heimlichkeiten habe kom-
men wollen, ſo hatten meine Eltern alle Muͤhe
ihm ſolches auszureden. Endlich ließ er ſich be-
ſaͤnfftigen, und war hernach froh, daß ihm der
Hieb und Streich nach mir mißlungen.
Anno 1686.
§. 9.
An. 1686. im 11ten Jahre meines Alters fieng
ich an auch ſchon einen Geſchmack an dem Sublimi
und beweglichen Reden, und an ſcharffſinnigen
Gedancken und Einfaͤllen zu bekommen, welche
das Wort GOttes, und inſonderheit die Prophe-
ten Altes Teſtamentes, nach der Weiſe der Mor-
genlaͤndiſchen Voͤlcker, mit andern Rednern ge-
mein haben, als die bey ihren Weiſſagungen,
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/72>, abgerufen am 24.11.2024.
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