Doch es war nun geschehen, und ich fieng mich an um das Ende des Sommers mit lauter Aengstlichkeit und Bangigkeit zu schleppen, und war doch nicht die geringste Ursache in meiner Seele vorhanden, der ich solche Affecten und Plagen hätte zuschreiben können. Doch wie ich mehrmahlen gedacht, bey dergleichen Fällen sucht sich der Mensch allerhand Dinge, wodurch er seine Furcht und ängstlichen Affecten noch mehr ernähret und erhält. GOttes seine Weise ist, wenn er die Menschen will starck machen, so macht er sie höchst schwach, ja, wenn er ihren Glauben stärcken will, und ihnen geben, was sie gar sonderlich durch Gebet, und alle gewöhnliche Mittel gesucht haben, so läst er das gröste Maaß der Furcht entstehen, so mit dem Vertrauen streitet, damit sie Gelegenheit haben zu kämpffen, und im Glauben wider die Furcht sich zu üben, und wenn er sie denn vor allen denen Ubeln be- hütet, die sie im höchsten Maaße gefürchtet, so daß sie GOttes Hülffe augenscheinlich sehen, und spühren, so wird ihr Vertrauen und Zuver- sicht gantz ungemein gestärcket. So gieng es auch mir. Die Plagen, welche 1704. und 1717. über mich gekommen, kamen um diese Zeit viel
stärcker,
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wird er mit der Miltzſucht
Anno 1735. §. 153.
Doch es war nun geſchehen, und ich fieng mich an um das Ende des Sommers mit lauter Aengſtlichkeit und Bangigkeit zu ſchleppen, und war doch nicht die geringſte Urſache in meiner Seele vorhanden, der ich ſolche Affecten und Plagen haͤtte zuſchreiben koͤnnen. Doch wie ich mehrmahlen gedacht, bey dergleichen Faͤllen ſucht ſich der Menſch allerhand Dinge, wodurch er ſeine Furcht und aͤngſtlichen Affecten noch mehr ernaͤhret und erhaͤlt. GOttes ſeine Weiſe iſt, wenn er die Menſchen will ſtarck machen, ſo macht er ſie hoͤchſt ſchwach, ja, wenn er ihren Glauben ſtaͤrcken will, und ihnen geben, was ſie gar ſonderlich durch Gebet, und alle gewoͤhnliche Mittel geſucht haben, ſo laͤſt er das groͤſte Maaß der Furcht entſtehen, ſo mit dem Vertrauen ſtreitet, damit ſie Gelegenheit haben zu kaͤmpffen, und im Glauben wider die Furcht ſich zu uͤben, und wenn er ſie denn vor allen denen Ubeln be- huͤtet, die ſie im hoͤchſten Maaße gefuͤrchtet, ſo daß ſie GOttes Huͤlffe augenſcheinlich ſehen, und ſpuͤhren, ſo wird ihr Vertrauen und Zuver- ſicht gantz ungemein geſtaͤrcket. So gieng es auch mir. Die Plagen, welche 1704. und 1717. uͤber mich gekommen, kamen um dieſe Zeit viel
ſtaͤrcker,
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[707/0753]
wird er mit der Miltzſucht
Anno 1735.
§. 153.
Doch es war nun geſchehen, und ich fieng
mich an um das Ende des Sommers mit lauter
Aengſtlichkeit und Bangigkeit zu ſchleppen, und
war doch nicht die geringſte Urſache in meiner
Seele vorhanden, der ich ſolche Affecten und
Plagen haͤtte zuſchreiben koͤnnen. Doch wie ich
mehrmahlen gedacht, bey dergleichen Faͤllen
ſucht ſich der Menſch allerhand Dinge, wodurch
er ſeine Furcht und aͤngſtlichen Affecten noch
mehr ernaͤhret und erhaͤlt. GOttes ſeine Weiſe
iſt, wenn er die Menſchen will ſtarck machen, ſo
macht er ſie hoͤchſt ſchwach, ja, wenn er ihren
Glauben ſtaͤrcken will, und ihnen geben, was ſie
gar ſonderlich durch Gebet, und alle gewoͤhnliche
Mittel geſucht haben, ſo laͤſt er das groͤſte Maaß
der Furcht entſtehen, ſo mit dem Vertrauen
ſtreitet, damit ſie Gelegenheit haben zu kaͤmpffen,
und im Glauben wider die Furcht ſich zu uͤben,
und wenn er ſie denn vor allen denen Ubeln be-
huͤtet, die ſie im hoͤchſten Maaße gefuͤrchtet, ſo
daß ſie GOttes Huͤlffe augenſcheinlich ſehen,
und ſpuͤhren, ſo wird ihr Vertrauen und Zuver-
ſicht gantz ungemein geſtaͤrcket. So gieng es
auch mir. Die Plagen, welche 1704. und 1717.
uͤber mich gekommen, kamen um dieſe Zeit viel
ſtaͤrcker,
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 707. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/753>, abgerufen am 24.11.2024.
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