Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

als er sich eingebildet,
habe da wohl erfahren, wie es zugehet,
daß man des Morgens die Leute im Bette
todt findet. Er kan den Leib erwürgen,
das ist eines; er kan aber auch der Seelen
so bange machen, daß sie ausfahren muß
in einem Augenblicke, wie er mirs gar offt
fast nahe gebracht hat.
vid. Glassium in sei-
ner Anfechtungs-Schule,
p. 45. und 46.
Niemand weiß besser, was diese Worte Lutheri
zu bedeuten und zu sagen haben, als der es selbst
erfahren. Wer es nicht erfahren, kan sich zur
Noth keine bessere Einbildung darvon machen,
als wenn er sich einen Dieb, Spitzbuben, oder
Ubelthäter vorstellt, den die Häscher in einem
Wirthshause sitzend, oder anderswo antreffen,
und ihn mit Gewalt fortführen wollen, er sich
aber nicht ergeben, und mit gutem fort will.
Du must fort, spricht ein Gerichts-Diener
mit schnellen und ungestümen Worten, es ist
da kein halten, nur fort, nur fort, deine
Zeit ist nun aus, nur sperre und wegere
dich nicht erst lange, du must doch dran etc.

Da ich endlich gegen Abend in der Hitze etwas
mehr tranck, als sonst, ließ die Flüchtigkeit der
Gedancken einiger maßen nach; kunte aber doch
kaum ein paar Stunden dieselbe Nacht schlafen.
Sonntags Laetare drauf meynte ich, GOtt solte
mir auf diesem jammer-vollen Abend einen Lae-

tare-

als er ſich eingebildet,
habe da wohl erfahren, wie es zugehet,
daß man des Morgens die Leute im Bette
todt findet. Er kan den Leib erwuͤrgen,
das iſt eines; er kan aber auch der Seelen
ſo bange machen, daß ſie ausfahren muß
in einem Augenblicke, wie er mirs gar offt
faſt nahe gebracht hat.
vid. Glaſſium in ſei-
ner Anfechtungs-Schule,
p. 45. und 46.
Niemand weiß beſſer, was dieſe Worte Lutheri
zu bedeuten und zu ſagen haben, als der es ſelbſt
erfahren. Wer es nicht erfahren, kan ſich zur
Noth keine beſſere Einbildung darvon machen,
als wenn er ſich einen Dieb, Spitzbuben, oder
Ubelthaͤter vorſtellt, den die Haͤſcher in einem
Wirthshauſe ſitzend, oder anderswo antreffen,
und ihn mit Gewalt fortfuͤhren wollen, er ſich
aber nicht ergeben, und mit gutem fort will.
Du muſt fort, ſpricht ein Gerichts-Diener
mit ſchnellen und ungeſtuͤmen Worten, es iſt
da kein halten, nur fort, nur fort, deine
Zeit iſt nun aus, nur ſperre und wegere
dich nicht erſt lange, du muſt doch dran ꝛc.

Da ich endlich gegen Abend in der Hitze etwas
mehr tranck, als ſonſt, ließ die Fluͤchtigkeit der
Gedancken einiger maßen nach; kunte aber doch
kaum ein paar Stunden dieſelbe Nacht ſchlafen.
Sonntags Lætare drauf meynte ich, GOtt ſolte
mir auf dieſem jammer-vollen Abend einen Læ-

tare-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0765" n="719"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">als er &#x017F;ich eingebildet,</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">habe da wohl erfahren, wie es zugehet,<lb/>
daß man des Morgens die Leute im Bette<lb/>
todt findet. Er kan den Leib erwu&#x0364;rgen,<lb/>
das i&#x017F;t eines; er kan aber auch der Seelen<lb/>
&#x017F;o bange machen, daß &#x017F;ie ausfahren muß<lb/>
in einem Augenblicke, wie er mirs gar offt<lb/>
fa&#x017F;t nahe gebracht hat.</hi><hi rendition="#aq">vid. Gla&#x017F;&#x017F;ium</hi><hi rendition="#fr">in &#x017F;ei-<lb/>
ner Anfechtungs-Schule,</hi><hi rendition="#aq">p.</hi> 45. und 46.<lb/>
Niemand weiß be&#x017F;&#x017F;er, was die&#x017F;e Worte <hi rendition="#aq">Lutheri</hi><lb/>
zu bedeuten und zu &#x017F;agen haben, als der es &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
erfahren. Wer es nicht erfahren, kan &#x017F;ich zur<lb/>
Noth keine be&#x017F;&#x017F;ere Einbildung darvon machen,<lb/>
als wenn er &#x017F;ich einen Dieb, Spitzbuben, oder<lb/>
Ubeltha&#x0364;ter vor&#x017F;tellt, den die Ha&#x0364;&#x017F;cher in einem<lb/>
Wirthshau&#x017F;e &#x017F;itzend, oder anderswo antreffen,<lb/>
und ihn mit Gewalt fortfu&#x0364;hren wollen, er &#x017F;ich<lb/>
aber nicht ergeben, und mit gutem fort will.<lb/><hi rendition="#fr">Du mu&#x017F;t fort,</hi> &#x017F;pricht ein Gerichts-Diener<lb/>
mit &#x017F;chnellen und unge&#x017F;tu&#x0364;men Worten, <hi rendition="#fr">es i&#x017F;t<lb/>
da kein halten, nur fort, nur fort, deine<lb/>
Zeit i&#x017F;t nun aus, nur &#x017F;perre und wegere<lb/>
dich nicht er&#x017F;t lange, du mu&#x017F;t doch dran &#xA75B;c.</hi><lb/>
Da ich endlich gegen Abend in der Hitze etwas<lb/>
mehr tranck, als &#x017F;on&#x017F;t, ließ die Flu&#x0364;chtigkeit der<lb/>
Gedancken einiger maßen nach; kunte aber doch<lb/>
kaum ein paar Stunden die&#x017F;elbe Nacht &#x017F;chlafen.<lb/>
Sonntags <hi rendition="#aq">Lætare</hi> drauf meynte ich, GOtt &#x017F;olte<lb/>
mir auf die&#x017F;em jammer-vollen Abend einen <hi rendition="#aq">Læ-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">tare-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[719/0765] als er ſich eingebildet, habe da wohl erfahren, wie es zugehet, daß man des Morgens die Leute im Bette todt findet. Er kan den Leib erwuͤrgen, das iſt eines; er kan aber auch der Seelen ſo bange machen, daß ſie ausfahren muß in einem Augenblicke, wie er mirs gar offt faſt nahe gebracht hat. vid. Glaſſium in ſei- ner Anfechtungs-Schule, p. 45. und 46. Niemand weiß beſſer, was dieſe Worte Lutheri zu bedeuten und zu ſagen haben, als der es ſelbſt erfahren. Wer es nicht erfahren, kan ſich zur Noth keine beſſere Einbildung darvon machen, als wenn er ſich einen Dieb, Spitzbuben, oder Ubelthaͤter vorſtellt, den die Haͤſcher in einem Wirthshauſe ſitzend, oder anderswo antreffen, und ihn mit Gewalt fortfuͤhren wollen, er ſich aber nicht ergeben, und mit gutem fort will. Du muſt fort, ſpricht ein Gerichts-Diener mit ſchnellen und ungeſtuͤmen Worten, es iſt da kein halten, nur fort, nur fort, deine Zeit iſt nun aus, nur ſperre und wegere dich nicht erſt lange, du muſt doch dran ꝛc. Da ich endlich gegen Abend in der Hitze etwas mehr tranck, als ſonſt, ließ die Fluͤchtigkeit der Gedancken einiger maßen nach; kunte aber doch kaum ein paar Stunden dieſelbe Nacht ſchlafen. Sonntags Lætare drauf meynte ich, GOtt ſolte mir auf dieſem jammer-vollen Abend einen Læ- tare-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/765
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 719. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/765>, abgerufen am 24.11.2024.