tare- und Freuden-Tag machen, kam aber in eine Predigt, in welcher die muthwilligen Selbst-Mörder weitläufftig bestraft wurden. Ob mich nun wol diese Bestrafung nicht an- gieng, so war ich doch voll Zitterns, und Be- bens: besinne mich auch nicht, ob zugleich denen ein Trost gegeben worden, die mit Furcht gepla- get, daß sie selbst Hand an sich legen werden; denn ich hatte nicht das Hertze, auf alles genaue Achtung zu geben.
Mittwoche nach Oculi ließ ich den Medi- cum zu mir kommen, und sagte ihm, daß, nach- dem ich Ader gelaßen, das Blut noch ärger tobe, und wüte, und daß ich wahrhafftig im Leibe kranck wäre; er meynte aber doch, als ob etwan von weltlicher Sorge meine Hitze und Maladie herkäme, so daß er auch um mein Nahrungs- Wesen bekümmert war, und mich fragte, ob et- wan dasselbe ietzund ins Stecken geriethe, da wohl nichts weniger als dieses, die Ursache seyn kunte. Jch wundere mich, wie so gar wenig unter den Menschen geschickt sind, von ihres Nächsten Zu- stand, Affecten und Passionen ein rechtes Urtheil zu fällen, wenn sie gleich mit demselben viel und lange Jahre umgegangen, und sein Thun und Wesen stets mit ihren Augen angesehen und be- trachtet haben. Jch sage dieses nicht in Regard des Medici, sondern vielmehr eines meiner guten
Freunde.
die hoͤchſte Staffel erreichet,
tare- und Freuden-Tag machen, kam aber in eine Predigt, in welcher die muthwilligen Selbſt-Moͤrder weitlaͤufftig beſtraft wurden. Ob mich nun wol dieſe Beſtrafung nicht an- gieng, ſo war ich doch voll Zitterns, und Be- bens: beſinne mich auch nicht, ob zugleich denen ein Troſt gegeben worden, die mit Furcht gepla- get, daß ſie ſelbſt Hand an ſich legen werden; denn ich hatte nicht das Hertze, auf alles genaue Achtung zu geben.
Mittwoche nach Oculi ließ ich den Medi- cum zu mir kommen, und ſagte ihm, daß, nach- dem ich Ader gelaßen, das Blut noch aͤrger tobe, und wuͤte, und daß ich wahrhafftig im Leibe kranck waͤre; er meynte aber doch, als ob etwan von weltlicher Sorge meine Hitze und Maladie herkaͤme, ſo daß er auch um mein Nahrungs- Weſen bekuͤmmert war, und mich fragte, ob et- wan daſſelbe ietzund ins Stecken geriethe, da wohl nichts weniger als dieſes, die Urſache ſeyn kunte. Jch wundere mich, wie ſo gar wenig unter den Menſchen geſchickt ſind, von ihres Naͤchſten Zu- ſtand, Affecten und Paſſionen ein rechtes Urtheil zu faͤllen, wenn ſie gleich mit demſelben viel und lange Jahre umgegangen, und ſein Thun und Weſen ſtets mit ihren Augen angeſehen und be- trachtet haben. Jch ſage dieſes nicht in Regard des Medici, ſondern vielmehr eines meiner guten
Freunde.
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die hoͤchſte Staffel erreichet,
tare- und Freuden-Tag machen, kam aber in
eine Predigt, in welcher die muthwilligen
Selbſt-Moͤrder weitlaͤufftig beſtraft wurden.
Ob mich nun wol dieſe Beſtrafung nicht an-
gieng, ſo war ich doch voll Zitterns, und Be-
bens: beſinne mich auch nicht, ob zugleich denen
ein Troſt gegeben worden, die mit Furcht gepla-
get, daß ſie ſelbſt Hand an ſich legen werden;
denn ich hatte nicht das Hertze, auf alles genaue
Achtung zu geben.
Mittwoche nach Oculi ließ ich den Medi-
cum zu mir kommen, und ſagte ihm, daß, nach-
dem ich Ader gelaßen, das Blut noch aͤrger tobe,
und wuͤte, und daß ich wahrhafftig im Leibe
kranck waͤre; er meynte aber doch, als ob etwan
von weltlicher Sorge meine Hitze und Maladie
herkaͤme, ſo daß er auch um mein Nahrungs-
Weſen bekuͤmmert war, und mich fragte, ob et-
wan daſſelbe ietzund ins Stecken geriethe, da wohl
nichts weniger als dieſes, die Urſache ſeyn kunte.
Jch wundere mich, wie ſo gar wenig unter den
Menſchen geſchickt ſind, von ihres Naͤchſten Zu-
ſtand, Affecten und Paſſionen ein rechtes Urtheil
zu faͤllen, wenn ſie gleich mit demſelben viel und
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 720. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/766>, abgerufen am 24.11.2024.
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