Freunde. Zu demselben kam ich an dem Abend des damahligen Buß-Tages, der vor Palmarum vorher gieng, und wolte ihm meine Noth und Anliegen, obschon mit dunckeln Worten, ein we- nig klagen. Jhm konte meine Passion, wider die ich in meinem Leben am meisten zu streiten gehabt habe, gar nicht unbekannt seyn. Er hatte bey 20. und mehr Jahren mit Augen gese- hen, wie ich mein Geld unter die Armen Hauffen- weise, ich will nicht sagen aus der Tugend der Freygebigkeit, ausgetheilet, sondern beynahe eher aus natürlicher Weichlichkeit, wo nicht gar aus Wollust, verschwendet: wie ich es an keinem Gelde und Kosten ermangeln laßen, meinem Leibe mehr gütlich zu thun, als wohl billig, und auf dessen Gesundheit mehr aufzuwenden, als nöthig gewesen; und gleichwohl wolte er mir eine scharffe Straf-Predigt wegen meines Geitzes halten.
Nun war es eine unaussprechliche Wohl- that von GOtt, da die Tage und Nächte glück- lich vorbey giengen, die vor diesem mir schon zu andern Zeiten so betrübt, und so fatal gewesen; Wegen unbeschreiblicher Größe aber solcher Wohlthat war ich am Palm-Sonntage und Char-Freytage frühe gantz etourdi, erstarret, und nur bestürtzt, an statt, daß ich meynte, mein Hertze würde alsdenn vor Freude zerspringen.
Ach,
Z z
und auch ihr Ende
Freunde. Zu demſelben kam ich an dem Abend des damahligen Buß-Tages, der vor Palmarum vorher gieng, und wolte ihm meine Noth und Anliegen, obſchon mit dunckeln Worten, ein we- nig klagen. Jhm konte meine Paſſion, wider die ich in meinem Leben am meiſten zu ſtreiten gehabt habe, gar nicht unbekannt ſeyn. Er hatte bey 20. und mehr Jahren mit Augen geſe- hen, wie ich mein Geld unter die Armen Hauffen- weiſe, ich will nicht ſagen aus der Tugend der Freygebigkeit, ausgetheilet, ſondern beynahe eher aus natuͤrlicher Weichlichkeit, wo nicht gar aus Wolluſt, verſchwendet: wie ich es an keinem Gelde und Koſten ermangeln laßen, meinem Leibe mehr guͤtlich zu thun, als wohl billig, und auf deſſen Geſundheit mehr aufzuwenden, als noͤthig geweſen; und gleichwohl wolte er mir eine ſcharffe Straf-Predigt wegen meines Geitzes halten.
Nun war es eine unausſprechliche Wohl- that von GOtt, da die Tage und Naͤchte gluͤck- lich vorbey giengen, die vor dieſem mir ſchon zu andern Zeiten ſo betruͤbt, und ſo fatal geweſen; Wegen unbeſchreiblicher Groͤße aber ſolcher Wohlthat war ich am Palm-Sonntage und Char-Freytage fruͤhe gantz étourdi, erſtarret, und nur beſtuͤrtzt, an ſtatt, daß ich meynte, mein Hertze wuͤrde alsdenn vor Freude zerſpringen.
Ach,
Z z
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0767"n="721"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und auch ihr Ende</hi></fw><lb/>
Freunde. Zu demſelben kam ich an dem Abend<lb/>
des damahligen Buß-Tages, der vor <hirendition="#aq">Palmarum</hi><lb/>
vorher gieng, und wolte ihm meine Noth und<lb/>
Anliegen, obſchon mit dunckeln Worten, ein we-<lb/>
nig klagen. Jhm konte meine <hirendition="#aq">Paſſion,</hi> wider<lb/>
die ich in meinem Leben am meiſten zu ſtreiten<lb/>
gehabt habe, gar nicht unbekannt ſeyn. Er<lb/>
hatte bey 20. und mehr Jahren mit Augen geſe-<lb/>
hen, wie ich mein Geld unter die Armen Hauffen-<lb/>
weiſe, ich will nicht ſagen aus der Tugend der<lb/>
Freygebigkeit, ausgetheilet, ſondern beynahe eher<lb/>
aus natuͤrlicher Weichlichkeit, wo nicht gar aus<lb/>
Wolluſt, verſchwendet: wie ich es an keinem<lb/>
Gelde und Koſten ermangeln laßen, meinem Leibe<lb/>
mehr guͤtlich zu thun, als wohl billig, und auf<lb/>
deſſen Geſundheit mehr aufzuwenden, als noͤthig<lb/>
geweſen; und gleichwohl wolte er mir eine<lb/>ſcharffe Straf-Predigt wegen meines Geitzes<lb/>
halten.</p><lb/><p>Nun war es eine unausſprechliche Wohl-<lb/>
that von GOtt, da die Tage und Naͤchte gluͤck-<lb/>
lich vorbey giengen, die vor dieſem mir ſchon zu<lb/>
andern Zeiten ſo betruͤbt, und ſo <hirendition="#aq">fatal</hi> geweſen;<lb/>
Wegen unbeſchreiblicher Groͤße aber ſolcher<lb/>
Wohlthat war ich am Palm-Sonntage und<lb/>
Char-Freytage fruͤhe gantz <hirendition="#aq">étourdi,</hi> erſtarret,<lb/>
und nur beſtuͤrtzt, an ſtatt, daß ich meynte, mein<lb/>
Hertze wuͤrde alsdenn vor Freude zerſpringen.<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Z z</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Ach,</hi></fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[721/0767]
und auch ihr Ende
Freunde. Zu demſelben kam ich an dem Abend
des damahligen Buß-Tages, der vor Palmarum
vorher gieng, und wolte ihm meine Noth und
Anliegen, obſchon mit dunckeln Worten, ein we-
nig klagen. Jhm konte meine Paſſion, wider
die ich in meinem Leben am meiſten zu ſtreiten
gehabt habe, gar nicht unbekannt ſeyn. Er
hatte bey 20. und mehr Jahren mit Augen geſe-
hen, wie ich mein Geld unter die Armen Hauffen-
weiſe, ich will nicht ſagen aus der Tugend der
Freygebigkeit, ausgetheilet, ſondern beynahe eher
aus natuͤrlicher Weichlichkeit, wo nicht gar aus
Wolluſt, verſchwendet: wie ich es an keinem
Gelde und Koſten ermangeln laßen, meinem Leibe
mehr guͤtlich zu thun, als wohl billig, und auf
deſſen Geſundheit mehr aufzuwenden, als noͤthig
geweſen; und gleichwohl wolte er mir eine
ſcharffe Straf-Predigt wegen meines Geitzes
halten.
Nun war es eine unausſprechliche Wohl-
that von GOtt, da die Tage und Naͤchte gluͤck-
lich vorbey giengen, die vor dieſem mir ſchon zu
andern Zeiten ſo betruͤbt, und ſo fatal geweſen;
Wegen unbeſchreiblicher Groͤße aber ſolcher
Wohlthat war ich am Palm-Sonntage und
Char-Freytage fruͤhe gantz étourdi, erſtarret,
und nur beſtuͤrtzt, an ſtatt, daß ich meynte, mein
Hertze wuͤrde alsdenn vor Freude zerſpringen.
Ach,
Z z
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 721. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/767>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.