Dociren vor zehen und vor acht Jahren untersa- get worden. Doch wurde endlich nach dreyen Tagen eine rechte kräfftige und stärckere Versi- cherung in meiner Seelen gewürcket, daß eine solche Unterweisung eines Knabens, vor dessen Auferziehung ohnedem als Pathe zu sorgen ver- bunden bin, unter dem Verbot der Collegiorum wohl nicht mit würde begriffen seyn. Jn Wahrheit, wenn GOtt uns armen Menschen alle unsere Pflichten und Schuldigkeiten nach sei- nem Gesetze zu leben wolte klar vor Augen legen, und uns zur vollkommenen Erkänntniß derselben wolte gelangen lassen; wir müsten endlich ver- schmachten und vergehen. Denn wissentlich als- denn wider GOtt thun, und sich CHristi Ver- dienst dabey getrösten wollen, würde wohl nicht fähig seyn unsere Hertzen, und zarte Gewissen zu beruhigen.
Nicht lange hernach überfiel mich ein neuer Scrupel wegen Undancks, den ich vielleicht an einem von meinen Praeceptoribus begangen, zu der Zeit, da ich selbst noch ein Schüler gewesen. Alß ich An. 1699. auf die Universität gekommen war, verstund ich schon etwas Engelländisch, kunte aber nicht lesen. Jch wurde schlüßig, zum wenigsten auf einen Monat zu iemanden zu gehen, der mich lesen lernte, in Meynung mit dem übrigen durch die Grammatica, und das Lexicon mir selbst zu helf-
fen.
und auch ehemaligen Præceptoris,
Dociren vor zehen und vor acht Jahren unterſa- get worden. Doch wurde endlich nach dreyen Tagen eine rechte kraͤfftige und ſtaͤrckere Verſi- cherung in meiner Seelen gewuͤrcket, daß eine ſolche Unterweiſung eines Knabens, vor deſſen Auferziehung ohnedem als Pathe zu ſorgen ver- bunden bin, unter dem Verbot der Collegiorum wohl nicht mit wuͤrde begriffen ſeyn. Jn Wahrheit, wenn GOtt uns armen Menſchen alle unſere Pflichten und Schuldigkeiten nach ſei- nem Geſetze zu leben wolte klar vor Augen legen, und uns zur vollkommenen Erkaͤnntniß derſelben wolte gelangen laſſen; wir muͤſten endlich ver- ſchmachten und vergehen. Denn wiſſentlich als- denn wider GOtt thun, und ſich CHriſti Ver- dienſt dabey getroͤſten wollen, wuͤrde wohl nicht faͤhig ſeyn unſere Hertzen, und zarte Gewiſſen zu beruhigen.
Nicht lange hernach uͤberfiel mich ein neuer Scrupel wegen Undancks, den ich vielleicht an einem von meinen Præceptoribus begangen, zu der Zeit, da ich ſelbſt noch ein Schuͤler geweſen. Alß ich An. 1699. auf die Univerſitaͤt gekommen war, verſtund ich ſchon etwas Engellaͤndiſch, kunte aber nicht leſen. Jch wurde ſchluͤßig, zum wenigſten auf einen Monat zu iemanden zu gehen, der mich leſen lernte, in Meynung mit dem uͤbrigen durch die Grammatica, und das Lexicon mir ſelbſt zu helf-
fen.
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und auch ehemaligen Præceptoris,
Dociren vor zehen und vor acht Jahren unterſa-
get worden. Doch wurde endlich nach dreyen
Tagen eine rechte kraͤfftige und ſtaͤrckere Verſi-
cherung in meiner Seelen gewuͤrcket, daß eine
ſolche Unterweiſung eines Knabens, vor deſſen
Auferziehung ohnedem als Pathe zu ſorgen ver-
bunden bin, unter dem Verbot der Collegiorum
wohl nicht mit wuͤrde begriffen ſeyn. Jn
Wahrheit, wenn GOtt uns armen Menſchen
alle unſere Pflichten und Schuldigkeiten nach ſei-
nem Geſetze zu leben wolte klar vor Augen legen,
und uns zur vollkommenen Erkaͤnntniß derſelben
wolte gelangen laſſen; wir muͤſten endlich ver-
ſchmachten und vergehen. Denn wiſſentlich als-
denn wider GOtt thun, und ſich CHriſti Ver-
dienſt dabey getroͤſten wollen, wuͤrde wohl nicht
faͤhig ſeyn unſere Hertzen, und zarte Gewiſſen
zu beruhigen.
Nicht lange hernach uͤberfiel mich ein neuer
Scrupel wegen Undancks, den ich vielleicht an
einem von meinen Præceptoribus begangen, zu der
Zeit, da ich ſelbſt noch ein Schuͤler geweſen. Alß
ich An. 1699. auf die Univerſitaͤt gekommen war,
verſtund ich ſchon etwas Engellaͤndiſch, kunte aber
nicht leſen. Jch wurde ſchluͤßig, zum wenigſten
auf einen Monat zu iemanden zu gehen, der mich
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/777>, abgerufen am 24.11.2024.
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