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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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Ungewöhnlichem, und Ungestaltem
keinen Strohhalm mehr auf dem Boden sehen,
welches beym Bettemachen verstreuet worden, ich
muste es erst aufhehen. Und ich möchte wissen,
was meine damahlige Magd muß gedacht haben,
wenn sie des Morgens die rothe Decke, die mir
ehemahls der Herr Hof-Rath Steger zu einem
Hausrath geschenckt, über das Bette wieder de-
cken solte, die sie des Abends allemahl, wenn sie
betten solte, herunter zu nehmen, und auf einen
Kuffer confuse hinzulegen und zu werffen pflegte.
Denn weil ich nichts ungestaltes ohne brühheiße
Angst sehen kunte, so hatte ich beym Schlafen-
gehen alle Noth, dieselbe auf das allerzierlichste
zusammen zu legen, so daß sie dieselbe gantz an-
ders frühe fand, als sie sie des Abends hingeworf-
fen hatte. Es wäre nicht Wunder, wenn sie
gedacht hätte: mein Herr wird doch noch
närrisch werden.
Jn Summa, es waren
nicht drey Viertel-Jahr vergangen, so hatte ich
in meinem Hause beynahe 613. Gesetze, so viel
die Jüden vor Zeiten im Alten Testamente hatten.

Doch ich würde ein solches Joch gerne ge-
tragen haben, dergleichen die Jüden trugen;
denn das war ihnen doch von GOtt auferleget
worden, und hatten alle Gesetze ihren guten
Grund, warum sie ihnen gegeben worden.
Hier aber bey mir waren lauter indifferente
Dinge, die GOtt weder geboten noch verboten,

und
A a a 5

Ungewoͤhnlichem, und Ungeſtaltem
keinen Strohhalm mehr auf dem Boden ſehen,
welches beym Bettemachen verſtreuet worden, ich
muſte es erſt aufhehen. Und ich moͤchte wiſſen,
was meine damahlige Magd muß gedacht haben,
wenn ſie des Morgens die rothe Decke, die mir
ehemahls der Herr Hof-Rath Steger zu einem
Hausrath geſchenckt, uͤber das Bette wieder de-
cken ſolte, die ſie des Abends allemahl, wenn ſie
betten ſolte, herunter zu nehmen, und auf einen
Kuffer confuſe hinzulegen und zu werffen pflegte.
Denn weil ich nichts ungeſtaltes ohne bruͤhheiße
Angſt ſehen kunte, ſo hatte ich beym Schlafen-
gehen alle Noth, dieſelbe auf das allerzierlichſte
zuſammen zu legen, ſo daß ſie dieſelbe gantz an-
ders fruͤhe fand, als ſie ſie des Abends hingeworf-
fen hatte. Es waͤre nicht Wunder, wenn ſie
gedacht haͤtte: mein Herr wird doch noch
naͤrriſch werden.
Jn Summa, es waren
nicht drey Viertel-Jahr vergangen, ſo hatte ich
in meinem Hauſe beynahe 613. Geſetze, ſo viel
die Juͤden vor Zeiten im Alten Teſtamente hatten.

Doch ich wuͤrde ein ſolches Joch gerne ge-
tragen haben, dergleichen die Juͤden trugen;
denn das war ihnen doch von GOtt auferleget
worden, und hatten alle Geſetze ihren guten
Grund, warum ſie ihnen gegeben worden.
Hier aber bey mir waren lauter indifferente
Dinge, die GOtt weder geboten noch verboten,

und
A a a 5
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[745/0791] Ungewoͤhnlichem, und Ungeſtaltem keinen Strohhalm mehr auf dem Boden ſehen, welches beym Bettemachen verſtreuet worden, ich muſte es erſt aufhehen. Und ich moͤchte wiſſen, was meine damahlige Magd muß gedacht haben, wenn ſie des Morgens die rothe Decke, die mir ehemahls der Herr Hof-Rath Steger zu einem Hausrath geſchenckt, uͤber das Bette wieder de- cken ſolte, die ſie des Abends allemahl, wenn ſie betten ſolte, herunter zu nehmen, und auf einen Kuffer confuſe hinzulegen und zu werffen pflegte. Denn weil ich nichts ungeſtaltes ohne bruͤhheiße Angſt ſehen kunte, ſo hatte ich beym Schlafen- gehen alle Noth, dieſelbe auf das allerzierlichſte zuſammen zu legen, ſo daß ſie dieſelbe gantz an- ders fruͤhe fand, als ſie ſie des Abends hingeworf- fen hatte. Es waͤre nicht Wunder, wenn ſie gedacht haͤtte: mein Herr wird doch noch naͤrriſch werden. Jn Summa, es waren nicht drey Viertel-Jahr vergangen, ſo hatte ich in meinem Hauſe beynahe 613. Geſetze, ſo viel die Juͤden vor Zeiten im Alten Teſtamente hatten. Doch ich wuͤrde ein ſolches Joch gerne ge- tragen haben, dergleichen die Juͤden trugen; denn das war ihnen doch von GOtt auferleget worden, und hatten alle Geſetze ihren guten Grund, warum ſie ihnen gegeben worden. Hier aber bey mir waren lauter indifferente Dinge, die GOtt weder geboten noch verboten, und A a a 5

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 745. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/791>, abgerufen am 17.06.2024.