Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

sich entsetzet, und viel
und es war da auch keine Conscientia scrupulosa
und scrupulirendes Gewissen, als ob ich mich
gefürchtet hätte zu sündigen, wenn ich etwas
anders legte und setzte. Denn ich wuste, daß
der Mensch in diesen Dingen höchst frey; und
wenn einer noch so einfältig, daß er keine indiffe-
rent
e Handlungen statuiren wolte, worüber die
Theologi streiten, so hätte er doch diese Dinge
vor indifferent und gleichgültig halten müssen.
Gleichwol aber war es bey mir nicht einerley, ob
ich dieses oder jenes so und nicht anders setzte und
legte; denn wo ich meine Freyheit brauchen
wolte, die GOtt allen Menschen in diesem Stü-
cke gegeben, und wider das thun, was mir
gleichsam zum Gesetze worden, so konte ich vor
Hitze und Aengstlichkeit keinen Schlaf in meine
Augen bringen; ja ich habe wohl eher in der
Nacht aufstehen, und das ändern müssen, was
ich gerne meine Freyheit zu brauchen anders ge-
setzt und geleget hatte. Und wenn mir ein Tel-
ler aus Versehen in der Stube wäre liegen ge-
blieben, und mir solches des Nachtes eingefallen
wäre, ich hätte keine Ruhe gehabt, noch schlafen
können, wenn ich nicht aufgestanden, und densel-
ben in die Küche getragen hätte.

Du möchtest sagen: Jch hätte nicht wei-
chen, und meiner Einbildung nicht nach-
geben, sondern den Schlaf in Wind schla-

gen

ſich entſetzet, und viel
und es war da auch keine Conſcientia ſcrupuloſa
und ſcrupulirendes Gewiſſen, als ob ich mich
gefuͤrchtet haͤtte zu ſuͤndigen, wenn ich etwas
anders legte und ſetzte. Denn ich wuſte, daß
der Menſch in dieſen Dingen hoͤchſt frey; und
wenn einer noch ſo einfaͤltig, daß er keine indiffe-
rent
e Handlungen ſtatuiren wolte, woruͤber die
Theologi ſtreiten, ſo haͤtte er doch dieſe Dinge
vor indifferent und gleichguͤltig halten muͤſſen.
Gleichwol aber war es bey mir nicht einerley, ob
ich dieſes oder jenes ſo und nicht anders ſetzte und
legte; denn wo ich meine Freyheit brauchen
wolte, die GOtt allen Menſchen in dieſem Stuͤ-
cke gegeben, und wider das thun, was mir
gleichſam zum Geſetze worden, ſo konte ich vor
Hitze und Aengſtlichkeit keinen Schlaf in meine
Augen bringen; ja ich habe wohl eher in der
Nacht aufſtehen, und das aͤndern muͤſſen, was
ich gerne meine Freyheit zu brauchen anders ge-
ſetzt und geleget hatte. Und wenn mir ein Tel-
ler aus Verſehen in der Stube waͤre liegen ge-
blieben, und mir ſolches des Nachtes eingefallen
waͤre, ich haͤtte keine Ruhe gehabt, noch ſchlafen
koͤnnen, wenn ich nicht aufgeſtanden, und denſel-
ben in die Kuͤche getragen haͤtte.

Du moͤchteſt ſagen: Jch haͤtte nicht wei-
chen, und meiner Einbildung nicht nach-
geben, ſondern den Schlaf in Wind ſchla-

gen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0792" n="746"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">&#x017F;ich ent&#x017F;etzet, und viel</hi></fw><lb/>
und es war da auch keine <hi rendition="#aq">Con&#x017F;cientia &#x017F;crupulo&#x017F;a</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">&#x017F;crupuli</hi>rendes Gewi&#x017F;&#x017F;en, als ob ich mich<lb/>
gefu&#x0364;rchtet ha&#x0364;tte zu &#x017F;u&#x0364;ndigen, wenn ich etwas<lb/>
anders legte und &#x017F;etzte. Denn ich wu&#x017F;te, daß<lb/>
der Men&#x017F;ch in die&#x017F;en Dingen ho&#x0364;ch&#x017F;t frey; und<lb/>
wenn einer noch &#x017F;o einfa&#x0364;ltig, daß er keine <hi rendition="#aq">indiffe-<lb/>
rent</hi>e Handlungen <hi rendition="#aq">&#x017F;tatui</hi>ren wolte, woru&#x0364;ber die<lb/><hi rendition="#aq">Theologi</hi> &#x017F;treiten, &#x017F;o ha&#x0364;tte er doch <hi rendition="#fr">die&#x017F;e</hi> Dinge<lb/>
vor <hi rendition="#aq">indifferent</hi> und gleichgu&#x0364;ltig halten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Gleichwol aber war es bey mir nicht einerley, ob<lb/>
ich die&#x017F;es oder jenes &#x017F;o und nicht anders &#x017F;etzte und<lb/>
legte; denn wo ich meine Freyheit brauchen<lb/>
wolte, die GOtt allen Men&#x017F;chen in die&#x017F;em Stu&#x0364;-<lb/>
cke gegeben, und wider das thun, was mir<lb/>
gleich&#x017F;am zum Ge&#x017F;etze worden, &#x017F;o konte ich vor<lb/>
Hitze und Aeng&#x017F;tlichkeit keinen Schlaf in meine<lb/>
Augen bringen; ja ich habe wohl eher in der<lb/>
Nacht auf&#x017F;tehen, und das a&#x0364;ndern mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, was<lb/>
ich gerne meine Freyheit zu brauchen anders ge-<lb/>
&#x017F;etzt und geleget hatte. Und wenn mir ein Tel-<lb/>
ler aus Ver&#x017F;ehen in der Stube wa&#x0364;re liegen ge-<lb/>
blieben, und mir &#x017F;olches des Nachtes eingefallen<lb/>
wa&#x0364;re, ich ha&#x0364;tte keine Ruhe gehabt, noch &#x017F;chlafen<lb/>
ko&#x0364;nnen, wenn ich nicht aufge&#x017F;tanden, und den&#x017F;el-<lb/>
ben in die Ku&#x0364;che getragen ha&#x0364;tte.</p><lb/>
        <p>Du mo&#x0364;chte&#x017F;t &#x017F;agen: <hi rendition="#fr">Jch ha&#x0364;tte nicht wei-<lb/>
chen, und meiner Einbildung nicht nach-<lb/>
geben, &#x017F;ondern den Schlaf in Wind &#x017F;chla-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">gen</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[746/0792] ſich entſetzet, und viel und es war da auch keine Conſcientia ſcrupuloſa und ſcrupulirendes Gewiſſen, als ob ich mich gefuͤrchtet haͤtte zu ſuͤndigen, wenn ich etwas anders legte und ſetzte. Denn ich wuſte, daß der Menſch in dieſen Dingen hoͤchſt frey; und wenn einer noch ſo einfaͤltig, daß er keine indiffe- rente Handlungen ſtatuiren wolte, woruͤber die Theologi ſtreiten, ſo haͤtte er doch dieſe Dinge vor indifferent und gleichguͤltig halten muͤſſen. Gleichwol aber war es bey mir nicht einerley, ob ich dieſes oder jenes ſo und nicht anders ſetzte und legte; denn wo ich meine Freyheit brauchen wolte, die GOtt allen Menſchen in dieſem Stuͤ- cke gegeben, und wider das thun, was mir gleichſam zum Geſetze worden, ſo konte ich vor Hitze und Aengſtlichkeit keinen Schlaf in meine Augen bringen; ja ich habe wohl eher in der Nacht aufſtehen, und das aͤndern muͤſſen, was ich gerne meine Freyheit zu brauchen anders ge- ſetzt und geleget hatte. Und wenn mir ein Tel- ler aus Verſehen in der Stube waͤre liegen ge- blieben, und mir ſolches des Nachtes eingefallen waͤre, ich haͤtte keine Ruhe gehabt, noch ſchlafen koͤnnen, wenn ich nicht aufgeſtanden, und denſel- ben in die Kuͤche getragen haͤtte. Du moͤchteſt ſagen: Jch haͤtte nicht wei- chen, und meiner Einbildung nicht nach- geben, ſondern den Schlaf in Wind ſchla- gen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/792
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 746. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/792>, abgerufen am 17.06.2024.