lohr, die ich doch in meinem Leben, auch wenn ich in dem Joche der Sünden gezogen, und nach meiner wahren Freyheit geseuffzet, und GOtt um Erlösung aus dem schnöden Sünden-Dienst inbrünstig angeruffen, reichlich geschmecket habe. Ob ich gleich viel und manches von der sogenann- ten geistlichen Dürre auch in gutem Ver- stande genommen, gelesen; so habe ichs doch nicht in so großem Maaße erfahren, noch mir so einbilden können, als wie diese Zeit über. Doch hatte diese Dürre noch lange nicht den höchsten Grad erreicht, weil doch GOtt nach seiner Güte mir noch die Gabe zu beten, obwol nur mit kurtzen Sprüchelgen, und Reimgen, übrig ge- laßen, ich auch noch Liebe, Hochachtung, und alle gute Affecten gegen GOtt in meiner Seele fühlte, nur daß dieselben nicht mit so süßen Thrä- nen, und mit solchem frohlockenden Jauchzen der Seelen, wie sonst, verknüpffet waren. Jch wuste nicht, ob in meinem Alter alle Feuchtigkei- ten vergangen wären, daran ich die Zeit meines Lebens keinen Mangel gehabt, oder was es bedeu- ten solte. Manchmahl gab ich mich auch in diesem Stücke deßhalben zufrieden, weil mich die Erfahrung ehedessen schon gelehret, daß, wenn der Mensch nicht viel Feuchtigkeiten hat, und er, es mögen nun göttliche oder irdische Dinge seyn, durch dieselben zu Vergießung vieler Thränen
bewo-
aus dieſer Furcht endlich
lohr, die ich doch in meinem Leben, auch wenn ich in dem Joche der Suͤnden gezogen, und nach meiner wahren Freyheit geſeuffzet, und GOtt um Erloͤſung aus dem ſchnoͤden Suͤnden-Dienſt inbruͤnſtig angeruffen, reichlich geſchmecket habe. Ob ich gleich viel und manches von der ſogenann- ten geiſtlichen Duͤrre auch in gutem Ver- ſtande genommen, geleſen; ſo habe ichs doch nicht in ſo großem Maaße erfahren, noch mir ſo einbilden koͤnnen, als wie dieſe Zeit uͤber. Doch hatte dieſe Duͤrre noch lange nicht den hoͤchſten Grad erreicht, weil doch GOtt nach ſeiner Guͤte mir noch die Gabe zu beten, obwol nur mit kurtzen Spruͤchelgen, und Reimgen, uͤbrig ge- laßen, ich auch noch Liebe, Hochachtung, und alle gute Affecten gegen GOtt in meiner Seele fuͤhlte, nur daß dieſelben nicht mit ſo ſuͤßen Thraͤ- nen, und mit ſolchem frohlockenden Jauchzen der Seelen, wie ſonſt, verknuͤpffet waren. Jch wuſte nicht, ob in meinem Alter alle Feuchtigkei- ten vergangen waͤren, daran ich die Zeit meines Lebens keinen Mangel gehabt, oder was es bedeu- ten ſolte. Manchmahl gab ich mich auch in dieſem Stuͤcke deßhalben zufrieden, weil mich die Erfahrung ehedeſſen ſchon gelehret, daß, wenn der Menſch nicht viel Feuchtigkeiten hat, und er, es moͤgen nun goͤttliche oder irdiſche Dinge ſeyn, durch dieſelben zu Vergießung vieler Thraͤnen
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aus dieſer Furcht endlich
lohr, die ich doch in meinem Leben, auch wenn
ich in dem Joche der Suͤnden gezogen, und nach
meiner wahren Freyheit geſeuffzet, und GOtt
um Erloͤſung aus dem ſchnoͤden Suͤnden-Dienſt
inbruͤnſtig angeruffen, reichlich geſchmecket habe.
Ob ich gleich viel und manches von der ſogenann-
ten geiſtlichen Duͤrre auch in gutem Ver-
ſtande genommen, geleſen; ſo habe ichs doch
nicht in ſo großem Maaße erfahren, noch mir ſo
einbilden koͤnnen, als wie dieſe Zeit uͤber. Doch
hatte dieſe Duͤrre noch lange nicht den hoͤchſten
Grad erreicht, weil doch GOtt nach ſeiner Guͤte
mir noch die Gabe zu beten, obwol nur mit
kurtzen Spruͤchelgen, und Reimgen, uͤbrig ge-
laßen, ich auch noch Liebe, Hochachtung, und alle
gute Affecten gegen GOtt in meiner Seele
fuͤhlte, nur daß dieſelben nicht mit ſo ſuͤßen Thraͤ-
nen, und mit ſolchem frohlockenden Jauchzen der
Seelen, wie ſonſt, verknuͤpffet waren. Jch
wuſte nicht, ob in meinem Alter alle Feuchtigkei-
ten vergangen waͤren, daran ich die Zeit meines
Lebens keinen Mangel gehabt, oder was es bedeu-
ten ſolte. Manchmahl gab ich mich auch in
dieſem Stuͤcke deßhalben zufrieden, weil mich
die Erfahrung ehedeſſen ſchon gelehret, daß, wenn
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 750. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/796>, abgerufen am 22.11.2024.
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