ohne zu wissen, wozu diese letztere Dinge in der Welt nützlich wären. Zur Kohl-Gärtner-Ar- beit war ich zu faul und zu wollüstig, oder hatte keine Geschicklichkeit dazu. Meine Eltern wu- sten nicht, was sie aus mir machen solten. Ei- nige riethen, man solte mich die Kauffmannschafft lernen laßen, weil ich gut rechnen, und eine schöne Hand schreiben könte; ich hatte aber mehr Lust in die lateinische Schule zu gehen. Denn der Küster bey der Kirchen auf dem neuen Begräb- niß, zu welchem ich in die Schule gieng, weil ich schon ein großer und ziemlich starcker Knabe war, brauchte mich zuweilen, wie die Schulmeister, leider, es öffters zu machen pflegen, zu häuslichen Verrichtungen. Wenn Begräbnisse mit dem gantzen Geläute waren, muste ich seinen Söhnen läuten helffen, welches ich so willig und gerne that, daß ich glaube, wenn die Eltern meinen närri- schen Willen erfüllet hätten, ich wäre ein Glocke- Läuter worden. So bald das Läuten ein Ende hatte, so gieng ich gemeiniglich hernach herunter in die Kirche auf das Chor, so unter dem Thurme ist, und hatte meine große Lust, die Sterbe-Lieder mit zu singen. Das bekannte Lied, welches sie bey uns bey Begräbnissen zuletzte singen, Nun laßt uns den Leib begraben, ist mir auch schon, da ich noch ein Knabe war, und insonderheit, wenn ich in dieser Kirchen gewesen, gantz unge-
mein
Wird durch ein Sterbe-Lied
ohne zu wiſſen, wozu dieſe letztere Dinge in der Welt nuͤtzlich waͤren. Zur Kohl-Gaͤrtner-Ar- beit war ich zu faul und zu wolluͤſtig, oder hatte keine Geſchicklichkeit dazu. Meine Eltern wu- ſten nicht, was ſie aus mir machen ſolten. Ei- nige riethen, man ſolte mich die Kauffmannſchafft lernen laßen, weil ich gut rechnen, und eine ſchoͤne Hand ſchreiben koͤnte; ich hatte aber mehr Luſt in die lateiniſche Schule zu gehen. Denn der Kuͤſter bey der Kirchen auf dem neuen Begraͤb- niß, zu welchem ich in die Schule gieng, weil ich ſchon ein großer und ziemlich ſtarcker Knabe war, brauchte mich zuweilen, wie die Schulmeiſter, leider, es oͤffters zu machen pflegen, zu haͤuslichen Verrichtungen. Wenn Begraͤbniſſe mit dem gantzen Gelaͤute waren, muſte ich ſeinen Soͤhnen laͤuten helffen, welches ich ſo willig und gerne that, daß ich glaube, wenn die Eltern meinen naͤrri- ſchen Willen erfuͤllet haͤtten, ich waͤre ein Glocke- Laͤuter worden. So bald das Laͤuten ein Ende hatte, ſo gieng ich gemeiniglich hernach herunter in die Kirche auf das Chor, ſo unter dem Thurme iſt, und hatte meine große Luſt, die Sterbe-Lieder mit zu ſingen. Das bekannte Lied, welches ſie bey uns bey Begraͤbniſſen zuletzte ſingen, Nun laßt uns den Leib begraben, iſt mir auch ſchon, da ich noch ein Knabe war, und inſonderheit, wenn ich in dieſer Kirchen geweſen, gantz unge-
mein
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Wird durch ein Sterbe-Lied
ohne zu wiſſen, wozu dieſe letztere Dinge in der
Welt nuͤtzlich waͤren. Zur Kohl-Gaͤrtner-Ar-
beit war ich zu faul und zu wolluͤſtig, oder hatte
keine Geſchicklichkeit dazu. Meine Eltern wu-
ſten nicht, was ſie aus mir machen ſolten. Ei-
nige riethen, man ſolte mich die Kauffmannſchafft
lernen laßen, weil ich gut rechnen, und eine ſchoͤne
Hand ſchreiben koͤnte; ich hatte aber mehr Luſt
in die lateiniſche Schule zu gehen. Denn der
Kuͤſter bey der Kirchen auf dem neuen Begraͤb-
niß, zu welchem ich in die Schule gieng, weil ich
ſchon ein großer und ziemlich ſtarcker Knabe war,
brauchte mich zuweilen, wie die Schulmeiſter,
leider, es oͤffters zu machen pflegen, zu haͤuslichen
Verrichtungen. Wenn Begraͤbniſſe mit dem
gantzen Gelaͤute waren, muſte ich ſeinen Soͤhnen
laͤuten helffen, welches ich ſo willig und gerne that,
daß ich glaube, wenn die Eltern meinen naͤrri-
ſchen Willen erfuͤllet haͤtten, ich waͤre ein Glocke-
Laͤuter worden. So bald das Laͤuten ein Ende
hatte, ſo gieng ich gemeiniglich hernach herunter
in die Kirche auf das Chor, ſo unter dem Thurme
iſt, und hatte meine große Luſt, die Sterbe-Lieder
mit zu ſingen. Das bekannte Lied, welches ſie
bey uns bey Begraͤbniſſen zuletzte ſingen, Nun
laßt uns den Leib begraben, iſt mir auch ſchon,
da ich noch ein Knabe war, und inſonderheit,
wenn ich in dieſer Kirchen geweſen, gantz unge-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/88>, abgerufen am 21.11.2024.
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